Die pinke Annäherung an die SPÖ
Verhandlungen. Neos-Wien-Chef Christoph Wiederkehr definierte am Dienstag rote Linien für eventuelle Koalitionsverhandlungen. Für die SPÖ stellte er damit keine großen Hürden auf.
Wien. Plötzlich geht ein Blitzlichtgewitter nieder. Und Christoph Wiederkehr lächelt breit in die zahlreichen Kameras, die vor ihm postiert sind.
Es ist offensichtlich: Der Wiener Neos-Chef genießt es an diesem Dienstag, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Denn der Wahlsonntag hat für die Wiener Neos nicht nur Zuwächse gebracht, sondern auch die große Chance, mit der Wiener SPÖ die erste rot-pinke Koalition auf Landesebene zu bilden. Und das ist Wiederkehr bewusst: „Wir sind sehr zufrieden mit dem großartigen Ergebnis“, erklärt er nach der Sitzung des pinken Landesparteivorstandes. Dort wurde geklärt, wie man sich auf die Gespräche mit der SPÖ vorbereitet bzw. wo rote Linien für die Neos sind. „Denn Bürgermeister Michael Ludwig hat erklärt, dass er zunächst mit allen Parteien Gespräche führen wird“, meint Wiederkehr, der hofft, nach dieser Sondierungsrunde in Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ treten zu können. Aber noch ist es ein langer Weg dorthin. Denn die SPÖ wird naturgemäß versuchen, Grüne gegen Neos auszuspielen, um den Preis für den Koalitionspartner zu drücken.
In der SPÖ plädieren zwischenzeitlich immer mehr für RotPink – „Die Presse“berichtete. Einerseits weil die Zusammenarbeit mit den Grünen für die Bürgermeisterpartei seit der Wahl Birgit Hebeins zur grünen Chefin immer schwieriger wurde. Andererseits könnte Ludwig (neben dem Reiz des Neuen) mit Rot-Pink Wiener Politikgeschichte schreiben.
Seitens der Neos steht nicht mehr viel zwischen Rot-Pink; das war zumindest der Eindruck, der am Dienstag vermittelt wurde. Gesellschaftspolitisch ist man der SPÖ so nahe wie die Grünen. Wirtschaftspolitisch sind die Neos in der Zwischenzeit vom ursprünglich leicht neoliberalen Kurs deutlich nach links geschwenkt und wären damit für die Bürgermeisterpartei akzeptabel. Wiederkehr sprach deshalb postwendend von einer Reformkoalition, die er der SPÖ anbiete. Denn er sei vom pinken Landesteam bestärkt worden, in konstruktive Verhandlungen zu treten, erklärte Wiederkehr. Dafür definierten die Neos rote Linien, die vier Bereiche betreffen.
Wiederkehr spricht wie Ludwig
Die erste ist wenig überraschend das Thema Bildung. Hier fordern die Neos mehr Geld für Kindergärten und Schulen. Die zweite Linie betrifft den Arbeitsmarkt. „Wir haben eine Arbeitslosenquote von 15 Prozent“, so Wiederkehr. Hier müssten Betriebe unterstützt werden, um Arbeitsplätze zu schaffen. Es gehe aber auch um Entbürokratisierung. Der dritte Punkt betrifft den Klimaschutz: „Wir brauchen mutige Konzepte für die Stadt“, formulierte es der Neos-Wien-Chef.
In diesen drei Punkten gibt es zwischen Rot und Pink absoluten Gleichklang, die SPÖ hat bereits Ähnliches angekündigt. Nur beim vierten Punkt müssten sich SPÖ und Neos noch finden, was allerdings überbrückbar erscheint. Es geht um das Thema Transparenz in Politik und Verwaltung sowie den Ausbau von Kontrollrechten der Opposition. Zum Abschluss forderte Wiederkehr nebenbei so vehement eine „Offensive für die Außenbezirke“(Stichwort: Verkehrsanbindung), dass es schien, als rede plötzlich Michael Ludwig und nicht Christoph Wiederkehr.
Voraussetzung für Rot-Pink ist, dass die Neos am Sonntag einen Sitz im Stadtsenat erobern konnten – das war am Dienstag noch unklar, aber Wiederkehr ging davon aus. Zusätzlich haben die Neos auch erstmals Anspruch auf einen Bundesrat. Wer das sein wird, wird in einem zweistufigen Auswahlverfahren entschieden, bei dem sich jeder Wiener bewerben könne, erklärte Wiederkehr.
Nebenbei: Die Grünen präsentierten am Dienstag ihr Verhandlungsteam für die Sondierungen mit der SPÖ. Neben Parteichefin Birgit Hebein sind vier Gemeinderäte und Klubobmann David Ellensohn an Bord.