Die Presse

Und wo bitte sind die Bezirkskai­serinnen?

Frauen. Wiens Politik wird vor allem von Männern bestimmt, der Anteil der Bezirksche­finnen ist zuletzt sogar gesunken.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Wien wird von Männern regiert. Zumindest auf Bezirksebe­ne haben vor allem sie das Sagen – und während man meinen möchte, das Verhältnis gleiche sich aus, die in der letzten Wahlperiod­e intensiv geführten Feminismus-Debatten würden auch hier Folgen zeigen, ist das Gegenteil der Fall: Waren nach der Wahl 2015 neun von 23 Bezirksvor­steherinne­n und Bezirksvor­stehern weiblich, sinkt der Anteil nun auf sieben von 23.

In der Leopoldsta­dt wird Ursula Lichtenegg­er (Grüne) von Alexander Nikolai (SPÖ) abgelöst, in der Josefstadt Veronika MickelGött­fert (ÖVP) von Martin Fabisch (Grüne). Bleiben Lea Halbwidl (SPÖ, 4. Bezirk), Silvia Jankovic´ (SPÖ, 5. Bezirk), Saya Ahmad (SPÖ, 9. Bezirk), Silke Kobald (ÖVP, 13. Bezirk), Michaela Schüchner (SPÖ, 14. Bezirk) Ilse Pfeffer (SPÖ, 17. Bezirk) und Silvia Nossek (Grüne, 18. Bezirk).

Bei der SPÖ werden also fünf von 17 Bezirken weiblich geführt, bei ÖVP und Grünen je einer von drei. Ein Frauenante­il von weniger als einem Drittel – und sinkend – was ist da los? Dass dieses Verhältnis (noch) nicht passt, das ist auch Marina Hanke aufgefalle­n. Sie ist

SPÖ Gemeinderä­tin und Vorsitzend­e der SPÖ-Frauen (und nicht verwandt mit dem gleichnami­gen Stadtrat). „Wir beobachten das schon länger, es ist spannend, sich diese untere kommunale Ebene anzuschaue­n. Das Problem ist österreich­weit noch größer, bei Bürgermeis­terinnen (ihr Anteil lag österreich­weit zuletzt bei knapp neun Prozent, Anm.) ist der Gap noch viel größer als in Wiener Bezirken.“

Eine Ebene darunter, in den Gemeinderä­ten, ist der Anteil an Frauen höher als beim Bürgermeis­teramt, in Summe liegt der Frauenante­il über alle Gemeindeve­rtreter gerechnet laut Gemeindebu­nd bei 23 Prozent. Ihr Anteil sinkt mit der Hierarchie­ebene – auch in Wien: Der Anteil der Bezirksrät­innen (2015 waren es 43 Prozent) ist höher als der Anteil der Frauen an der Bezirksspi­tze oder im Gemeindera­t (37 Prozent).

Woran scheitert der Aufstieg – und die Beteiligun­g auf Gemeindeod­er Bezirksebe­ne? „Gesamtöste­rreichisch sind Frauen noch immer sehr stark mehrfach belastet, Kinderbetr­euung, Haushalt, Beruf, von einem Bürgermeis­terinnenpo­sten in einer kleinen Gemeinde oder von der Aufwandsen­tschädigun­g für Bezirksrät­innen kann man nicht leben. Kommen noch andere Verpflicht­ungen dazu, gibt es eine Differenz in den Lebensreal­itäten von Männern und Frauen, da haben es Frauen schwerer, sagt Hanke, die auch auf Bezirksebe­ne eine gläserne Decke ortet. „Will man diese Decke angehen, sind Quoten super, aber man muss auch in anderen Bereichen ansetzen: Dass Frauen gut arbeiten können, dass sie gratis Kinderbetr­euung haben.“

Denn auf der Ebene unter der Bezirkspol­itik, bei Initiative­n in Grätzeln, der Gestaltung des lokalen Zusammenle­bens, seien Interesse und Engagement von Frauen sehr groß, erzählt Hanke. Man versuche nun zu unterstütz­en, dass der Schritt zum politische­n Engagement gelingt – indem man Frauen frage, was sie brauchen, um sich einbringen zu können, indem man berate und sie stärke , so Hanke – etwa bei Veranstalt­ungen, bei denen Kinderbetr­euung bereitsteh­t. Frauen da zu unterstütz­en, sieht sie angesichts der Coronakris­e als wachsende Herausford­erung. Die Mehrfachbe­lastung sei gewachsen, viele Frauen sind mehr an das Zuhause gebunden, die Chancen sich einzubring­en sind geringer. „Frauen bekommen diese Krise verstärkt ab. Das muss noch eine viel größere Rolle spielen.“

Auch auf Ebene der Bezirksvor­stehungen arbeitet man daran, jüngere Frauen in Chefinnen-Positionen zu bringen, vor der Wahl gab es einige Generation­enwechsel: Michaela Schüchner, 43, ist seit 2019 Bezirksche­fin, Lea Halbwidl, 38, und Saya Ahmad, 36, seit 2018 und Silvia Jankovic, 36, löst mit der Wahl ihre Vorgängeri­n ab. „Wir haben coole, starke Frauen, die das gut können“, sagt Hanke. Klar sei aber für sie, dass das Ziel noch nicht erreicht sei.

Stagnation seit 25 Jahren

Auch im Gemeindera­t sind Frauen nicht in dem Ausmaß repräsenti­ert, in dem es ihrem Anteil an der Bevölkerun­g entspricht: Zu Beginn der letzten Legislatur­periode, 2015, lag der Frauenante­il bei 37 Prozent. Der Anteil hat sich über die Jahre zwar erhöht, ist aber in den vergangene­n 25 Jahren ziemlich stagniert – und 2005 lag der Anteil mit 40 Prozent schon höher.

Nach Parteien hatte zuletzt übrigens die ÖVP mit 57,2 Prozent den höchsten Frauenante­il, gefolgt von Grünen (50 Prozent), SPÖ (43,2), Neos (40) und FPÖ (20,6). Wie die Verteilung künftig aussieht, wird im November feststehen. Eine Liste der künftigen Mandatarin­nen konnten auf Anfrage nur die Neos vorlegen: Demnach werden drei Frauen und fünf Männer Mandatare, sollte Christoph Wiederkehr Stadtrat werden, würde eine Frau nachrücken, der Neos-Frauenante­il läge bei 50 Prozent.

 ?? [ Valerie Voithofer ] ?? Silvia Nossek (Grüne) ist seit 2015 Bezirksvor­steherin in Währing. Sie konnte ihren umkämpften Bezirk verteidige­n, ist nun aber die einzige grüne Bezirksche­fin.
[ Valerie Voithofer ] Silvia Nossek (Grüne) ist seit 2015 Bezirksvor­steherin in Währing. Sie konnte ihren umkämpften Bezirk verteidige­n, ist nun aber die einzige grüne Bezirksche­fin.

Newspapers in German

Newspapers from Austria