An den Börsen geht die Angst um
Die Neuinfektionen steigen rasant, in den USA ist ein Konjunkturpaket in weite Ferne gerückt. Das belastet die Aktienmärkte, die ein Ende der wirtschaftlichen Erholung befürchten.
Wien. Britische Bürger aus unterschiedlichen Haushalten, die einander nicht mehr besuchen dürfen, slowenische Schüler, die bald in den Onlineunterricht wechseln und französische Großstädter, über die eine nächtliche Ausgangssperre verhängt wird. Die steigenden Corona-Neuinfektionen stellen nicht nur eine Herausforderung für die nationalen Gesundheitssysteme dar, sie drohen auch der prognostizierten wirtschaftlichen Erholung den Garaus zu machen. Die Aktienmärkte zeigen sich von dieser Entwicklung alarmiert, wie sich einmal mehr am Donnerstag zeigte. „Dies alles deutet auf eine größere Belastung für die Wirtschaft im vierten Quartal hin und rechtfertigt eine Anpassung der Aktienkurse“, sagt Derek Halpenny von der Bank Mitsubishi UFJ.
Und so verlor der Frankfurter Leitindex DAX am Donnerstag zwischenzeitlich drei Prozent. Kein einziges Unternehmen konnte sich am vorletzten Handelstag der Woche im Plus halten, zu den größten Verlierern zählten neben dem Chemiekonzern BASF, auch die Autowerte von Volkswagen und BMW.
In diesem Jahr hat der deutsche Leitindex bereits um rund 4,6
Prozent nachgegeben. Von seinem 52-Wochen-Hoch liegt er aber nur noch rund acht Prozent entfernt. Die Erholung der vergangenen Monate hat der Index also durchaus mitgemacht, seit Längerem allerdings schon zündet er nicht.
Anleihen wieder gefragt
In unsicheren Zeiten ziehen sich die Anleger nämlich aus dem Aktienmarkt zurück, sie strömen in sichere Währungen, wie etwa den Dollar, der nicht erst seit Donnerstag wieder stärker gefragt ist. Auch bei Staatsanleihen, unter anderem bei jenen Deutschlands, suchen die Investoren Zuflucht. Und so fielen die Renditen von deutschen Papieren mit zehnjähriger Laufzeit – die als europäische Benchmark gelten – auf ein Siebenmonatstief. Die Rendite lag bei Minus 0,62 Prozent. Das hatte auch Auswirkungen auf die Anleihenmärkte von Frankreich und Belgien, deren Renditen ebenfalls am Donnerstag nachgaben.
Für Unsicherheit sorgte auch Großbritannien. Die EU und das Vereinigte Königreich versuchen sich derzeit an einem Handelsabkommen – ein schwieriges Unterfangen. Am Donnerstag beriet man am EU-Gipfel über den Stand der Dinge.
Auch in den USA deutet derzeit alles auf eine Hängepartie hin. Ein neues Konjunkturpaket, das die Börsen anschieben könnte, dürfte sich vor den Präsidentschaftswahlen nicht mehr ausgehen. Demokraten und Republikaner streiten über die Höhe der Finanzspritzen, zu einer Einigung konnte man sich bisher nicht durchringen. Das belastet die Finanzmärkte. Ebenso wie nicht gerade erfreuliche Konjunkturdaten. So trübte sich die Stimmung in den New Yorker Industrieunternehmen im Oktober überraschend ein. Auch die Erstanträge auf USArbeitslosenhilfe stiegen in der vergangenen Woche überraschend an und liegen damit weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.
Schon in den letzten Wochen machte der breite S&P-Index eine kleine Achterbahnfahrt durch. Im traditionell schlechten September korrigierte er um fast zehn Prozent. Geschuldet war das nicht zuletzt den Technologiewerten, die in den Monaten zuvor neue Allzeithochs erreichten. Ende September drehte schließlich das Blatt, es kam zu einer deutlichen Erholung.
Nach wie vor zahlen die Investoren im S&P 500 aber das 22-Fache der zukünftigen Gewinne, um die Hälfte mehr als im Schnitt der vergangenen zehn Jahre.