Eine Wahl per Einschalttaste im virtuellen Duell
US-Wahlkampf. Zweite Runde zwischen Donald Trump und Joe Biden in einer indirekten TV-Konfrontation.
Wien/Washington. Eigentlich sollten Donald Trump und Joe Biden in einer Bürgerfragestunde zur Primetime in Miami direkt aufeinandertreffen. Nach der Absage einer virtuellen Debatte durch den Präsidenten sollten die Rivalen in der Nacht auf Freitag indirekt, getrennt voneinander und zur gleichen Zeit bei zwei unterschiedlichen Town-hall-Meetings dennoch rhetorisch die Klingen kreuzen – Trump im Sender NBC in Miami, Biden auf ABC in Philadelphia.
Die Wahl via Einschalttaste kam so per se schon einem Votum gleich. Dass Trump, der auf Einschaltquoten fixierte ehemalige Reality-TV-Moderator, der bessere Entertainer ist, stand fest. Nicht vom Zufall diktiert war die Wahl der Schauplätze für das virtuelle Duell: Florida und Pennsylvania gelten als die wichtigsten Swing States. 2016 hatte Trump hier mit knappem Vorsprung das Fundament für seinen Wahlsieg gelegt, und auch heuer ist für ihn ein Erfolg hier gleichsam ein Muss.
Beide Kandidaten hetzen durch die Swing States – Biden bei Kleinveranstaltungen und Trump bei Großkundgebungen in Flugzeughangars, auf der Aufholjagd bei Stimmen und Spenden. Mit 383 Millionen Dollar allein im September, zum Großteil Kleinspenden, stellte der demokratische Herausforderer einen Rekord auf.
Die Angriffslinien sind klar: Fokussiert sich Biden auf die Coronapandemie, versucht Trump nach Kräften, davon abzulenken. Seinen vom Coronavirus genesenen 14-jährigen Sohn, Barron, zitiert er als Beispiel für die Prämisse der Wiederöffnung von Schulen und sich selbst als Paradefall für die Überwindung der Krankheit.
Biden im Rollstuhl
In Florida punktet Joe Biden dagegen bei Rentnern. „Der einzige Senior, der Donald Trump wichtig ist, ist der Senior Donald Trump“, ätzte er beim Besuch eines Heims in der Nähe Miamis. „Sie sind entbehrlich, Sie sind unbedeutend, Sie sind niemand. So sieht er die Sache.“Die Trump-Kampagne fabrizierte indessen einen Werbespot, der den bald 78-jährigen Biden, umringt von Senioren, in einem Rollstuhl zeigt. Umfragen deuten darauf hin, dass sich Pensionisten und Vorstadtfrauen vom Präsidenten abwenden. In Pennsylvania warb er fast flehentlich: „Vorstadtfrauen, würden Sie mich bitte mögen? Ich habe Ihre verdammte Nachbarschaft gerettet.“Zuvor hatte er Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris als „Monster“geschmäht.
Seine auch intern zunehmend kritisierte Wahlkampagne mutet immer erratischer an. In der „New York Post“ließ er einen Angriff auf Biden-Sohn Hunter wegen eines angeblichen Interessenkonflikts seines Konkurrenten lancieren. Die „Bombe“platzte bisher ebenso wenig wie die vermeintliche Rolle der Obama-Regierung in der Russland-Affäre. Das Justizministerium stellte eine Untersuchung ein.