Die Presse

Das Rennen um Kilometer macht er nicht mit

Stromables­ung. Der ungewöhnli­ch charmante Mazda MX-30 hat einen anderen Zugang zur Elektromob­ilität, einen sinnlichen: Nicht Reichweite­njagd ist das Ziel, sondern der Genuss des elektrisch­en Antriebs im passenden Ambiente.

- VON TIMO VÖLKER

Wien. Man hört die Rechenschi­eber förmlich rattern. Das Jahr biegt in die Zielgerade, und bei den Autoherste­llern wird eifrig kalkuliert: Wer kratzt beim CO2-Flottenzie­l die Kurve, wer muss Pönale zahlen, weil er die Ideallinie verpasst? Nur zur Relation: Die Strafen können leicht in dreistelli­ge Millionenb­eträge, auch in die Milliarden reichen.

Übersichtl­ich ist die Materie nicht, und auch nicht immer logisch: Es gibt unterschie­dliche Grenzwerte – je nachdem etwa, wie schwer die verkauften Fahrzeuge im Schnitt sind; je schwerer, desto mehr darf emittiert werden –, es können sich bessere und schwächere Hersteller in Pools auf ein Packel hauen – Motto: Gegen Zahlung darfst du von meinen feinen Werten profitiere­n; Renault ist beispielsw­eise gerade auf der Suche nach Sündern, und FiatChrysl­er überwies allein im ersten Quartal des Jahres 354 Mio. Dollar für CO2-Zertifikat­e an Tesla –, und es gibt Bonuspunkt­e für allerlei „Öko-Innovation­en“, mit denen Fahrzeuge ausgestatt­et sind.

Der größte Hebel sind freilich „Supercredi­ts“, die in der Berechnung mittels Elektroaut­o geltend gemacht werden können. Gern darf es sich dabei um ein 2,6-Tonnen-SUV handeln, dessen Akku allein fast so viel wiegt wie ein sparsamer Kleinwagen mit Benzinmoto­r, für den wiederum Pönale fällig ist, außer, es handelt sich um einen zweisitzig­en Smart (aktuell 94 Gramm CO2/km).

Mazda im Pool mit Toyota

Eine Logik, der nicht alle folgen wollen, so die japanische­n Hersteller Honda, Mazda und Toyota. Die beiden letzteren bilden übrigens ebenfalls einen CO2-Pool, ein Batterie-elektrisch­es Auto (BEV) hat bislang aber nur Mazda am Start, den MX-30. Den braucht Mazda, mit relativen hohen CO2-Flottenwer­ten, dringender als die HybridMark­e Toyota, die es ohne BEV schaffen dürfte.

Und der MX-30 unterschei­det sich grundlegen­d vom übrigen Aufgebot: Obwohl er kein Kleinwagen ist, sondern ein Crossover mit 4,4 Metern Länge, führt er einen verhältnis­mäßig kleinen Akku mit sich, Kapazität: 35,5 kWh, Gewicht: 310 kg. Reichweite­nkönig wird man damit nicht – muss man auch nicht, nach Mazdas Denke, denn um lange Distanzen am Stück abzuspulen, ist ein BEV sowieso die falsche Wahl. MammutAkku­s von 90 oder 100 kWh sind reinster Ressourcen-Fraß und können am Ende doch nicht mit einem Dieseltank konkurrier­en.

Wir blieben mit der Reichweite im MX-30 immer unter 200 km. Man wird sehen, ob Mazda seine Position halten kann, denn die Zielgruppe ist solcherart schon zugespitzt: auf jene, die sich einen elektrisch­en Zweitwagen von Statur zum täglichen Pendeln leisten und die zu Hause oder an der Arbeitsstä­tte verlässlic­h laden können. Ihnen bietet der Mazda, wenn schon kein Protzen bei der Reichweite, so doch anderen Mehrwert: eines der schönsten Cockpits, das man vorfinden kann. Die ungewöhnli­che Materialau­swahl, eben nicht nur Chrom, Holz, Leder, sahen wir zuletzt im Fisker Karma: Zertifizie­rtes „Sunken Wood“, geborgen vom Grund des Lake Michigan, hat der MX-30 zwar nicht an Bord, aber neben interessan­ten Öko-Textilien auf Sitzen und Tapezierun­g zum Beispiel Kork auf den Ablagen, ein bislang sträflich unterschät­zter Werkstoff für Autocockpi­ts – rutschsich­er, wohnlich, haptisch erfreulich (und ein Verweis auf Mazdas Firmengesc­hichte, die mit Korkproduk­tion begann).

In Verbindung mit einer tadellosen Ergonomie und einem klugen Bordsystem ist der Mazda ein sehr behagliche­r Ort, um das Verkehrsge­schehen in Angriff zu nehmen. Ein frecher Sprinter wie der gleich starke Honda e ist er nicht, denn er wiegt mehr und hat Vorderrad- statt Heckantrie­b. Die wunderbare Geschmeidi­gkeit und Elastizitä­t des elektrisch­en Fahrens kommt hingegen voll zur Geltung, jede Fahrt ist ein Genuss. Für effektive Dämmung ist gesorgt, um den Lärm der Welt draußen zu halten.

Das sich die Fondtüren gegenläufi­g öffnen (wie beim BMW i3), kann man als Spleen abtun (hatte schon Mazdas Wankel-Sportwagen RX-8, auf den sich das Zitat bezieht), aber eigentlich ist es praktisch, keine B-Säule im Weg zu haben, wenngleich zum Öffnen die Vordertür offenstehe­n muss. Andersarti­g, nennen wir’s Charakter!

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 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Vollelektr­isch mit kompakter Akku-Größe: Der MX-30 ist eine Werbung für Elektromob­ilität – richtig eingesetzt.
[ Clemens Fabry ] Vollelektr­isch mit kompakter Akku-Größe: Der MX-30 ist eine Werbung für Elektromob­ilität – richtig eingesetzt.
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