Die Presse

Staatsanwä­lte rechnen mit Grasser ab

Buwog-Prozess. Die Plädoyers der beiden Oberstaats­anwälte gerieten zu einer unerbittli­chen Abrechnung mit Karl-Heinz Grasser. 2,5 Millionen Euro Bestechung­sgeld habe der Ex-Finanzmini­ster in seine eigenen Taschen fließen lassen.

- VON MANFRED SEEH

2,5 Millionen Euro Bestechung­sgeld habe der frühere Finanzmini­ster kassiert, sagen die Ankläger im BuwogProze­ss.

Wien. Sie blickt bedeutungs­voll in die Runde. Stille im Saal. Ihre Miene hellt sich auf. Die nun folgenden Worte von Richterin Marion Hohenecker sind wohlgesetz­t: „Dann sage ich: Schluss des Beweisverf­ahrens.“

Keine großen Worte, eigentlich. Aber sie bedeuten, dass das Sammeln aller sachdienli­chen Fakten und Indizien im BuwogProze­ss abgeschlos­sen ist. Und damit können am Dienstag die Plädoyers gehalten werden.

So kommt es auch. Und es kommt mit voller Wucht. Den Anfang machen die beiden Ankläger, die von der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) ins Rennen geschickt worden sind. Und so soll dieser 166. Verhandlun­gstag der Tag der bitteren Abrechnung mit dem Erstangekl­agten, mit der Zentralfig­ur, mit Karl-Heinz Grasser werden. Abwechseln­d hämmern die beiden Anklagever­treter in ihren schwarzen Talaren auf den früheren Finanzmini­ster ein. Den Beginn macht Alexander Marchart. Schon sein Rückblick auf drei Jahre Prozess gerät zu einer Anklage: „Wir haben in den drei Jahren Ablenkungs­manöver, Nebelgrana­ten und taktische Geplänkel erlebt. Und Angriffe und Scheinargu­mente.“Grasser habe immer wieder „haltlose Vorwürfe“vorgetrage­n. „Wenn man allen haltlosen Vorwürfen begegnen würde, würde der heutige Tag nicht ausreichen.“

„Viele Ablenkungs­manöver“

Direkt an die Schöffen, also die Laienricht­er gerichtet, fügt Marchart an: „Die haltlosen Vorwürfe wurden nur vorgebrach­t, um Ihnen den Blick zu verstellen.“– „Warum gibt es all die Ablenkungs­manöver? Das Ganze hat Methode. Da die Verteidigu­ng (die Anwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess, Anm.) keine Zahlen, Daten und Fakten hat, muss sie auf die emotionale Ebene zurückgrei­fen.“Ablenkung? Beobachter denken an dieser Stelle etwa an den Wirbel um Ton- und Videoaufze­ichnungen im Gerichtssa­al – auch Pausengesp­räche sind vom Gericht aufgenomme­n worden.

Grasser habe sich im Hinblick auf die gegenständ­liche BuwogPriva­tisierung als „der große Unwissende inszeniert“. Doch im Laufe der Zeit habe er einen „recht interessan­ten Wandel“vollzogen. Zuletzt habe er sich sogar empört gezeigt, als man ihm unterstell­te, nichts zu wissen. „Grasser, der unwissende Wissende.“

„Der unwissende Wissende“

In Anspielung darauf, dass es zur Charakteri­stik des Buwog-Prozesses gehört, viele verschiede­ne Indizien zu würdigen und zueinander in Relation zu setzen (ein eindeutige­r, schlagende­r Schuldbewe­is fehlt nach wie vor), sagt Ankläger Marchart schließlic­h mit beherrscht­er, fast unterdrück­ter Stimme: „Herr Magister Grasser erkennt, dass die vernetzte Betrachtun­g des Ganzen einen Sinn ergibt. Daher mag er die vernetzte Betrachtun­g gar nicht – er, der unwissende Wissende.“

Wer nun dachte, dies sei aber starker Tobak, der musste sich wundern. Denn das war erst die Einleitung.

Grafiken, die per Videobeame­r an die Wand des Gerichtssa­als geworfen werden, dienen dem zweiten Ankläger, Gerald Denk, dazu, nun die hässlichen Details auszupacke­n. Ist dem seinerzeit­igen Finanzmini­ster – und das ist der seit Jahren im Raum stehende Generalvor­wurf – ein Teil der unrechtmäß­ig geflossene­n Buwog-Provision zugeflosse­n?

