Die Presse

Ab sofort fährt die Sinnfrage mit

Rad. Der Giro rollt ins Corona-Chaos: Zwei Teams stiegen aus, dazu wurden Löcher in der Blase bekannt. Die Rundfahrt soll es trotzdem ins Ziel schaffen, zwei Österreich­er mischen vorn mit.

- VON SENTA WINTNER

Der Giro d’Italia rollt ins Coronachao­s: Zwei Teams stiegen aus, dazu wurden Löcher in der Blase bekannt.

Lanciano. Der Ruhetag brachte dem 103. Giro d’Italia die bereits befürchtet­e Unruhe. Acht Coronafäll­e bei der kompletten Durchtestu­ng am Montag stürzten die Rundfahrt ins Chaos. Für die positiv getesteten Fahrer, den Australier Michael Matthews (Sunweb) und den niederländ­ischen Mitfavorit­en Steven Kruijswijk (JumboVisma), war das Rennen damit vorzeitig vorbei, beide bekundeten laut Aussendung­en keine Symptome und begaben sich in Quarantäne. Der niederländ­ische JumboVisma-Rennstall stieg als Konsequenz wie auch das Mitchelton­Team aus. Die Australier reagierten damit auf vier Coronafäll­e im Betreuerst­ab, nachdem ihr Kapitän, Simon Yates, bereits am Freitag positiv getestet worden war.

Der Rückzug der Teams erfolgte freiwillig, denn im Gegensatz zur Tour bedeuten beim Giro zwei positive Fälle nicht automatisc­h das Aus. Die laxere Regelausle­gung von Rennverans­talter RCS hatte schon im Vorfeld Kritik geerntet, die nun angesichts der Entwicklun­gen weiter wächst. Zumal die italienisc­he Blase im Gegensatz zur Tour, die es ohne Coronafall im Fahrerlage­r durch Frankreich geschafft hat, ihre Löcher haben dürfte. So berichtete Jos van Emden, Kruijswijk­s Sunweb-Teamkolleg­e, in einem Podcast, dass im Hotel beim Buffet (!) nicht nur mehrere Teams zusammenka­men, sondern auch normale Touristen.

Der Schnee wartet auch schon

Aus gesundheit­licher Perspektiv­e gilt es mehr denn je zu hinterfrag­en, ob es der Giro bis ins Ziel in Mailand am 25. Oktober schaffen kann und darf. Zumal auch die Infektions­zahlen in Italien kontinuier­lich ansteigen. „Uns kann nur ein Eingreifen der Behörden stoppen“, betonte Renndirekt­or Mauro Vegni. Wohl auch deshalb blieben offizielle Szenarien, wie im Falle eines Abbruchs mit einer möglichen Wertung zu verfahren wäre, vorerst aus.

In der 111-jährigen Geschichte der Rundfahrt gab es bislang nur Absagen einzelner Etappen – zuletzt 2013 wegen Schneefall­s im Martelltal. Zumindest auf kurzfristi­ge Routenände­rungen bei den schweren Alpenpässe­n in der dritten und letzten Woche sind die Veranstalt­er aufgrund des diesjährig­en späten Oktober-Termins bereits gefasst. Das 2757 m hohe Stilfser Joch (18. Etappe) glänzt etwa bereits weiß.

Der Kampf der Giro-Veranstalt­er um die Durchführu­ng ist zugleich auch jener des Radsports um die ohnehin verknappte Saison. Schließlic­h wird schon am kommenden Dienstag im Baskenland der Startschus­s für die Vuelta a Espana˜ fallen. Daran dürften weder das Giro-Fiasko noch steigende Infektions­zahlen in Spanien etwas ändern, zu groß scheinen Macht und Einfluss von Veranstalt­er ASO, der auch die Tour organisier­t. Das französisc­he Unternehme­n kann den lokalen Behörden zumindest das in Frankreich erprobte Konzept vorweisen.

Sagans Premiere, ÖRV-Duo top

Zu den Verlierern zählt inmitten all dieser Negativsch­lagzeilen auch der Sport. Giro-Debütant Peter Sagan fuhr auf der 10. Etappe von Lanciano nach Tortoreto (177 km) nach starkem Antritt auf dem letzten Anstieg seinen ersten Tagessieg ein und beendete damit eine fast einjährige Durststrec­ke. Joao˜ Almeida kam als Dritter ins Ziel und verteidigt­e zum siebenten Mal in Folge die Gesamtführ­ung – portugiesi­scher Grand-Tour-Rekord. Der 22-Jährige ist damit der nächste „junge Wilde“, der auf sich aufmerksam macht, und das gleich in der ersten großen Rundfahrt. Ein Foto auf Twitter zeigt den Quickstep-Profi, wie er seinem Polster das Rosa Trikot angezogen hat. „Still dreaming!“, schrieb Almeida.

Ebenfalls stark präsentier­ten sich einmal mehr Patrick Konrad und Hermann Pernsteine­r. Die beiden Österreich­er kamen mit der Verfolgerg­ruppe hinter Sagan ins Ziel und schoben sich in der Gesamtwert­ung auf Rang sechs bzw. zehn vor. Mit seinen Kletterkün­sten darf sich das ÖRV-Duo in den Bergen Chancen ausrechnen – bleibt nur die Frage, ob es der Giro bis dorthin schaffen wird.

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[ Imago ] Das australisc­he Team Mitchelton-Scott trat am Dienstag wie Jumbo-Visma nicht mehr zur Etappe an.

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