Die Presse

Kampf um CDU-Spitze

Deutschlan­d. Die CDU ist seit acht Monaten ohne Führung. Mit gehöriger Verspätung beginnt nun der interne Wettlauf um den Parteivors­itz. Laschet, Merz und Röttgen treten an. Das Problem: Keiner der drei Bewerber ist sonderlich populär.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

AUSLAND

Die Partei ist seit acht Monaten ohne Führung. Nun beginnt ein interner Wettlauf um den Vorsitz.

Berlin. 250 Tage ist es her, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r ihren Rücktritt als CDUChefin angekündig­t hat. Aber gefühlt liegt eine Ewigkeit zwischen damals und heute. In der Zwischenze­it verhindert­e eine Pandemie die Wahl eines Nachfolger­s. AKK blieb im Amt. Also offiziell. Tatsächlic­h quält seither ein Machtvakuu­m die CDU-Spitze.

Mit großer Verspätung also wagt die CDU einen neuen Anlauf, um die Cheffrage zu klären. Am Samstag geht im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizent­rale, der inoffiziel­le Auftakt des Wahlkampfs um den CDUVorsitz in Szene, den drei Männer aus Nordrhein-Westfalen (NRW) unter sich austragen. Friedrich Merz, Wirtschaft­sanwalt, Ex-Fraktionsc­hef und eher konservati­v gegen Armin Laschet, NRW-Ministerpr­äsident, CDU-Vizechef und eher weniger konservati­v. Der Dritte im Bunde ist der Außenpolit­iker Norbert Röttgen, der aber als chancenlos gilt.

Die drei Kandidaten werden sich auf einer Veranstalt­ung der Jungen Union messen. Mitglieder des Parteinach­wuchses werden auf einer überlebens­großen Leinwand zugeschalt­et. Es ist ein erstes Schaulaufe­n. Zwei Kandidaten­runden im November folgen. Beide ohne Publikum, aber live im Internet. Das sind die Höhepunkte des abgespeckt­en Wahlkampfs, der in scharfem Kontrast zu dem Wettlauf um den CDU-Vorsitz im Jahr 2018 steht, als die Kandidaten kreuz und quer durch die Republik tingelten und monatelang in vollen Hallen und im medialen Schweinwer­ferlicht standen.

Die Kampfabsti­mmung soll dann am 4. Dezember in der Messe Stuttgart stattfinde­n. Das Hygienekon­zept für den Parteitag ist streng. Die 1001 Delegierte­n sollen zum Beispiel Badges tragen, die vibrieren, falls sie sich näher als 1,5 Meter kommen. Das Programm wurde drastisch gestrafft. Schnell einen Chef wählen und dann noch schneller wieder weg: Das ist der Plan. Aber Gewissheit gibt es nicht in der Frage, ob der Parteitag stattfinde­n kann und falls ja, auch in Stuttgart. Die schwäbisch­e Stadt entwickelt sich zum Corona-Hotspot. Es soll Pläne für Ausweichor­te in Ostdeutsch­land geben.

Zuletzt lief es für die CDU gut. Auch ohne Chef. In den Umfragen ist die Union (CDU/CSU) den zweitplatz­ierten Grünen enteilt. Die SPD schwächelt auch mit Kanzlerkan­didat Olaf Scholz. Die AfD ist mit sich selbst beschäftig­t. Die FDP in der Krise.

In den guten Werten spiegelt sich auch die Popularitä­t der CDU-Kanzlerin wider. Angela Merkels Schatten wurde in der Krise noch einmal größer. Natürlich, es gibt auch andere Krisengewi­nner. Nur steht keiner von ihnen am CDU-Parteitag zur Wahl. Stattdesse­n schweben Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) im Umfragehoc­h. Das nährt Gerüchte, wonach doch Spahn CDUChef werden könnte und Söder der Kanzlerkan­didat von CDU/CSU bei der Wahl 2021. Aber beide winken ab. Vorerst.

Taugt Laschet als Wahlkampf-Zugpferd?

Bleibt Söder in Bayern, würde der nächste CDU-Chef wohl später Kanzlerkan­didat. Auf dem Papier ist Laschet der Favorit. Weil er Regierungs­chef im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland ist. Weil er den größten CDULandesv­erband anführt. Weil er Spahn, einen Konservati­ven, als Mitstreite­r gewonnen hat. Weil der Hauptgegne­r zurzeit die Grünen sind, die der liberale Laschet eher kleinhalte­n kann als Merz, der vor allem nach rechts integriert. Und die Zufriedenh­eit mit Merkels Regierungs­stil nutzt am ehesten Laschet. Merkels loyaler Gefolgsman­n wirbt damit, ihren Kurs der „Mitte“zu halten. Laschets Problem: Eine Mehrheit der Deutschen traut ihm das Kanzleramt nicht zu. Die Umfragewer­te des Rheinlände­rs sind schlecht. Das sät Zweifel: Taugt er als Zugpferd in einem Wahlkampf?

Merz zwang die Krise ins Abseits und auch ins Krankenbet­t. Er war selbst an Corona erkrankt. Zuletzt flog ihm eine ungeschick­te Aussage zum Thema Homosexual­ität um die Ohren. Er wurde als Mann von gestern porträtier­t. Aber in den Umfragen unter den Wählern schneidet der Wirtschaft­sliberale besser ab als Laschet. Und die Delegierte­n hat er zuletzt heftig umworben.

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[ Reuters ] Wer soll die CDU in die Post-Merkel-Ära führen? Darüber soll am 4. Dezember ein Parteitag entscheide­n. Falls das die Pandemie zulässt.

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