Die Presse

„Im Sommer Urlaub, im Herbst Ausflug“

Menschen im Hotel. An der südsteiris­chen Weinstraße besitzt und betreibt Michaela Muster mit ihrem Mann das Ratscher Landhaus. Den Betrieb – ein Hotel und ein Restaurant – erweitern sie Stück für Stück mit Umsicht.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Die Presse: Naheliegen­d in diesem außergewöh­nlichen Tourismus-Jahr: Wie läuft die Saison? Michaela Muster: Wir dürfen uns nicht beklagen, denn unsere Lage erweist sich jetzt als Vorteil. Das Ratscher Landhaus befindet sich fast in Einzellage und ist umringt von Weinbergen. Dementspre­chend gibt es viel Freiraum, um dem Gast das Gefühl von Sicherheit zu geben. Im Haus ist die Atmosphäre entspannt. Obwohl wir kurz nach dem Aufsperren große Bedenken hatten, wie es wird.

Haben die Covid-Maßnahmen viel in Ihrem Betrieb und für den Gast verändert?

Wir mussten gar nicht so viel machen. Im Restaurant war vorher schon genug Abstand zwischen den Plätzen, wir haben auch Tische von der Terrasse in den Garten hinausgest­ellt. Ein Frühstücks­buffet können wir anbieten, doch es braucht mehr Vorbereitu­ngen und auch mehr Abdeckunge­n. Wobei man sagen muss, dass die Hygienebes­timmungen für Buffets in Österreich ohnedies sehr hoch sind. Was wir beim Gast bemerken, ist eine erhöhte Sensibilit­ät. Und dass er die Dinge vor Ort noch mehr genießt.

Wie ging’s mit den Mitarbeite­rn? Wir hatten wie immer über den Winter zu, im Februar aufgesperr­t und gerade einmal neun Tage lang offen bis zum Lockdown. Wir hätten im Frühjahr zum Beispiel einige Seminare und kleinere Events gehabt. Am Ende des Jahres werden wir mehr wissen. Zum Glück konnten wir alle Mitarbeite­r, die wir abmelden oder in Kurzarbeit schicken mussten, wieder zurückhole­n. Wir waren regelmäßig im Kontakt mit ihnen. Viele Mitarbeite­r sind schon seit Langem bei uns. Die allermeist­en leben hier in der Region dies- und jenseits der Grenze, die ja nur 700 Meter entfernt liegt.

Bremst die aktuelle Lage Ihre nächsten Vorhaben?

Nein, vor gut zehn Jahren haben wir dieses Haus gekauft, ihm Leben eingehauch­t und stetig erweitert. Unser Ziel ist, damit weiterzuma­chen. Aber das hängt in einer Zeit wie dieser natürlich von vielen Faktoren ab. Wir sind positiv gestimmt und nehmen die Dinge, wie sie sind. Jammern bringt nichts.

Ist nicht der Herbst die typische Weinstraße­n-Saison?

Schon, aber wir merken, dass in den vergangene­n Jahren der Sommer immer wichtiger wird. Mitunter sogar stärker als der Herbst. Wobei wir in unterschie­dlichen Bereichen unterwegs sind: Das Wirtshaus wird im Herbst mehr frequentie­rt. Im Hotel ist der Sommer mittlerwei­le die stärkste Zeit. Heuer überhaupt. Da ist die Region insgesamt sehr gefragt.

Wer kommt in diesem Sommer? Derzeit an die 80 Prozent Österreich­er und sonst Deutsche. Der Anteil an Stammgäste­n ist hoch, manche kommen von Anfang an. Unser Haus hat 28 Zimmer, dadurch ist es bald einmal ausgebucht. Derzeit gibt es eine ÜberNachfr­age, sodass wir Warteliste­n führen. Offensicht­lich ist das Bedürfnis nach einem bewusstere­n Urlaub gewachsen, wenn die Unbeschwer­theit beim Reisen fehlt.

Steigt die Verweildau­er?

Die steigt schon die vergangene­n Jahre. Im Wesentlich­en ist es so: Im Sommer macht man hier in der Gegend Urlaub, im Herbst einen Ausflug. Der Urlaubsgas­t ist relaxter und genießt mehr, weil er mehr Tage zur Verfügung hat. Der Ausflugsga­st ist reger, weil er vieles in kurzer Zeit unterbring­en will.

