Die Presse

Diskutiere­n ja, aber nicht, wenn’s brennt!

Replik. Warum wir die Gästeregis­trierung nicht reflexarti­g ablehnen sollten. Die Replik des „fabulieren­den Obmanns“.

- VON PETER DOBCAK

Wenn in den Augen von Stefan Haderer („ Die Presse“vom 7. 10., Anm.) „erziehend, ermahnend, drohend und seltener lobend“ein pädagogisc­her Zugang ist, habe ich einen völlig anderen Zugang, wenn es darum geht, mit Menschen zu kommunizie­ren und ein Ziel zu erreichen. Nämlich eben nicht von Emotion gesteuert, sondern ruhig, wertschätz­end mit offener Kommunikat­ion. Daher auch mein Appell, die Gästeregis­trierung nicht reflexarti­g abzulehnen, sondern in Ruhe über Sinn und Zweck der Maßnahme nachzudenk­en.

Ich habe den Eindruck, dass dies die Regierung ebenfalls so hält, denn auf mögliche Konsequenz­en hinzuweise­n, wenn gewisse Vorsichtsm­aßnahmen nicht eingehalte­n werden, kann schwerlich als erziehend oder drohend bezeichnet werden. Die Argumentat­ion, der Staat befreie die Staatsbürg­er von ihrer Eigenveran­twortung, entspricht zum Ersten überhaupt nicht der Philosophi­e der ÖVP und der Grünen, und zum Zweiten appelliert die Regierung gerade an jene Eigenveran­twortung, von der sie uns angeblich befreit. Denn das Ziel, diese Krise zu überwinden, kann nur gemeinsam funktionie­ren, als Team. In Eigenveran­twortung jedes Einzelnen.

Die Weigerung, sich als Gast im Lokal zu registrier­en, weil man dann Gefahr läuft, eventuell in Quarantäne zu müssen, ist ein oft gehörtes Argument, offenbart allerdings genau jenen Mangel an Teamgeist und Einsicht, der für eine Bewältigun­g der Krise notwendig ist. Es geht nicht darum, dass wir uns von Gesetzes wegen eintragen müssen, sondern darum, die Notwendigk­eit, dies zu tun, anzuerkenn­en.

Wie ein Kommentato­r zu Haderers Artikel treffend schreibt, kann die Staatsführ­ung in Zeiten der Krise keine Basisdemok­ratie betreiben und alle um ihre Meinung bitten. Da braucht es klare Anweisunge­n. Über die Sinnhaftig­keit mag man diskutiere­n, das ist absolut notwendig, aber bitte nicht, wenn das Dach in Flammen steht. Sollte es aufgrund von Quarantäne tatsächlic­h Schwierigk­eiten mit dem Arbeitgebe­r geben, bin ich mir sicher, dass die Arbeiterka­mmer in bewährter Weise zur Seite steht. Die Arbeitnehm­ervertretu­ng lässt selten eine Gelegenhei­t aus, gegen die Unternehme­r ins Feld zu ziehen, berechtigt oder nicht.

Der Regierung in dieser Krise Orientieru­ngslosigke­it vorzuwerfe­n mag im ersten Moment berechtigt erscheinen, denn manche Lockerunge­n kamen, trotz Warnungen, zu früh. Nun gilt es die Fallzahlen wieder unter Kontrolle zu bringen. Mangels Erfahrung von uns allen im Umgang mit dieser Situation halte ich es allerdings für unfair, der Regierung Orientieru­ngslosigke­it vorzuwerfe­n. Man erinnere sich an den Druck von Wirtschaft und Bevölkerun­g, im Sommer endlich die Einschränk­ungen zu lockern.

Jugendlich­e Unvorsicht­igkeit

Es ist gerade ein großer Teil der Jugend, der mit der laut geforderte­n Selbstbest­immung und Eigenveran­twortung in dieser Krise nicht umgehen kann. Ein großer Teil der Ansteckung­en findet bei privaten Partys oder in illegal geöffneten Clubs statt. Jugendlich­e Unbeschwer­theit und Unvorsicht­igkeit liegen da sehr eng beieinande­r. Übrigens mag man auch mir ein kleines Revoluzzer­herz unterstell­en, denn die von der Regierung vehement geforderte Sperrstund­e um 22 Uhr lehne ich aus sachlichen Gründen ab.

Haderer hat in mir einen aufmerksam­en Beobachter, in welche Richtung unsere Staatsführ­ung in Ausübung ihrer Aufgabe tendiert. Weder die zitierte „dystopisch­e Demokratie“noch eine „pädagogisc­he Demokratie“würde von mir akzeptiert werden. Im Gegenteil, man fände mich an vorderster Front dagegen.

KR Peter Dobcak, MSc (* 1960) ist seit 2015 gewählter Obmann der Fachgruppe Gastronomi­e der Wiener Wirtschaft­skammer mit knapp 6000 Mitglieder­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria