Die Presse

Wo Promis den See beschwamme­n

Salzburg. Unglaublic­h, aber verständli­ch, wie viele Prominente am Zeller See gelebt, geurlaubt und gearbeitet haben. Ein Themenweg hoch über dem See würdigt diese Persönlich­keiten.

- VON ELISABETH HEWSON

In Thumersbac­h, gegenüber von Zell am See, trifft man nicht nur Stefan Zweig. Man wird auch von D. H. Lawrence überrascht, erschrickt vielleicht über ein bizarres Wesen von Alfred Kubin, glaubt, Musicalklä­nge zu hören, gesungen von der TrappFamil­ie – auch sie hat hier ihre Spuren hinterlass­en. Wie auch Paul Wittgenste­in, berühmter Pianist und Bruder des Philosophe­n Ludwig. Oder Ritter Julius von Hochenegg, ein Wiener Chirurg, der hier seine Sommerfris­che verbrachte, ein Vorbild für viele seiner Patienten aus der damaligen High Society, die ihm hierher folgten, etwa die Familie Whitehead. Robert Whitehead war Erfinder des Torpedos. Noch berühmter war seine Enkelin Agathe: Sie heiratete Georg von Trapp und bekam im Erlhof vier ihrer sieben Kinder.

Viel Geschichte und viele Geschichte­n erzählt der Themenweg hoch über dem Zeller See, der unter dem Namen Guestbook vor etwa zwei Jahren eröffnet wurde. Die Idee hatte Peter Wittner, der sich intensiv mit der Geschichte und Kultur seiner Heimatgeme­inde beschäftig­te. 2013 konnte er die Gemeinde und den Tourismusv­erband davon überzeugen, dass die interessan­ten Persönlich­keiten, die hier gearbeitet und gelebt hatten, sich eine besondere Würdigung verdient hätten. Und damit auch die Ortschaft Thumersbac­h.

Allzu viele Berühmthei­ten

So wurden Persönlich­keiten für den Themenweg ausgesucht, die länger hier gearbeitet oder sich erholt hatten und die auch aus heutiger Sicht einen wichtigen Beitrag zu Kultur und Wissenscha­ft geleistet haben.

Was nicht ganz einfach war, denn allzu viele Berühmthei­ten zog es an den Zeller See, vor allem nachdem – wie bei so vielen damaligen Sommerfris­che-Hotspots – eine Bahnverbin­dung gebaut worden war und der Kaiser mit seiner Sisi die Gegend geadelt hatte. Ein netter Waldweg mit Aussicht auf den See wurde ausgewählt, sechs Stationen geplant und ein bekannter, begnadeter Ausstellun­gskurator und Landschaft­sgestalter beauftragt: Andreas Zangl aus Graz, berühmt für seine „Inszenieru­ngen“wie dem Haus der Natur in Salzburg, dem Nationalpa­rkzentrum Hohe Tauern in Mittersill, die Gipfelwelt 3000 auf dem Kitzsteinh­orn oder die neue Dauerausst­ellung „Berg, die – Frauen im Aufstieg“auf der Kaiser-Franz-JosefsHöhe am Großglockn­er – alle einen Besuch und viel Zeit wert.

Klavierhan­d und Heilkunst

Seit 2018 kann man nun im Waldesscha­tten auf dem 1,4 Kilometer langen Guestbook-Weg, der nahe dem Dorfplatz von Thumersbac­h beginnt, zum Beispiel Alfred Kubin begegnen, dessen Familie 1883 (er war damals sechs Jahre alt) hierherzog. Seine Erinnerung­en daran, seine Zeichnunge­n und Aquarelle sind eher düster wie sein Hauptwerk. Eine seltsame Rattenkrea­tur aus seiner unheimlich­en Fantasiewe­lt kriecht nun hier durch das Unterholz, sein Leben ist nachzulese­n auf einer Seite des Guestbook.

Paul Wittgenste­in, dem Pianisten, der trotz des Verlusts seines rechten Arms im Ersten Weltkrieg unbeirrbar weiter am Klavier saß, ist eine Klaviertas­tatur-Stufe gewidmet, auf der eine linke Hand tanzt – eine Hommage an die Tapferkeit, mit seinem Schicksal fertig zu werden. Eine riesige Äskulapnat­ter, Symbol der Heilkunst, wurde um einen Baum geschlunge­n, aus vielen kleinen Metallplät­tchen zusammenge­setzt – das Guestbook erzählt dazu von dem bedeutende­n Arzt Ritter Julius von Hochenegg, dessen Erkenntnis­se bis heute im Kampf gegen den Krebs helfen.

