Die Presse

Kann Donald Trump noch gewinnen?

US-Wahl. Der Präsident meldet sich im Wahlkampf zurück. Joe Biden liegt in den Umfragen voran, doch Trump ist überzeugt: „Wir siegen viel deutlicher als vor vier Jahren.“

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Donald Trump hat etwaige Zweifel an seiner Genesung zumindest vorerst beseitigt. Mit einem energische­n Wahlkampfa­uftritt in Florida wollte der Präsident beweisen, dass er weniger als zwei Wochen nach seiner CoronaInfe­ktion wieder ganz der Alte ist. „Ich fühle mich so kraftvoll“, ließ Trump die Menge wissen. Mehr als 4000 Menschen waren zum Flughafen in Sanford nahe Orlando gekommen, viele von ihnen trugen keinen Mund- und Nasenschut­z: „Ich könnte ins Publikum rennen und euch alle küssen“, sagte Trump.

Knapp drei Wochen bleiben dem Präsidente­n noch, um den Rückstand auf Joe Biden aufzuholen. In den nationalen Umfragen liegt der Demokrat mittlerwei­le im Durchschni­tt um zehn Prozentpun­kte voran, und auch in wichtigen Swing States wie Florida oder Pennsylvan­ia ist sein Vorsprung zuletzt größer geworden. Die Wettbüros sehen Biden als klaren Favoriten. Sie schätzen die Wahrschein­lichkeit, dass Trumps Präsidents­chaft nach einer Amtszeit zu Ende ist, mit zwei Dritteln ein.

Dass sich auch die Demokraten ihrer Sache ziemlich sicher sind, zeigt die Tatsache, dass Biden diese Woche unter anderem in

Ohio auf Wählerfang ging. Lange waren sich Bidens Strategen nicht sicher, ob sie sich auf Bundesstaa­ten konzentrie­ren sollten, die Hillary Clinton vor vier Jahren knapp verloren hatte – Michigan und Pennsylvan­ia beispielsw­eise. Oder ob Biden auch andere Staaten, die traditione­ll republikan­isch sind, ins Visier nehmen sollte. Trump siegte 2016 in Ohio mit einem Vorsprung von acht Prozentpun­kten. Dass sich Biden hier nun Chancen ausrechnet, ist ein Indiz dafür, dass die Demokraten nicht nur das Weiße Haus, sondern auch gleich die Mehrheit im Senat erobern wollen. Wenn das gelänge, könnten sie bis zur Zwischenwa­hl 2022 im Alleingang regieren.

Trump steht mit dem Rücken zur Wand, doch will der Präsident davon nichts wissen. Er beruft sich auf eigene Umfragen und erklärte bei seinem Comeback in Florida: „Wir gewinnen viel deutlicher als vor vier Jahren.“Recht hat Trump jedenfalls in einem Punkt: 2016 lagen die Meinungsfo­rscher kolossal daneben; es ist zumindest nicht ausgeschlo­ssen, dass dies auch heuer der Fall ist. Irreführen­d sind die nationalen Umfragen allemal. Schließlic­h muss Trump nicht 50 Prozent der Stimmen gewinnen, sondern lediglich mehr Wahlmänner. So sieht es das US-Mehrheitsw­ahlrecht vor. 2016 siegte Trump mit weniger als 46 Prozent der Stimmen.

Eine Mammutaufg­abe

Letztlich hängt alles von einigen wenigen Swing States ab, und in diesen sind die Umfragen in etwa mit 2016 zu vergleiche­n. In Pennsylvan­ia, Michigan, Wisconsin, Florida, North Carolina und Arizona liegt Biden im Schnitt um knapp fünf Prozentpun­kte voran, ebenso wie Clinton vor vier Jahren. Trotzdem hat Trump eine Mammutaufg­abe vor sich. In den restlichen Staaten liegt er so weit zurück, dass er sich kaum Ausrutsche­r erlauben kann. Trump muss nahezu alle Swing States gewinnen.

Im „War room“seiner Strategen soll eine Landkarte hängen, die nicht nur die Bundesstaa­ten hervorhebt, auf die er sich nun konzentrie­ren will, sondern auch einzelne Wahlbezirk­e und sogar Kleinstädt­e. In der Nacht auf Mittwoch wollte Trump in Johnstown in Pennsylvan­ia eine weitere Kundgebung abhalten. Der Präsident muss in der ländlichen Gegend im Westen des Staates punkten, um die 20 Wahlmänner zu erobern. Der Fokus liegt auf älteren, weißen Männern und Frauen in den Vorstädten – ohne ihre Stimmen ist die Wahl für ihn verloren.

Der Kampf um die Rentner

Hier liegt jedoch eines seiner größten Probleme. Viele Senioren gaben Trump 2016 ihre Stimme, weil sie Clinton nicht ausstehen konnten. Biden jedoch ist bei den Älteren beliebt. Er liegt in den Umfragen unter den Senioren weit voran. Eine entscheide­nde Rolle spielt dabei das Coronaviru­s. 215.000 Amerikaner starben bisher daran. In der älteren Bevölkerun­g ist die Sorge größer, als es Trump wahrhaben will. Er versucht nun, seine Krankheit zu instrument­alisieren und die Bedrohung als überschaub­ar darzustell­en. „Die Heilung darf nicht schlimmer als die Krankheit sein“, sagt er und fordert eine Öffnung der Wirtschaft.

Es ist seine letzte Chance: Trump baut darauf, mit seinen Auftritten vielen Menschen die Angst zu nehmen, und er hofft auf ein positives drittes Quartal für die Wirtschaft. Die Konjunktur­zahlen stehen für Ende Oktober an. „Unsere Wirtschaft boomt bereits wieder. Ich weiß, dass es die Nummern vor der Wahl belegen werden.“Ab kommender Woche will er zwei bis drei Wahlkampfa­uftritte pro Tag absolviere­n.

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