Diskutieren ja, aber nicht, wenn’s brennt!
Replik. Warum wir die Gästeregistrierung nicht reflexartig ablehnen sollten. Die Replik des „fabulierenden Obmanns“.
Wenn in den Augen von Stefan Haderer („ Die Presse“vom 7. 10., Anm.) „erziehend, ermahnend, drohend und seltener lobend“ein pädagogischer Zugang ist, habe ich einen völlig anderen Zugang, wenn es darum geht, mit Menschen zu kommunizieren und ein Ziel zu erreichen. Nämlich eben nicht von Emotion gesteuert, sondern ruhig, wertschätzend mit offener Kommunikation. Daher auch mein Appell, die Gästeregistrierung nicht reflexartig abzulehnen, sondern in Ruhe über Sinn und Zweck der Maßnahme nachzudenken.
Ich habe den Eindruck, dass dies die Regierung ebenfalls so hält, denn auf mögliche Konsequenzen hinzuweisen, wenn gewisse Vorsichtsmaßnahmen nicht eingehalten werden, kann schwerlich als erziehend oder drohend bezeichnet werden. Die Argumentation, der Staat befreie die Staatsbürger von ihrer Eigenverantwortung, entspricht zum Ersten überhaupt nicht der Philosophie der ÖVP und der Grünen, und zum Zweiten appelliert die Regierung gerade an jene Eigenverantwortung, von der sie uns angeblich befreit. Denn das Ziel, diese Krise zu überwinden, kann nur gemeinsam funktionieren, als Team. In Eigenverantwortung jedes Einzelnen.
Die Weigerung, sich als Gast im Lokal zu registrieren, weil man dann Gefahr läuft, eventuell in Quarantäne zu müssen, ist ein oft gehörtes Argument, offenbart allerdings genau jenen Mangel an Teamgeist und Einsicht, der für eine Bewältigung der Krise notwendig ist. Es geht nicht darum, dass wir uns von Gesetzes wegen eintragen müssen, sondern darum, die Notwendigkeit, dies zu tun, anzuerkennen.
Wie ein Kommentator zu Haderers Artikel treffend schreibt, kann die Staatsführung in Zeiten der Krise keine Basisdemokratie betreiben und alle um ihre Meinung bitten. Da braucht es klare Anweisungen. Über die Sinnhaftigkeit mag man diskutieren, das ist absolut notwendig, aber bitte nicht, wenn das Dach in Flammen steht. Sollte es aufgrund von Quarantäne tatsächlich Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber geben, bin ich mir sicher, dass die Arbeiterkammer in bewährter Weise zur Seite steht. Die Arbeitnehmervertretung lässt selten eine Gelegenheit aus, gegen die Unternehmer ins Feld zu ziehen, berechtigt oder nicht.
Der Regierung in dieser Krise Orientierungslosigkeit vorzuwerfen mag im ersten Moment berechtigt erscheinen, denn manche Lockerungen kamen, trotz Warnungen, zu früh. Nun gilt es die Fallzahlen wieder unter Kontrolle zu bringen. Mangels Erfahrung von uns allen im Umgang mit dieser Situation halte ich es allerdings für unfair, der Regierung Orientierungslosigkeit vorzuwerfen. Man erinnere sich an den Druck von Wirtschaft und Bevölkerung, im Sommer endlich die Einschränkungen zu lockern.
Jugendliche Unvorsichtigkeit
Es ist gerade ein großer Teil der Jugend, der mit der laut geforderten Selbstbestimmung und Eigenverantwortung in dieser Krise nicht umgehen kann. Ein großer Teil der Ansteckungen findet bei privaten Partys oder in illegal geöffneten Clubs statt. Jugendliche Unbeschwertheit und Unvorsichtigkeit liegen da sehr eng beieinander. Übrigens mag man auch mir ein kleines Revoluzzerherz unterstellen, denn die von der Regierung vehement geforderte Sperrstunde um 22 Uhr lehne ich aus sachlichen Gründen ab.
Haderer hat in mir einen aufmerksamen Beobachter, in welche Richtung unsere Staatsführung in Ausübung ihrer Aufgabe tendiert. Weder die zitierte „dystopische Demokratie“noch eine „pädagogische Demokratie“würde von mir akzeptiert werden. Im Gegenteil, man fände mich an vorderster Front dagegen.
KR Peter Dobcak, MSc (* 1960) ist seit 2015 gewählter Obmann der Fachgruppe Gastronomie der Wiener Wirtschaftskammer mit knapp 6000 Mitgliedern.