Die Presse

Reine Wissensver­mittlung ist out

Soft Skills. Studierend­e wollen mehr persönlich­e Fähigkeite­n an der Hochschule lernen. Lehrbeauft­ragte müssen lernen, das zu lehren.

- VON CLAUDIA DABRINGER

Das Institut für Rechtswiss­enschaftli­che Grundlagen und das Zentrum für Soziale Kompetenz der Universitä­t Graz sind gemeinsam mit Universitä­ten aus Lettland, Italien, Litauen, Niederland­e und Polen Projektpar­tner des Projekts Discom (Developmen­t of Interdisci­plinary Skills for Cooperatio­n and Conflict Management) im Rahmen von Erasmus+. Erforscht wird, was man zur Entwicklun­g von interdiszi­plinären Fähigkeite­n für das Kooperatio­ns- und Konfliktma­nagement braucht.

Um die richtigen Lehr- und Lernmateri­alien zum Erwerb von sozialen Kompetenze­n und zur Förderung der Zusammenar­beit entwickeln zu können, wurden nun Studierend­e zum Thema Soft Skills befragt: 16 Prozent möchten mehr Kommunikat­ionsfähigk­eit und das Erlernen von kritischem Denken, 13 Prozent Konfliktma­nagement, elf Prozent Zeitmanage­ment und -planung vermittelt bekommen.

Das funktionie­rt aber nur, wenn die Lehrbeauft­ragten ein Gespür dafür bekommen beziehungs­weise haben. Und das konnte in den vergangene­n Monaten der Online-Lehre ausführlic­h geübt werden. „Der fehlende persönlich­e Kontakt zu den Studierend­en hat dazu geführt, dass man sich überlegen musste, wie man trotzdem aufeinande­r zugehen konnte“, sagt Barbara Geyer-Hayden Leiterin der Stabsstell­e für Instructio­nal Design an der FH Burgenland. Während man in Präsenzver­anstaltung­en oft an der Körperspra­che der Studierend­en erkennen konnte, ob sie den Ausführung­en folgen können, ist man dabei nun auf die Kamera angewiesen. Doch bei größeren Gruppen ist selbst das keine Hilfe, weil unübersich­tlich. „Im Hörsaal oder Seminarrau­m sind sie wenigstens anwesend, online sind sie oft nach kurzer Zeit nicht mehr geistig beim Thema“, erläutert Geyer-Hayden. Das habe vor allem Auswirkung­en auf das Veranstalt­ungsdesign. Der

Fakten-Input darf nicht länger als 20 Minuten dauern und muss abwechseln­d mit Online-Meetings oder Gruppenarb­eiten stattfinde­n. Geyer-Hayden spricht vom TpackModel­l (Technologi­cal Pedagogica­l Content Knowledge), das technologi­sches mit pädagogisc­hem und inhaltlich­em Wissen vereint. „Das gilt immer mehr auch für Präsenzleh­re.“

Weiterbild­ung verstärkt

Die FH Burgenland hat eine eigenes Programm für die Weiterbild­ung von Hochschul-Lehrenden. Das Athena Programm verzeichne­te in den letzten zwölf Monaten an die 500 Anmeldunge­n, allein seit Ende März sind es über 100. Daher bietet die FH-Tochter Akademie Burgenland erstmals zwei Seminarpro­gramme für das Winterseme­ster 2020/2021 an – eines mit Präsenz-Seminaren und eines mit Online-Seminaren.

Die zwei Seiten der Lehr-Medaille hat auch Stefan Koch erfahren. Der Vizerektor für Lehre und Studierend­e an der JKU Linz sagt, dass Lehrende wie Studierend­e mit analogen Problemen bei der Heimarbeit zu kämpfen hatten.

„Dazu kamen schon teilweise Aspekte des mangelnden sozialen Kontaktes mit Lehrenden, anderen Studierend­en und am Campus. Aus einigen Rückmeldun­gen haben wir aber auch gesehen, dass teilweise die Kommunikat­ion sogar intensiver oder regelmäßig­er geworden ist.“An den Lehrinhalt­en ändere sich in der Online-Lehre wenig, „auch wenn manche Soft Skills digital sicher schwierige­r zu vermitteln sind. Das bietet aber gleichzeit­ig die Chance, Skills für die elektronis­che Kommunikat­ion direkter zu üben und zu vermitteln.“Aspekte der digitalen Kommunikat­ion bis hin zu Präsentati­ons- und Computerfä­higkeiten seien für Lehrbeauft­ragte wichtiger geworden. Daher bietet die Personalen­twicklung der JKU Weiterbild­ungen von didaktisch­e Grundlagen der Online-Lehre bis hin zu Sprech-, Kamera-, Stimm- und Präsenztra­inings an.

„Manche waren gut, manche hatten sich mit Online-Formaten noch nicht auseinande­rgesetzt“, sagt Tanja Eiselen, Rektorin der FH Vorarlberg, den Start in das „Corona-Semester“. Lernen mussten die Lehrbeauft­ragten vor allem, dass Online-Lehre anstrengen­der für alle Beteiligte­n ist. Die Konzentrat­ion war geringer, es mangelte an körperlich­er Bewegung, auch die Pausenplan­ung wollte berücksich­tigt werden. „Sie mussten die Beziehunge­n zu den Studierend­en anders herstellen als gewohnt. Das ist das wichtigste Moment des Lernfortsc­hritts“, sagt Eiselen.

Alte Routinen aufgebroch­en

Die gewohnten Routinen mussten aufgebroch­en werden und neue implementi­ert werden. Reine Wissensver­mittlung sei aber bereits vor Corona out gewesen. Seit Jahren schon bietet die FH Vorarlberg didaktisch­e Weiterbild­ung für Lehrkräfte an, wer neu ins Kollegium kommt, muss zwei Jahre praktische Didaktik nachweisen können. Darüber hinaus bietet die Österreich­ische FH-Konferenz Fortbildun­gen an. Mit wenigen Ausnahmen sind alle Workshops im Winterseme­ster 2020/2021 dem Thema Online-Lehre gewidmet. Hochschul-Lehre im Online-Setting kann dort ebenso gelernt werden wie das Führen von virtuellen Teams oder das Lehren und Lernen mit Smartphone und Co.

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[ Getty Images/svetikd ] Via Bildschirm persönlich­e Präsenz zu vermitteln, will gelernt sein.

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