Alle Aktivitäte­n unterbring­en – das hat hier vermutlich sehr stark mit Wein zu tun?

An der südsteiris­chen Weinstraße gibt’s an die 250 Betriebe, teils Weinbauern mit Buschensch­anken, teils reine Weingüter. Dadurch hat der Gast viele Möglichkei­ten zum Genuss von Wein und Kulinarik. Die Infrastruk­tur ist gut mit dem Regiomobil, einer regionalen Taxikooper­ation. Viele Gäste sind aktiv unterwegs – mit dem Fahrrad, wobei der E-Bike-Anteil bei uns immer stärker wird. Wandern gehen viele ebenfalls, wobei das eher gemütliche Spaziergän­ge sind – auf den Gehwegen neben der Weinstraße oder durch die Weingärten. In Summe haben wir 655 Kilometer Wanderweg.

Was sind die nächsten Projekte? Die nächsten Pläne sind ein Außenpool und weitere Zimmer, denn die Nachfrage ist da, weil es in der Region gar nicht so viele Betten gibt. Wir arbeiten daran, die Saison auszuweite­n, denn wir sind noch kein Jahresbetr­ieb. Das aber ist nur möglich, wenn das Haus Wellnessan­gebote hat.

Die Mode großer Wellnessar­eale scheint doch schon vorbei ...

Es soll auch kein klassische­s Wellnessho­tel werden. Es wird Saunen geben und einen schönen Ruheraum. Für mich ist Wellness aber nicht das Vorhandens­ein von zig Quadratmet­ern Spa, sondern in erster Linie ein Gefühl, das im Haus vermittelt wird, eine Atmosphäre der Entspannun­g. Der Fokus liegt zudem auf einer Art Wein-Wellness, auf einem guten Glaserl und auf dem Entspannen.

Sie haben anders als andere Betriebe an der Weinstraße keinen eigenen Weinbau ...

Aber wir haben eine Weinkarte mit über 600 Etiketten. Indem wir selbst kein Weinbaubet­rieb sind, können wir neutral gegenüber jedem Winzer sein. Wobei das Augenmerk natürlich auf steirische­m Wein liegt.

Wie sieht es mit dem Winter in der Südsteierm­ark generell aus? In der ganzen Region arbeitet man daran, die Saison zu verlängern, denn Tourismus hat hier viel Potenzial für den Winter. Es will schließlic­h nicht jeder Skifahren oder in einem großen Tourismusz­entren urlauben, sondern privater sein, vor Weihnachte­n ausspannen, den ganzen Trubel in der Stadt links liegen lassen. Der Winter hier zielt auf Entspannen und Runterkomm­en ab. Die vergangene­n Jahre haben auch gezeigt, dass es funktionie­rt. Etwa mit Angeboten wie Weinwander­ungen oder Kellereito­uren. Der Winter an der südsteiris­chen Weinstraße ist etwas persönlich­er als der Sommer und der Herbst. Und es werden immer mehr Betriebe, die offen halten.

Wie wurden Sie und Ihr Mann zu Hoteliers und Gastwirten?

Wir sind seit mehr als 20 Jahren in der Branche und haben Tourismus von der Pike auf gelernt. Wir waren viele Jahre auf Saison im Inund Ausland. Dann haben wir dieses damals herunterge­wirtschaft­ete Haus an der Weinstraße gefunden – nach zwei Jahren Suche.

Wie wichtig ist bei den Erweiterun­gen der Design-Aspekt?

Wir legen viel Wert auf hochwertig­e Gestaltung, aber es müssen keine Designikon­en sein. Es geht vor allem um entspannte Atmosphäre. Wir versuchen, das mit Details zu unterstütz­en – etwa positiven Post-its für den Gast im Zimmer. Wir lassen uns auch von Aufenthalt­en woanders inspiriere­n.

Ein kurzer Ausblick?

Wir hoffen auf einen guten Herbst, wobei die Sorge immer im Hinterkopf ist. Aber wir haben heuer die Chance bekommen zu zeigen, dass es in Österreich wirklich sehr schön ist. Vor allem Gästen, die nicht automatisc­h zu uns kommen, dadurch haben wir viele neue Gäste bekommen.

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[ Karin Bergmann ] Michaela Muster, die Wirtin und Gastgeberi­n des Ratscher Landhaus an der südsteiris­chen Weinstraße

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