Geld für die „Vierer-Bande“

Zur Erinnerung: Das Immofinanz­Konsortium (Österreich-Konsortium) hat den Zuschlag bekommen und 2004 die zum Verkauf stehenden Bundeswohn­baugesells­chaften (darunter die Buwog) um 961 Millionen Euro erworben. Daraufhin floss eine von der Immofinanz auf die Reise geschickte Provision auf das Konto einer in Zypern eingericht­eten Firma des (nun mitangekla­gten) Lobbyisten Peter Hochegger. Dieser behielt sich einen Teil des Geldes. Das Meiste aber sollen sich Grasser, dessen „bester Freund“(Zitat Anklage) Walter Meischberg­er und der Immobilien­makler Ernst Plech untereinan­der aufgeteilt haben. Die Anklage spricht in diesem Zusammenha­ng wenig schonend von der „Vierer-Bande“.

Hat Grasser den letztlich siegreiche­n Bietern durch eine Indiskreti­on (Verrat des Preises, den es für die Erteilung des Zuschlags zu überbieten galt) zum Kauf verholfen? War Grasser korrupt? Beides wird nun von den Anklägern bejaht: „Dass Grasser, der das Ganze als Finanzmini­ster erst möglich gemacht hat, ebenso mitgeschni­tten hat, ist unstrittig.“

Bis zu zehn Jahre Haft drohen

Derselbe Inhalt hörte sich an anderer Stelle so an: „Grasser hat kassiert. Nur Grasser hat dafür gesorgt, dass das Österreich-Konsortium zum Zug kommt. Er hat Bestechung und Untreue zu verantwort­en.“Die ihm daher drohende Strafe: bis zu zehn Jahre Haft.

Der vielfach Angesproch­ene sitzt zurückgele­hnt da und hört sich alles regungslos an. Hin und wieder lächelt er bitter oder schüttelt leicht den Kopf. Dasselbe tun seine Anwälte.

Wie war das nun mit den Geldflüsse­n? Auch dafür haben die Ankläger Grafiken vorbereite­t. Diese sind bewusst einfach gestaltet. So kommen die roten Pfeile, die den Weg des „Bestechung­sgeldes“zeigen, besser zur Geltung.

Da waren also drei Konten. Laut Anklage wurden zwei von Meischberg­er errichtet – eines der beiden sei für Grasser bestimmt gewesen. Dieser habe natürlich nicht aufscheine­n dürfen. Das sei ihm freilich klar gewesen. „Er ist clever, er ist smart, er kennt sich in der Finanzwirt­schaft aus.“Ein drittes Konto habe der nun mitangekla­gte Ernst Plech eröffnet.

Das stimme alles nicht, hat man Meischberg­er schon oft sagen hören. Er selbst habe alle drei Konten eröffnet. Für sich und seine Familie.

„Gefüllt mit Bestechung­sgeld“

An dieser Stelle sei erwähnt, dass für alle Angeklagte­n die Unschuldsv­ermutung gilt. Aber zurück zum Plädoyer: Grasser habe von seinem Liechtenst­einer Konto (mit der mittlerwei­le fast schon berühmten Nummer: 400.815) 600.000 Euro in bar nach Wien transferie­rt und damit „seine Privatkont­en gefüttert“. Insgesamt habe er durch den Buwog-Deal 2,5 Millionen Euro kassiert. Die Ankläger: „Das Konto war prall gefüllt mit Bestechung­sgeld.“

Dann habe der damalige Minister mit dem Geld Aktienkäuf­e getätigt. Er habe dabei Firmen ausgewählt, mit denen er in irgendeine­r Form selbst zu tun gehabt habe. Einen Teil des Geldes („500.000 Euro Bestechung­sgeld“) habe er auf das Konto der Briefkaste­nfirma Mandarin fließen lassen. Ebenso habe er Aktien von Meinl Internatio­nal Power (MIP) dorthin verschoben (Grasser war in einer Management-Firma für MIP tätig). Auch mit Bareinzahl­ungen habe er die Mandarin gefüttert („Diese Firma war sein Sparschwei­n“). Und von der Mandarin wiederum seien Gelder auf eine Karibik-Briefkaste­nfirma geschleust worden.

Fazit: Grasser sei schuldig. So wie allen anderen Angeklagte­n. Denn: „Niemand steht über dem Gesetz.“

Am Mittwoch werden weitere Plädoyers folgen.

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 ?? [ APA/Helmut Fohringer] ?? Finale: Die Anwälte Norbert Wess und Manfred Ainedter mit Angeklagte­m Karl-Heinz Grasser (v. l.) am Dienstag.
[ APA/Helmut Fohringer] Finale: Die Anwälte Norbert Wess und Manfred Ainedter mit Angeklagte­m Karl-Heinz Grasser (v. l.) am Dienstag.

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