„Es sind Fehleinschätzungen passiert“
Causa Ischgl. Tirols Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) räumt erstmals Fehler ein. An einen Rücktritt denkt er nicht.
Die Presse: Ronald Rohrer kam in seinem Bericht zum Schluss, dass in der Causa Ischgl Fehleinschätzungen passiert sind – vor allem wegen massiver Überforderung. Sind Sie immer noch der Meinung, dass die Behörden alles richtig gemacht haben? Bernhard Tilg: So wie fast überall auf der Welt ist es zu Beginn der Pandemie auch in Tirol zu fachlichen Fehleinschätzungen gekommen. Vieles hat gut funktioniert, aber es sind auch Fehleinschätzungen passiert.
Hätte beispielsweise der Skibetrieb früher eingestellt werden müssen, also schon am 9. März? Im Bericht der Expertenkommission wird festgehalten, dass die tirolweite Schließung der Skigebiete am 14. bzw. 15. März richtig und angemessen war.
In Ischgl wäre laut Bericht eine Einstellung am 9. März besser gewesen. Was ist mit den Gästen? Hätte ihre Abreise am 13. März kontrolliert erfolgen müssen? Der Ablauf der Abreise am 13. März ist sicher berechtigt nicht ideal, das wurde auch zu Recht von der Kommission festgestellt.
Rohrer kritisiert auch, dass Sie Ihren Zuständigkeitsbereich zum Teil an den Landesamtsdirektor übertragen hätten und dass das nicht zulässig war. Bereuen Sie diese Entscheidung?
Es hat keine Übertragung des Zuständigkeitsbereichs an den Landesamtsdirektor gegeben. Der von mir geleitete Sonderstab Gesundheit, der zur Steuerung der medizinischen Versorgung eingerichtet wurde, war zu jedem Zeitpunkt integraler Bestandteil des Krisenmanagements. Im Zuge der Stabsarbeit gab es rund um die Uhr eine enge und umfassende Zusammenarbeit mit allen Verantwortlichen.
Hat Bundeskanzler Sebastian Kurz Sie und Landeshauptmann
Günther Platter rechtzeitig kontaktiert, bevor er in einer Pressekonferenz die Isolierung des Paznauntals ankündigte? Hatten Sie also genug Zeit, mit der Bezirkshauptmannschaft und dem Ischgler Bürgermeister, Werner Kurz, zu reden und die Quarantäne vorzubereiten?
Am Vormittag des 13. März erfolgte in gemeinsamer Abstimmung zwischen der Bundesregierung und der Tiroler Landesregierung die Entscheidung, das Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne zu stellen. Man verständigte sich darauf, dass die Abstimmung der Maßnahme zwischen den Stäben des Bundes und des Landes erfolgen soll und die Kommunikation auf Wunsch der
Bundesregierung von der Bundesregierung vorgenommen wird. Diese Information gab der Landeshauptmann umgehend an den Landesamtsdirektor weiter, der die Umsetzung zwischen Landeseinsatzleitung, Bundesstäben und Bezirkshauptmannschaft veranlasste.
Sollte Werner Kurz Konsequenzen ziehen und zurücktreten? Schließlich hat er laut Ronald Rohrer gegen seine Pflicht, die sich aus der Tiroler Gemeindeordnung ergibt, verstoßen, indem er die Verordnung zur Schließung des Skibetriebs zu spät kundgemacht habe.
Zu einem laufenden Verfahren werde ich mich nicht äußern. Ich kann nur sagen, dass in meiner Wahrnehmung auch der Bürgermeister – so wie alle anderen Verantwortungsträger – zu jedem Zeitpunkt versucht hat, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden.
Werden Sie als Gesundheitslandesrat persönliche Konsequenzen ziehen und zurücktreten? Der Bericht zeigt Fehleinschätzungen auf, unterstreicht aber auch, dass es zu keinem politischen Versagen gekommen ist. Mir ist bewusst, dass die Opposition mit allen Mitteln versuchen wird, politisches Kapital aus dem Bericht zu schlagen.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass sich das Land Tirol mit den damals Infizierten einigt und sie finanziell entschädigt?
Da das Gesundheitswesen vordringlich eine Verantwortlichkeit des Bundes ist, muss diese Fragen dem Bund gestellt werden.