Die Gewinner der Krise
Post-Corona. Die Pandemie hat die globale Wirtschaft bereits dauerhaft verändert, so Henning Vöpel, Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI. Sieger sind jene Länder und Firmen, die sich schnell daran anpassen – etwa China.
Welche Firmen und Länder von der Coronapandemie profitieren.
Wien. Es waren unerwartet positive Nachrichten, die diese Woche aus Washington um die ganze Welt gingen. Denn dort präsentierte der Internationale Währungsfonds seinen aktuellen „World Economic Outlook“. Die frohe Botschaft: Die Weltwirtschaft wird heuer mit 4,4 Prozent schrumpfen und somit fast ein Prozentpunkt geringer, als noch im Sommer erwartet. Die Hilfsprogramme der Regierungen sowie die Wertpapierkäufe der Notenbanken hätten das Schlimmste verhindert, so die Conclusio der IWF-Ökonomen.
Allerdings ergeben sich bei den einzelnen Wirtschaftsräumen deutliche Unterschiede. So beträgt das Minus in der Eurozone 8,3 Prozent, während in den USA die Wirtschaft nur um 4,3 Prozent schrumpfen und in China sogar um 1,9 Prozent wachsen soll. Und auch diese Zahlen zeigen nur einen Teil der Wahrheit, so Henning Vöpel, Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI, im Gespräch mit der „Presse“. Er hat sich zusammen mit der Unternehmensberatung EY angesehen, welche Faktoren darüber entscheiden werden, wer als Sieger und wer als Verlierer aus der Krise kommen wird.
„Keine Rückkehr zu vor der Krise“
„Diese Krise wird nicht nur ein kurzer Schock sein. Wir machen quasi einen Zeitsprung. Und jene, die glauben, dass man wieder dorthin zurück kann, wo wir vor Ausbruch der Pandemie waren, täuschen sich“, sagt Vöpel. So würden langfristige Entwicklungen, die bereits vor der Krise im Laufen waren, nun massiv beschleunigt werden.
Dazu gehört etwa die Digitalisierung weiter Bereiche des Lebens, die Dekarbonisierung der Wirtschaft samt langsamer Abkehr von Verkehrsmitteln, die auf fossilen Treibstoffen beruhen bis hin zur geopolitischen Machtverschiebung – vornehmlich in Richtung Asien.
Gerade Letzteres ist ein wenig Ironie des Schicksals. So sei China – der Ursprungsort der Pandemie – wohl einer der großen Gewinner, sagt Vöpel. Einerseits scheine das Infektionsgeschehen, wohl aufgrund der autoritären Staatsführung, dort besser im Griff zu sein. „Und es findet vor allem auch eine strukturelle Erneuerung statt“, sagt Vöpel. Die Strategie „Made in China 2025“, die das Land zur Führungsnation bei Technologien wie künstlicher Intelligenz oder Elektromobilität machen soll, werde derzeit mit zusätzlichen staatlichen Mitteln angetrieben. „Denn jetzt ist der Zeitpunkt, da alle anderen langsam sind.“
Hier liege die Gefahr für Länder, die vor allem auf den Erhalt der bestehenden Struktur setzen, so Vöpel weiter. Besonders gelte das für jene, die sich das auch leisten können – also etwa Deutschland und Österreich. Dieser „Fluch der Stärke“berge das Risiko, dass man langfristig eine „sklerotische Wirtschaft“erzeuge. „Alle rufen nach dem Staat. Damit erzeugen wir die geringe Produktivität, die dann wieder als Rechtfertigung für niedrige Zinsen gebraucht wird.“Und das führe zu einer weiteren Zombifizierung der Wirtschaft.
Was ist das künftige Geschäftsmodell?
Auch hierzulande sei es daher wichtig, die Strukturen anzupassen, sagt Johannes Schneider von EY. „Haben wir in unserer Infrastruktur schon komplett verstanden, was Dekarbonisierung bedeutet? Und angesichts von vermehrtem Home-Office: Wie sieht es mit dem Breitbandausbau außerhalb der urbanen Zentren aus?“Hier müsste der Staat Akzente setzen.
Aber auch bei den Betrieben ortet Schneider vielfach zu wenig Motivation, disruptiv zu denken. „Die gängigste Reaktion auf die Krise ist, dass der Vertrieb forciert wird. Die Unternehmen versuchen, ihre bestehenden Kunden stärker zu beackern, um sie davon zu überzeugen, ihre Produkte doch zu kaufen.“Dabei gäbe es jetzt die Chance, sich einmal Grundsätzliches anzusehen. „Denn wie viele Unternehmen haben wirklich schon einmal darüber nachgedacht, wie ihr Geschäftsmodell in einer digitalen Welt aussehen wird? Unter Digitalisierung verstehen sie die stärkere Nutzung von IT in ihrem bestehenden operativen Geschäftsmodell“, so Schneider.
Dabei bestünde jetzt auch die Möglichkeit, grundlegende Veränderungen finanziert zu bekommen. „Die Banken sagen, es ist genug Geld da. Es muss nur die Story überzeugend sein, dann finanzieren sie das auch“, so der Unternehmensberater. Das gelte etwa auch für das Thema Übernahmen, von denen viele in der Krise eher zurückschrecken würden. Dabei sei jetzt die richtige Zeit für passende Zukäufe, um nach der Krise stärker wachsen zu können.