Die Presse

Der lange Schatten der Verklärung

Fußball. Wie Österreich spielte auch Rumänien zuletzt 1998 bei einer WM mit, jedoch hat der EM-Gastgeber seine Euro-Chance verspielt. Auch in der Nations League hat der ÖFB bessere Karten.

- VON MARKKU DATLER

Ploiesti/Wien. Verklärung ist auch im rumänische­n Fußball ein gängiges Stilmittel. Fünfmal spielte die stolze Nation bei einer EM, siebenmal bei der WM – 1994 führte Superstar Gheorghe Hagi die „Goldene Generation“ins Viertelfin­ale. Zuletzt war die „Tricolorii“1998 in Frankreich auf dieser Bühne vertreten, was sie mit Österreich, dem heutigen Gegner in der Nations League, eint.

Von Großereign­issen träumt auch die aktuelle Generation, angeführt von Hagis Sohn Ianis. Besonders bitter jedoch ist, dass die Qualifikat­ion für die Euro 2021 in Island kläglich verloren ging. Damit treffen sich beide Teams im nächsten Jahr, so das Coronaviru­s mitspielt, nicht bei der EM in Bukarest. In Österreich­s Gruppe mit der Ukraine und den Niederland­en ziehen entweder Georgien oder Nordmazedo­nien ein.

Dass Rumänien Chancen gehabt hätte, steht außer Frage. Das 3:2 von Klagenfurt ist erinnerlic­h, der Schatten, den die deutliche 0:4-Abfuhr gegen Norwegen darüberleg­te, dämpft aber die Euphorie. Nur: In Rumänien hat Österreich noch nie gewonnen. Reißt die Serie (20.45 Uhr, live, ORF1)?

Foda genügt ein Remis nicht

Drei Punkte in Ploiesti wären für das Team von Franco Foda essenziell, will man an der Vision des Gruppensie­ges und dem Aufstieg in Liga A festhalten. Ein Punkt ist das Minimum, für Foda jedoch eine Enttäuschu­ng. Er kündigte an, dass man „auf Sieg spielen“werde. „Wir wollen immer von der ersten Minute an den Willen und die Mentalität haben zu gewinnen.“

Blickt man auf – aus rein spielerisc­her Sicht – ernüchtern­de Auftritte gegen Griechenla­nd (2:1) und Nordirland (1:0) zurück, sind Zweifel an diesem Willen durchaus berechtigt. Die Ergebnisse jedoch geben Anlass zur Hoffnung auf den Aufstieg, der in weiterer Folge wichtig sein könnte für das folgende Play-off zur WM 2022. Also bleibt der Deutsche seiner Linie gegen den Weltrangli­sten-34. (Österreich ist 27.) treu, still und besonnen blickt er dem Anpfiff entgegen. „Ich kenne die Verfassung der rumänische­n Spieler nicht, es hat keinen Sinn, darüber zu spekuliere­n. Wir wollen eine geschlosse­ne Mannschaft­sleistung zeigen.“

Über Geschick und Form der Rumänen wusste hingegen Marcel Holzmann durchaus ausreichen­d zu berichten. Der Salzburger, 30, fand im vergangene­n Jahr den Weg über St. Pölten und Admira zu Erstligave­rein Botosani, der im Nordosten des Landes in einer 100.000-Einwohner-Stadt spielt und vergangene Saison die Liga auf dem vierten Platz beendete. Er sieht individuel­le Vorteile beim ÖFB-Team, hält aber den Gastgeber für stark genug, um zu gewinnen. „Von den Einzelspie­lern her ist Österreich sicher besser. Aber man hat in Klagenfurt gesehen, dass Rumänien viel Qualität im Kader hat. Außerdem haben sie mit Mirel Radoi˘ einen jungen, dynamische­n Teamchef, der vielleicht unterschät­zt wird“, sagt

Holzmann, der seit 2019 in Rumänien lebt und sich wohlfühle.

Nachrede für Patrioten

Der Linksverte­idiger hoffte nicht nur aus patriotisc­her Sicht auf einen Sieg von David Alaba und Co. Auch manch „Nachrede“würde er sich dann ersparen. Weil sein Vertrag noch bis 2022 laufe, könnten sich plumpe Witze also länger wiederhole­n. Rumäniens und Österreich­s Ligen wären „in etwa gleich“, in Österreich laufe das Spiel vielleicht mehr physisch und taktisch, in Rumänien hingegen technisch, „und es sind auch mehr Emotionen dabei“. Hier seien viele richtig „fußballver­rückt“, erzählte er der APA.

Österreich­s Marschrich­tung ist jedenfalls festgelegt. Nach dem Rumänien-Gastspiel geht es mit der wertvollen Freundscha­ftspartie in Luxemburg (11. November) weiter. Danach wird die Nations League mit zwei Spielen im Happel-Stadion gegen Nordirland (15. November) und Norwegen (18. November) abgeschlos­sen. Dann wird sich zeigen, ob Foda die richtigen Worte gefunden hat. Oder ob die Verklärung die nächste Renaissanc­e erlebt.

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