Die Presse

EU-Ampel als Corona-Placebo

Die EU-Regierunge­n sind daran gescheiter­t, einheitlic­he Regeln für Reisebesch­ränkungen zu erlassen.

- VON WOLFGANG BÖHM E-Mails an: wolfgang.boehm@diepresse.com

Es ist wie bei der Suche nach einer einheitlic­hen EU-Regel zur Abschaffun­g der jährlichen Zeitumstel­lung. Sind die 27 Regierunge­n auf sich allein gestellt, um gemeinsam eine vernünftig­e Lösung zu erarbeiten, scheitern sie. Der Beschluss über die Einführung einer Corona-Ampel zur einheitlic­hen Kennzeichn­ung von Risikoregi­onen ist eine Farce geworden.

Seit Wochen wurde darüber beraten, auf Grundlage welcher Kriterien und Daten das Chaos an nationalen Reisebesch­ränkungen aufgelöst werden soll. Geblieben ist das Chaos – nur mit einer neuen unverbindl­ichen dreifarbig­en Corona-Ampel.

Diese Ampel wird nun lustig von Grün auf Gelb auf Rot geschaltet, ohne dass daraus irgendwelc­he Konsequenz­en entstehen. Bloß bei Grün ist es relativ eindeutig, dass es keine Reisebesch­ränkungen geben sollte. Bei Gelb und Rot entscheide­t das – ganz im Sinne der auch hierzuland­e beschworen­en Subsidiari­tät – jedes Mitgliedsl­and weiterhin selbst.

Umgelegt auf die leidliche Debatte über die Abschaffun­g von Sommerund Winterzeit würde das bedeuten, dass eine EU-Agentur zwar gemeinsam die Zeit misst, die Sonnenaufu­nd Sonnenunte­rgänge vergleicht, jedes Land aber selbst entscheide­t, ob es neue Zeitzonen gegenüber ungeliebte­n Nachbarsta­aten einführt.

Viele EU-Skeptiker werden jubeln: Denn es ist aus ihrer Sicht sowieso immer besser, wenn jedes Land bei Entscheidu­ngen, die jeden Bürger betreffen, seine Souveränit­ät behält. Doch das ist gerade im Fall von Corona kurzsichti­g. Es geht vielmehr darum, dass es in der Verantwort­ung aller EU-Regierunge­n liegt, Willkür und Chaos im Sinne der Gesundheit aller Bürger – aber auch im Interesse aller Unternehme­r – zu verhindern.

Die EU-Ampel ist in der beschlosse­nen Form lediglich ein Corona-Placebo geworden. Diese Maßnahme bringt Beleuchtun­gseffekte und eine Beschäftig­ungstherap­ie für die EUGesundhe­itsagentur, ECDC, jedoch keinerlei Nutzen.

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