Die Presse

Einsames Touristeng­lück

- VON THOMAS VIEREGGE E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

Sieben Monate hatte Jesse Katayama auf diesen Moment gewartet, und am Ende konnte der 26-jährige japanische Tourist sein einsames Touristeng­lück in den Anden kaum fassen – endlich in Machu Picchu, als erster Besucher seit der Sperre im März, nur in Begleitung des Parkdirekt­ors. Klar, dass er das Highlight via Facebook mit der ganzen Welt teilte.

Der Boxtrainer hatte ein CoronaSchi­cksal erlitten. Mit dem Ticket für die Inkastadt war er schnell über den Pazifik nach Peru gejettet, um sich einen Traum zu erfüllen. Und dann saß er am Fuß der Ruinenstad­t fest – kein Zutritt, kein Rückflug, verurteilt zum Ausharren und Hoffen, um kurz vor seiner Rückkehr nach Japan für seine Ausdauer belohnt zu werden. Ein Happy End für ihn, ein PR-Coup für die darbende Tourismusi­ndustrie des schwer von der Pandemie gezeichnet­en Andenstaat­s, der sein Wahrzeiche­n für Touristen bald wieder aufsperren will – freilich nur für eine limitierte Anzahl.

Der Massentour­ismus ist in einer massiven Krise, und Machu Picchu ist ein Exempel. Der Instant-Tourismus ist vorerst passe:´ Nicht jedes Ziel der Welt ist auf Knopfdruck sofort buch- und verfügbar. Wer die bisher überfüllte­n pittoreske­n Plätze der Erde aufsuchen will, muss Strapazen auf sich nehmen – wenngleich nicht jeder sieben Monate dafür aufwenden mag. Das Posting – und das Posing – in den sozialen Medien bekommt jedenfalls gleich einen ganz anderen Wert.

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