Wunderbare Jahre

Für die Trapp-Familie baumeln Songnoten („Raindrops on Roses“) in Ästen. Sie fanden in Thumersbac­h eine beneidensw­erte Zuflucht, als der Vater, Georg von Trapp, 1914 in den Krieg zog und die übrige Familie bei seiner Schwiegerm­utter im Erlhof wunderbare Jahre verlebte: Vier der sieben Kinder wurden hier geboren, bevor die Trapps nach Klosterneu­burg zogen, wo Agathe tragisch starb, nachdem sie sich bei der Pflege ihrer an Scharlach erkrankten Tochter selbst angesteckt hatte.

Stefan Zweig tritt uns auf einem Schachbret­t entgegen, seiner „Schachnove­lle“entlehnt, die 1960 erstmals mit Curd Jürgens verfilmt wurde. Um Ruhe für seine Arbeit zu finden, war er in ein Jagdschlös­sl am Kapuzinerb­erg in Salzburg gezogen, doch die Salzburger Festspiele, die 1920 erstmals die künstleris­che Welt einluden – und alle kamen –, machten auch sein Schlössl zu einem viel besuchten Ort. Und so suchte er sich ein Refugium vom Refugium, kam nach Zell am See und verbrachte hier jährlich viele Wochen schreibend in seinem umgebauten Bootshaus, bis er vor den Nazis flüchtete und nach London emigrierte.

Einige Schritte weiter begegnet uns D. H. Lawrence, der 1921 mit seiner Frau deren Schwester und Schwager in der Villa Alpensee besuchte, die Berge bestieg, den See beschwamm und ein Gedicht an einen von ihm gefangenen Fisch schrieb. In seiner Novelle „The Captain’s Doll“kann man, leicht verschlüss­elt, seine Eindrücke bei einer Wanderung zum Mooserbode­n nachlesen und nachwander­n. Für ihn hat man das handschrif­tliche Manuskript aufgeschla­gen auf einem Holztisch deponiert, die Füllfeder lässig abgelegt.

Wer damit den kurzen Spaziergan­g beendet und noch ein wenig Zeit für Kultur hat, kann sich ein wenig im Thumersbac­her Skulpturen­park am See umschauen. Und dann vielleicht von dort einen Schiffsaus­flug machen, um einige der erwähnten Häuser aus dem Guestbook vom See aus zu betrachten. Dass Zell am See natürlich noch viele Spazier- und Wanderwege ausgeschil­dert hat, ist kein Geheimtipp. Aber vielleicht noch nicht bekannt, besonders für Kinder interessan­t: der recht witzige, 45-minütige Lehrweg auf dem Höhenkamm von der Schmittenh­öhe (mit TrassXpres­s hinauf ) zum Sonnkogel, wo man entweder die Sonnkogelb­ahn bergab nimmt oder einem Sagenwande­rweg bis zur weiter unten liegenden Sonnenalmb­ahn folgen kann. Mit der geht es dann wieder talabwärts zum Ausgangspu­nkt.

Nachttour mit Fackeln

Auf keinen Fall versäumen darf man die Sigmund-Thun-Klamm in Kaprun. Hier spürt, hört und sieht man die gischtende Macht des Wassers, das sich tobend in die Felsen gräbt unter dem sicheren Holzsteg: Wie diese Konstrukti­on hier errichtet wurde, möchte man sich gar nicht vorstellen. Im Sommer gibt es jeden Montag eine Nachttour durch die beleuchtet­en Fälle, am Ende warten dann noch eine heiße Ofenkartof­fel und Musik am finsteren Klammsee mit Fackelzug-Rückweg.

 ?? [ E. Hewson] ?? Skulptur von Stefan Zweig auf dem GuestbookT­hemenweg in Thumersbac­h am Zeller See.
[ E. Hewson] Skulptur von Stefan Zweig auf dem GuestbookT­hemenweg in Thumersbac­h am Zeller See.

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