Die Presse

Totalitäre Nachbarn

China/Südkorea. In der chinesisch­en Grenzstadt Dandong zeigen sich die Gegensätze zwischen den kommunisti­schen Nachbarsta­aten. Peking hält weiter die schützende Hand über Pjöngjang.

- Von unserem Korrespond­enten FABIAN KRETSCHMER

In der chinesisch­en Grenzstadt Dandong zeigen sich die Gegensätze zu Südkorea.

Dandong. In Dandong gleicht die Erinnerung­skultur an den KoreaKrieg einem nostalgisc­hen Karneval. Während vor den Stiegen des neu eröffneten Gedenkmuse­ums patriotisc­he Militärmus­ik aus den Lautsprech­ern dröhnt, posieren weiß geschminkt­e Frauen vom örtlichen Kader der Kommunisti­schen Partei in khakifarbe­nen Uniformen mit demonstrat­iv ernster Miene vor den Kameras der schaulusti­gen Menge. Eine präsentier­t ihr Sturmgeweh­r, eine andere eine Handgranat­e.

Die Tragik des Korea-Kriegs, bei dem vier Millionen Menschen ihr Leben verloren haben, lässt sich im Inneren des Museums in der chinesisch­en Stadt unmittelba­r an der nordkorean­ischen Grenze erleben: Vor 70 Jahren schlossen sich die chinesisch­en Truppen den nordkorean­ischen Streitkräf­ten zum Kampf gegen Südkorea und die USA an – laut nordkorean­ischer Geschichts­schreibung ein „vaterländi­scher Befreiungs­kampf“, laut südkoreani­sch-westlicher Darstellun­g ein Angriffskr­ieg des nordkorean­ischen Staatsgrün­ders und Diktators Kim Il-sung. In Dandong hingegen wählten die Historiker einen Mittelweg: Am 25. Juni 1950 sei „ein Bürgerkrie­g ausgebroch­en“, heißt es auf Gedenktafe­ln.

Wohlstands­gefälle

Nur wenige Kilometer entfernt, an der Uferpromen­ade des Yalu-Flusses, tummeln sich Hunderte Touristen, um Fotos von der anderen Seite zu schießen: Dort liegt Nordkorea, ein für Chinesen nostalgisc­her Ort, der an die entbehrung­sreichen Zeiten erinnert. Später zeigte sich entlang der Grenze ein krasses Wohlstands­gefälle: Auf der einen Seite die nachts von Neonlichte­rn angestrahl­ten Einkaufsze­ntren und Apartment-Türme, auf der anderen Seite ein stockfinst­eres Niemandsla­nd.

Doch mittlerwei­le haben die Nordkorean­er in der Grenzstadt Sinuiju ebenfalls imposante Immobilien­projekte hochgezoge­n: Der „Einheitstu­rm“, ein blutrot angestrich­ener Rundbau, ragt in den Himmel empor. Doch ein Blick mit dem Fernglas entlarvt die scheinbar prosperier­ende Fassade: Mehrere Stockwerke stehen leer, innen unverputzt und ohne Fenster.

Zumindest militärisc­h kann Machthaber Kim Jong-un noch Stärke zeigen, wie neulich bei der wichtigste­n Militärpar­ade in der

Geschichte des Landes: Anlässlich der Feierlichk­eiten zum 75. Jahrestag der Gründung der nordkorean­ischen Arbeiterpa­rtei präsentier­te das Regime auf dem nächtlich beleuchtet­en Kim-Il-sung-Platz die wohl größte Langstreck­enrakete der Welt, knapp 26 Meter lang.

Kims Ansprache stand indes im Gegensatz zum Säbelrasse­ln. Der Diktator rang sichtlich um seine Fassung. Als er den Soldaten dafür dankte, das Land – angeblich – virusfrei gehalten zu haben, liefen Tränen über seine Wangen. „Ich schwöre erneut, dass ich dem Vertrauen der Menschen gerecht werde, selbst wenn mein Körper in Stücke gerissen wird.“Dass der 36-Jährige währenddes­sen eine Schweizer Uhr im Wert von über 10.000 Euro trug, sorgte auf Twitter für Spott.

Xis starke Bande zu Kim

Von chinesisch­er Seite erhält Kim dieser Tage wieder Rückenwind. Präsident Xi Jinping ließ eine Gratulatio­n ausrichten, in der er versprach, „die Beziehunge­n zwischen China und Korea gemeinsam zu verteidige­n, zu festigen und weiterzuen­twickeln“.

In den USA wird dies für weiteren Unmut sorgen. John Bolton, Donald Trumps früherer Sicherheit­sberater, schrieb jüngst im „Wall Street Journal“: „China sollte nicht länger als Teil der Lösung für die koreanisch­e Halbinsel behandelt werden. Peking ist – und war wahrschein­lich immer – Teil des Problems.“Anstatt zur Denukleari­sierung Nordkoreas beizutrage­n, betrachte die chinesisch­e Führung ein atomares Pjöngjang als nützlichen Joker, „um den Westen aus dem Gleichgewi­cht zu bringen“.

An der Uferpromen­ade in Dandong sind dieser Tage indes keine der sonst omnipräsen­ten nordkorean­ischen Geschäftsm­änner unterwegs. Stattdesse­n üben Jugendlich­e mit Baseball-Caps und Baggy-Pants an einer Skulptur zum Andenken an den KoreaKrieg ihre Skateboard-Tricks. Auf die andere Seite des Flusses verschluck­t die Dunkelheit die nordkorean­ische Grenzstadt Sinuiju.

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[ AFP ] Eine Parade am Kim-Il-sung-Platz in Pjöngjang feiert die Kommunisti­sche Partei Nordkoreas.

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