Corona als Motor fur Energiewende
Klima. Der globale Energieverbrauch fällt 2020 um fünf Prozent. Ohne hohe Investitionen wird der CO2-Ausstoß nach der Krise aber wieder steigen. Die IEA zeichnet verschiedene Szenarien.
Wien. Es war ein turbulentes Jahr für das globale Energiesystem. Die Coronapandemie hat mehr Störungen im Energiesektor verursacht als jedes andere Ereignis in der jüngeren Geschichte. 2020 könnte nach Einschätzung der Weltenergieagentur IEA allerdings auch einen Einschnitt bei der Energiewende bedeuten. Die IEA prognostiziert in ihrem „World Energy Outlook“für dieses Jahr einen Rückgang der weltweiten Energienachfrage um fünf Prozent. Angesichts des seit Jahrzehnten kontinuierlich ansteigenden Energieverbrauchs ist das trotz Krise durchaus bemerkenswert. Ursprünglich erwartete man für den Zeitraum von 2019 bis 2030 ein Plus von zwölf Prozent.
Die Auswirkungen sind je nach Energieträger unterschiedlich. Vor allem die Nachfrage nach fossilen Energieträgern ist dieses Jahr deutlich eingebrochen. Während Erdöl und Kohle wesentlich weniger nachgefragt werden, steigt der Bedarf an erneuerbarer Energie sogar leicht an (siehe Grafik).
Treibhausgase gehen zurück
Dem IEA-Bericht zufolge wird der weltweite Kohleverbrauch nie wieder das frühere Niveau erreichen. Bis 2040 wird der Anteil von Kohle an der globalen Energienachfrage laut IEA zum ersten Mal seit der Industriellen Revolution unter zwanzig Prozent liegen. Die Nachfrage nach Erdöl sei weiter großen Unsicherheiten ausgesetzt, so IEAChef Fatih Birol.
Ein globaler wirtschaftlicher Aufschwung könne die Ölnachfrage jedoch bald wieder auf das Vorkrisenniveau zurückbringen. Die Nachfrage nach Erdgas wird wohl auch in den kommenden Jahrzehnten noch deutlich steigen, besonders in Asien. Vor allem die aufkommende Industrie in den Schwellenländern kurbelt den glo
balen Energiebedarf seit vielen Jahren deutlich an.
Insgesamt bringt die gesunkene Energienachfrage auch die jährlichen CO2-Emissionen wieder auf den Stand von vor einem Jahrzehnt. Die Erreichung der Pariser Klimaziele rückt damit einen großen Schritt näher. Offen ist, wie nachhaltig diese Entwicklung tatsächlich ist.
Ob der jetzige Rückgang mehr als eine kleine Delle sein wird, hängt nämlich von verschiedenen Faktoren ab. Angesichts der schwer einschätzbaren Entwicklung der Coronapandemie hat die IEA in ihrem Bericht mehrere Szenarien für die Energiezukunft erstellt. Bleiben die aktuellen Strukturen bestehen und es kommt zu einer schnellen wirtschaftlichen Erholung schon im kommenden Jahr, würde der CO2-Ausstoß demnach bis 2030 deutlich ansteigen. Allein die Energiewirtschaft wäre für einen Temperaturanstieg um 1,65 Grad verantwortlich.
Im Falle einer langsamen wirtschaftlichen Erholung, in dem die Weltwirtschaft erst 2023 zu ihrer
Größe vor der Krise zurückkommt, könnte die Pandemie hingegen ein Jahrzehnt mit der niedrigsten Wachstumsrate der Energienachfrage seit den 1930ern einläuten.
Hohe Investitionen notwendig
Im Szenario einer nachhaltigen Entwicklung wird die Pandemie zu einer beschleunigten Energiewende genutzt. Allerdings seien dazu ein beschleunigter Ausbau bei der Solar- und Windenergie sowie eine verbesserte Energieeffizienz notwendig. Hinzu komme auch eine Erweiterung von Kapazitäten für die Speicherung von Wasserstoff und CO2 (Carbon Capture and Storage). Aber auch ein „neues Momentum bei der Atomkraft“. In diesem Szenario würden 2021 bis 2023 jährlich eine Billion Dollar (850 Mrd. Euro) zusätzlich investiert werden. Das würde ermöglichen, dass die globalen CO2-Emissionen nie mehr das Niveau von 2019 erreichen.
Ohne nachhaltige Strukturreformen zur Umwandlung des globalen Energiesystems werde der CO2-Ausstoß im Falle einer wirtschaftlichen Erholung jedenfalls rasch wieder steigen. „Schwaches Wirtschaftswachstum ist keine Strategie zur Senkung der Emissionen, sondern würde nur die Ärms
ten der Welt noch ärmer machen“, warnt IEA-Chef Birol.
Vor allem in Subsahara-Afrika seien die negativen Auswirkungen der Krise spürbar. Innerhalb weniger Monate ist dort die Zahl jener, die keinen Zugang zu Elektrizität haben, deutlich angestiegen. Der IEA–Report zeigt, dass ein starkes Wachstum der erneuerbaren Energien jedenfalls mit robusten Investitionen in die Stromnetze gepaart werden muss. Ohne diese werden sich die Netze als schwaches Glied in der Transformation des Stromsektors erweisen – mit Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit der Stromversorgung.