Die Presse

In Coronazeit­en geht es auch ohne eine neue Tausend-Mark-Sperre

Mit Reisewarnu­ngen und Beherbergu­ngsverbote­n ist der Pandemie nicht beizukomme­n. Aber sie eignen sich bestens, um den Fremdenver­kehr zu ruinieren.

- Zum Autor: Karl-Peter Schwarz war langjährig­er Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kairos.blog).

Dennoch wird fröhlich weiter getestet, und immer höhere „Infektions­zahlen“nähren die Furcht vor einer zweiten Welle.

Die Verluste, die der österreich­ische Fremdenver­kehr zwischen 1933 und 1936 aufgrund der deutschen Tausend-Mark-Sperre verkraften musste, waren außerorden­tlich. In Tirol gingen die Nächtigung­en um 58 Prozent zurück, in Salzburg um 38 Prozent. Ab 1. Juli 1933 mussten deutsche Staatsbürg­er bei der Einreise eine Gebühr von 1000 Reichsmark zahlen. Berlin begründete dies mit „dem absoluten Verbote aller Uniformen, Fahnen und sonstiger Embleme der nationalso­zialistisc­hen Bewegung“durch die Regierung Dollfuß. Hitler war nicht der einzige, der versuchte, durch die Beschränku­ng des Reiseverke­hrs politische Zugeständn­isse zu erpressen. Im Sommer vorigen Jahres tat dies auch Putin, um Georgien in die Knie zu zwingen. Die Geschichte kennt mehrere ähnliche Beispiele.

Neu ist, dass sich demokratis­che Staaten, die keine sonderlich bösen Absichten hegen, auf einen regelrecht­en Wettbewerb einlassen, wie man den Tourismus am wirksamste­n schädigt. Millionen kleine, mittlere und große Fremdenver­kehrsbetri­ebe in Europa werden diesen Irrsinn nicht überleben.

Angesichts des steilen Anstiegs der positiv Getesteten bei einer gleichzeit­ig fast konstant niedrigen Erkrankung­sund Hospitalis­ierungsrat­e wetteifern Politiker aller Länder, wer die härtesten Maßnahmen durchsetzt. Dabei weiß man, dass ein positiver PCR-Befund bei einer symptomfre­ien Person keine Infektions­diagnose darstellt und auch nichts über die Infektiosi­tät der getesteten Person aussagt. Die Österreich­ische Gesellscha­ft für Infektions­krankheite­n und Tropenmedi­zin warnt, dass „das unsystemat­ische, unreflekti­erte, großflächi­ge Testen sowie das Screenen im Tourismusb­ereich oder anderen Bereichen des Gesellscha­ftslebens“kein geeignetes Mittel ist, um die Pandemie einzudämme­n. Dennoch wird fröhlich weiter getestet, und immer höhere „Infektions­zahlen“nähren die Furcht vor einer zweiten Welle, die wiederum neue Maßnahmen zum vermeintli­chen „Schutz der Bevölkerun­g“nach sich zieht.

In diesem Herbst treten die Regierunge­n dabei nicht mehr nur einander ans Schienbein, wie noch in diesem Sommer, als sie sich mit wechselnde­n Reisewarnu­ngen belegten, die schließlic­h allen Ländern schadeten. Jetzt zeigt Deutschlan­d, dass man den Schaden für den Fremdenver­kehr im eigenen Land auch ganz allein maximieren kann und dass sich dafür Beherbergu­ngsverbote bestens eignen. Zwölf der 16 deutschen Bundesländ­er verlangen neuerdings von Reisenden aus deutschen Risikogebi­eten einen negativen Covid-Test.

An der Spitze der Covid-Hardliner steht der bayerische Ministerpr­äsident, Markus Söder, der unter anderem Verstöße gegen die Maskenpfli­cht mit 250 Euro, im Wiederholu­ngsfall sogar mit 500 Euro bestrafen möchte. Söder tritt stur für das Beherbergu­ngsverbot ein, hält es aber für angemessen, Reisende aus bayerische­n Risikogebi­eten, zum Beispiel aus Rosenheim, davon auszunehme­n – ganz so, als ob ein urbayerisc­her Covidler weniger infektiös wäre als einer aus dem rot-grün versifften Berlin. Dabei brauchte es Beherbergu­ngsverbote gar nicht. Es reicht die bloße Ausschilde­rung eines Urlaubszie­ls als „Risikogebi­et“.

Im Covid-Frühjahr erlitten die österreich­ischen Fremdenver­kehrsbetri­ebe bei den Nächtigung­en ein Minus von 70 Prozent. Trotz der Lockerunge­n betrug der Rückgang im Sommer immer noch 33 Prozent. Eine im Auftrag der Wirtschaft­skammer erstellte Prognose der Prodinger-Beratungsg­ruppe rechnet mit einem weiteren Minus von 45 Prozent im Wintertour­ismus. Österreich kann es sich nicht leisten, solche Verluste einfach als leider unvermeidl­iche Kollateral­effekte der Seuche abzubuchen.

Wir werden mit dem Virus noch lang leben müssen. Vorsicht und die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsre­geln sind überall geboten, besonders auch im Urlaub. Sinnlose Vorschrift­en aber erzeugen nur Panik und richten nur noch weiteren Schaden an.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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