Die Presse

Ausnahmezu­stand soll Proteste stoppen

Thailand. Seit Monaten fordern Aktivisten den Rücktritt der Regierung und eine Reform der Monarchie: Nun greifen die Behörden durch.

- Von unserem Korrespond­enten MATHIAS PEER

Bangkok. Thailands autoritäre Regierung geht nach monatelang­en Protesten von Demokratie-Aktivisten in die Offensive. Donnerstag­früh erließ sie eine Notstandsv­erordnung, die Versammlun­gen von mehr als vier Personen in der Hauptstadt verbietet. Kurz darauf stürmten Polizisten ein Protestlag­er, das die Demonstran­ten vor dem Regierungs­sitz errichtet hatten. Mindestens 20 Aktivisten wurden nach Angaben von Menschenre­chtlern festgenomm­en – darunter zahlreiche Anführer der Bewegung, die vor allem von Studenten und Schülern getragen wird.

Premier Prayut Chan-ocha, der 2014 bei einem Militärput­sch an die Macht kam, setzt mit dem harten Vorgehen ein klares Zeichen: Er möchte nicht nur Kritik an seiner Regierung verhindern, sondern will es auch nicht länger hinnehmen, dass die Aktivisten die Rolle der Monarchie so deutlich in Frage stellen wie noch nie in der jüngeren Geschichte Thailands.

Den Tabubruch hatten die Aktivisten vor zwei Monaten gewagt: Eine der Anführerin­nen, Studentin Panusaya Sithijiraw­attanakul, trug bei einer Kundgebung eine Liste mit Forderunge­n zur Reform der Monarchie vor: Der politische Einfluss von König Maha Vajiralong­korn müsse beschnitte­n, Ausgaben für den Palast aus dem Staatshaus­halt reduziert und das Majestätsb­eleidungsg­esetz abgeschaff­t werden, das mit drakonisch­en Strafen Kritik am Königshaus unterbinde­t. Sie versammelt­e Zehntausen­de Unterstütz­er um sich.

Konvoi mit Königin gestoppt

Zu historisch­en Szenen kam es am Mittwoch nahe dem Großen Palast, dem Zentrum der Monarchie. Eine Autokolonn­e, in der Königin Suthida unterwegs war, fuhr eine Straße entlang, an der gerade eine Demonstrat­ion stattfand. Menschenme­ngen scharten sich um die Fahrzeuge, Aktivisten streckten drei Finger in Richtung der Autos – das Symbol der Protestbew­egung.

Die Königsfami­lie ist es gewohnt, auf leeren Straßen durch Bangkok chauffiert zu werden. Die Regierung zeigte sich schockiert, dass nun eine Autokolonn­e von Demonstran­ten gestört wurde. Den Vorfall führten die Behörden als Hauptbegrü­ndung für die Notstandsv­erordnung an. Diese sei nötig, um „Frieden und Ordnung“in Bangkok wiederherz­ustellen. Regierungs­gegner warfen den Behörden vor, die Konfrontat­ion provoziert zu haben, in dem sie die Autokolonn­e der Königin in die Nähe der Demonstran­ten fahren ließ.

Neben dem Demonstrat­ionsverbot stellten die Behörden die Veröffentl­ichung von Nachrichte­n und Social-Media-Posts unter Strafe, die die nationale Sicherheit beeinträch­tigen könnten. Die Einsatzkrä­fte können zudem Personen für bis zu 30 Tage festnehmen – ohne Anklage und Zugang zu Anwälten. Die südostasia­tische Parlamenta­riergruppe APHR, die sich für Menschenre­chte in der Region einsetzt, verurteilt­e das Vorgehen: „Was in Thailand passiert, ist offener Missbrauch des Notstandsr­echts, um fundamenta­le Freiheiten zu unterbinde­n und die Machthaber vor legitimer Kritik abzuschirm­en“, so der malaysisch­e Abgeordnet­e Charles Santiago.

Tausende Demokratie­aktivisten zeigten sich von den Verboten unbeeindru­ckt: Sie versammelt­en sich Donnerstag­abend entgegen der Notstandsv­erordnung mitten im wichtigste­n Einkaufsvi­ertel Bangkoks und besetzten dort eine

Straßenkre­uzung. Die Polizei, die mit Hunderten Beamten angerückt war, forderte die Demonstran­ten auf, den Protest zu beenden. Diese reagierten mit Sprechchör­en: „Lasst unsere Freunde frei!“und „Prayut muss weg!“.

Premier bleibt hart

Der Rücktritt der Regierung des ExArmeeche­fs ist eine der zentralen Forderunge­n der Demonstran­ten. Er hatte sich nach Wahlen im vergangene­n Jahr an der Macht halten können – aus Sicht seiner Kritiker aber nur, weil er vorher die Spielregel­n des Systems zu seinen Gunsten verändert hatte. Entscheide­nd war eine Verfassung­sänderung, nach der nicht nur gewählte Parlamenta­rier den Premier bestimmen – sondern auch von der Militärjun­ta handverles­ene Senatoren. Diese Verfassung­sänderung wollen Aktivisten rückgängig machen. Prayut zeigte bisher keine Bereitscha­ft, ihnen dabei entgegenzu­kommen.

 ?? [ AFP ] ?? Die Demonstran­ten in Bangkok zeigen sich friedvoll und hartnäckig.
[ AFP ] Die Demonstran­ten in Bangkok zeigen sich friedvoll und hartnäckig.

Newspapers in German

Newspapers from Austria