Das Rennen um Kilometer macht er nicht mit
Stromablesung. Der ungewöhnlich charmante Mazda MX-30 hat einen anderen Zugang zur Elektromobilität, einen sinnlichen: Nicht Reichweitenjagd ist das Ziel, sondern der Genuss des elektrischen Antriebs im passenden Ambiente.
Wien. Man hört die Rechenschieber förmlich rattern. Das Jahr biegt in die Zielgerade, und bei den Autoherstellern wird eifrig kalkuliert: Wer kratzt beim CO2-Flottenziel die Kurve, wer muss Pönale zahlen, weil er die Ideallinie verpasst? Nur zur Relation: Die Strafen können leicht in dreistellige Millionenbeträge, auch in die Milliarden reichen.
Übersichtlich ist die Materie nicht, und auch nicht immer logisch: Es gibt unterschiedliche Grenzwerte – je nachdem etwa, wie schwer die verkauften Fahrzeuge im Schnitt sind; je schwerer, desto mehr darf emittiert werden –, es können sich bessere und schwächere Hersteller in Pools auf ein Packel hauen – Motto: Gegen Zahlung darfst du von meinen feinen Werten profitieren; Renault ist beispielsweise gerade auf der Suche nach Sündern, und FiatChrysler überwies allein im ersten Quartal des Jahres 354 Mio. Dollar für CO2-Zertifikate an Tesla –, und es gibt Bonuspunkte für allerlei „Öko-Innovationen“, mit denen Fahrzeuge ausgestattet sind.
Der größte Hebel sind freilich „Supercredits“, die in der Berechnung mittels Elektroauto geltend gemacht werden können. Gern darf es sich dabei um ein 2,6-Tonnen-SUV handeln, dessen Akku allein fast so viel wiegt wie ein sparsamer Kleinwagen mit Benzinmotor, für den wiederum Pönale fällig ist, außer, es handelt sich um einen zweisitzigen Smart (aktuell 94 Gramm CO2/km).
Mazda im Pool mit Toyota
Eine Logik, der nicht alle folgen wollen, so die japanischen Hersteller Honda, Mazda und Toyota. Die beiden letzteren bilden übrigens ebenfalls einen CO2-Pool, ein Batterie-elektrisches Auto (BEV) hat bislang aber nur Mazda am Start, den MX-30. Den braucht Mazda, mit relativen hohen CO2-Flottenwerten, dringender als die HybridMarke Toyota, die es ohne BEV schaffen dürfte.
Und der MX-30 unterscheidet sich grundlegend vom übrigen Aufgebot: Obwohl er kein Kleinwagen ist, sondern ein Crossover mit 4,4 Metern Länge, führt er einen verhältnismäßig kleinen Akku mit sich, Kapazität: 35,5 kWh, Gewicht: 310 kg. Reichweitenkönig wird man damit nicht – muss man auch nicht, nach Mazdas Denke, denn um lange Distanzen am Stück abzuspulen, ist ein BEV sowieso die falsche Wahl. MammutAkkus von 90 oder 100 kWh sind reinster Ressourcen-Fraß und können am Ende doch nicht mit einem Dieseltank konkurrieren.
Wir blieben mit der Reichweite im MX-30 immer unter 200 km. Man wird sehen, ob Mazda seine Position halten kann, denn die Zielgruppe ist solcherart schon zugespitzt: auf jene, die sich einen elektrischen Zweitwagen von Statur zum täglichen Pendeln leisten und die zu Hause oder an der Arbeitsstätte verlässlich laden können. Ihnen bietet der Mazda, wenn schon kein Protzen bei der Reichweite, so doch anderen Mehrwert: eines der schönsten Cockpits, das man vorfinden kann. Die ungewöhnliche Materialauswahl, eben nicht nur Chrom, Holz, Leder, sahen wir zuletzt im Fisker Karma: Zertifiziertes „Sunken Wood“, geborgen vom Grund des Lake Michigan, hat der MX-30 zwar nicht an Bord, aber neben interessanten Öko-Textilien auf Sitzen und Tapezierung zum Beispiel Kork auf den Ablagen, ein bislang sträflich unterschätzter Werkstoff für Autocockpits – rutschsicher, wohnlich, haptisch erfreulich (und ein Verweis auf Mazdas Firmengeschichte, die mit Korkproduktion begann).
In Verbindung mit einer tadellosen Ergonomie und einem klugen Bordsystem ist der Mazda ein sehr behaglicher Ort, um das Verkehrsgeschehen in Angriff zu nehmen. Ein frecher Sprinter wie der gleich starke Honda e ist er nicht, denn er wiegt mehr und hat Vorderrad- statt Heckantrieb. Die wunderbare Geschmeidigkeit und Elastizität des elektrischen Fahrens kommt hingegen voll zur Geltung, jede Fahrt ist ein Genuss. Für effektive Dämmung ist gesorgt, um den Lärm der Welt draußen zu halten.
Das sich die Fondtüren gegenläufig öffnen (wie beim BMW i3), kann man als Spleen abtun (hatte schon Mazdas Wankel-Sportwagen RX-8, auf den sich das Zitat bezieht), aber eigentlich ist es praktisch, keine B-Säule im Weg zu haben, wenngleich zum Öffnen die Vordertür offenstehen muss. Andersartig, nennen wir’s Charakter!