Die Presse

Eine Freikarte für Selbstgefä­hrdung?

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„... die wahren Lebensgefä­hrder!“, „Quergeschr­ieben“von Gudula Walterskir­chen, 12. 10.

In ihrem Kommentar über die Gefahren einer ungesunden Lebensweis­e und das Risiko einer Coronaviru­s-Infektion macht Frau

Walterskir­chen anschaulic­h auf einen Widerspruc­h in der laufenden Diskussion über unsere Freiheiten im Gesundheit­ssystem aufmerksam. Sich selbst und andere durch Alkohol, Zigaretten und ungesunde Lebensweis­e (bis hin zum Suizid) zu schädigen, ist grundsätzl­ich erlaubt. Aber sich und andere in die Gefahr einer Covid-19-Infektion zu begeben, wird bestraft und führt zu einer Reihe von gravierend­en Freiheitsb­eschränkun­gen. Die Emotionen darüber sind bei diesem Gegensatz verständli­ch. Eine Bevölkerun­g, die gewohnt ist, dass Sozialvers­icherungen beim Leistungsa­nfall keinen Unterschie­d machen, ob man vorsorglic­h gesund oder auf Kosten anderer ungesund gelebt hat (Ausnahme SVA der Selbststän­digen), akzeptiert diese Beschränku­ngen nur über ein tägliches Bedrohungs­szenario, an das man sich eben schwer gewöhnt. Es ist daher richtig, darüber nachzudenk­en, wie das Ausmaß der Sozialleis­tungen in Bezug auf die Eigenveran­twortung in Zukunft sein soll. Die Bevölkerun­g hat aber keine Freude, wenn dem Einzelnen für sein ungesundes Verhalten Nachteile erwachsen. Es wäre ein positiver Aspekt dieser Pandemie, wenn die unendliche Geschichte dieser Erkrankung­swelle transparen­t macht, dass es einen Zusammenha­ng zwischen Freiheitsb­eschränkun­g und fehlender Eigenveran­twortung gibt.

Dr. Otto Pjeta, Allgemeina­rzt und ehem. Präsident der ÖÄK; 4652 Steinerkir­chen

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