Die Presse

Corona als Motor fur Energiewen­de

Klima. Der globale Energiever­brauch fällt 2020 um fünf Prozent. Ohne hohe Investitio­nen wird der CO2-Ausstoß nach der Krise aber wieder steigen. Die IEA zeichnet verschiede­ne Szenarien.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Es war ein turbulente­s Jahr für das globale Energiesys­tem. Die Coronapand­emie hat mehr Störungen im Energiesek­tor verursacht als jedes andere Ereignis in der jüngeren Geschichte. 2020 könnte nach Einschätzu­ng der Weltenergi­eagentur IEA allerdings auch einen Einschnitt bei der Energiewen­de bedeuten. Die IEA prognostiz­iert in ihrem „World Energy Outlook“für dieses Jahr einen Rückgang der weltweiten Energienac­hfrage um fünf Prozent. Angesichts des seit Jahrzehnte­n kontinuier­lich ansteigend­en Energiever­brauchs ist das trotz Krise durchaus bemerkensw­ert. Ursprüngli­ch erwartete man für den Zeitraum von 2019 bis 2030 ein Plus von zwölf Prozent.

Die Auswirkung­en sind je nach Energieträ­ger unterschie­dlich. Vor allem die Nachfrage nach fossilen Energieträ­gern ist dieses Jahr deutlich eingebroch­en. Während Erdöl und Kohle wesentlich weniger nachgefrag­t werden, steigt der Bedarf an erneuerbar­er Energie sogar leicht an (siehe Grafik).

Treibhausg­ase gehen zurück

Dem IEA-Bericht zufolge wird der weltweite Kohleverbr­auch nie wieder das frühere Niveau erreichen. Bis 2040 wird der Anteil von Kohle an der globalen Energienac­hfrage laut IEA zum ersten Mal seit der Industriel­len Revolution unter zwanzig Prozent liegen. Die Nachfrage nach Erdöl sei weiter großen Unsicherhe­iten ausgesetzt, so IEAChef Fatih Birol.

Ein globaler wirtschaft­licher Aufschwung könne die Ölnachfrag­e jedoch bald wieder auf das Vorkrisenn­iveau zurückbrin­gen. Die Nachfrage nach Erdgas wird wohl auch in den kommenden Jahrzehnte­n noch deutlich steigen, besonders in Asien. Vor allem die aufkommend­e Industrie in den Schwellenl­ändern kurbelt den glo

balen Energiebed­arf seit vielen Jahren deutlich an.

Insgesamt bringt die gesunkene Energienac­hfrage auch die jährlichen CO2-Emissionen wieder auf den Stand von vor einem Jahrzehnt. Die Erreichung der Pariser Klimaziele rückt damit einen großen Schritt näher. Offen ist, wie nachhaltig diese Entwicklun­g tatsächlic­h ist.

Ob der jetzige Rückgang mehr als eine kleine Delle sein wird, hängt nämlich von verschiede­nen Faktoren ab. Angesichts der schwer einschätzb­aren Entwicklun­g der Coronapand­emie hat die IEA in ihrem Bericht mehrere Szenarien für die Energiezuk­unft erstellt. Bleiben die aktuellen Strukturen bestehen und es kommt zu einer schnellen wirtschaft­lichen Erholung schon im kommenden Jahr, würde der CO2-Ausstoß demnach bis 2030 deutlich ansteigen. Allein die Energiewir­tschaft wäre für einen Temperatur­anstieg um 1,65 Grad verantwort­lich.

Im Falle einer langsamen wirtschaft­lichen Erholung, in dem die Weltwirtsc­haft erst 2023 zu ihrer

Größe vor der Krise zurückkomm­t, könnte die Pandemie hingegen ein Jahrzehnt mit der niedrigste­n Wachstumsr­ate der Energienac­hfrage seit den 1930ern einläuten.

Hohe Investitio­nen notwendig

Im Szenario einer nachhaltig­en Entwicklun­g wird die Pandemie zu einer beschleuni­gten Energiewen­de genutzt. Allerdings seien dazu ein beschleuni­gter Ausbau bei der Solar- und Windenergi­e sowie eine verbessert­e Energieeff­izienz notwendig. Hinzu komme auch eine Erweiterun­g von Kapazitäte­n für die Speicherun­g von Wasserstof­f und CO2 (Carbon Capture and Storage). Aber auch ein „neues Momentum bei der Atomkraft“. In diesem Szenario würden 2021 bis 2023 jährlich eine Billion Dollar (850 Mrd. Euro) zusätzlich investiert werden. Das würde ermögliche­n, dass die globalen CO2-Emissionen nie mehr das Niveau von 2019 erreichen.

Ohne nachhaltig­e Strukturre­formen zur Umwandlung des globalen Energiesys­tems werde der CO2-Ausstoß im Falle einer wirtschaft­lichen Erholung jedenfalls rasch wieder steigen. „Schwaches Wirtschaft­swachstum ist keine Strategie zur Senkung der Emissionen, sondern würde nur die Ärms

ten der Welt noch ärmer machen“, warnt IEA-Chef Birol.

Vor allem in Subsahara-Afrika seien die negativen Auswirkung­en der Krise spürbar. Innerhalb weniger Monate ist dort die Zahl jener, die keinen Zugang zu Elektrizit­ät haben, deutlich angestiege­n. Der IEA–Report zeigt, dass ein starkes Wachstum der erneuerbar­en Energien jedenfalls mit robusten Investitio­nen in die Stromnetze gepaart werden muss. Ohne diese werden sich die Netze als schwaches Glied in der Transforma­tion des Stromsekto­rs erweisen – mit Auswirkung­en auf die Zuverlässi­gkeit der Stromverso­rgung.

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