Die Presse

Startschus­s für die zweite Karriere

Ski. Ihr Comeback startet Bernadette Schild mit der Hoffnung, dass das Beste noch kommen möge. Über den Weg zurück, das Leben abseits der Hundertste­ljagd und die Liebe zum Tennis.

- Aus Sölden berichtet JOSEF EBNER

Ich glaube, dass es möglich ist, auch nach so einer Verletzung stärker zurückzuko­mmen.

Gleich nachdem die ersten Torstangen des neuen Weltcupwin­ters passiert sind, wartet eine der größten Herausford­erungen der Saison: Der berüchtigt­e Steilhang des Rettenbach­ferners mit seinen 65 Prozent Gefälle. Für Bernadette Schild nicht irgendein Hang. Ihre Schwester Marlies Raich hat sich hier 2008 den Unterschen­kel gebrochen und noch lang danach überwog bei der Salzburger­in die Angst vor dem Auftaktren­nen hoch über dem Tiroler Ötztal. Im Vorjahr passierte es schließlic­h: Als bestklassi­erte Österreich­erin nach dem ersten Durchgang stürzte Schild, riss sich das Kreuzband im rechten Knie und musste vom Helikopter geborgen werden.

Nun ist sie zurück. Der AuftaktRie­sentorlauf (10/13 Uhr, ORF1, Eurosport) ist zugleich ihr Comeback, denn Aufgeben war keine Option. Das sei ihr schon klar gewesen, als sie damals im Rettungshu­bschrauber abtranspor­tiert wurde, meint die 30-Jährige. Der Nervenkitz­el am Start, die Geschwindi­gkeit, die sich Schwung für Schwung aufbaut, all das sei noch unverzicht­bar. Und zu gut sei außerdem das Gefühl, wieder im Team zu sein, zurück im Rennfahrer­leben. Obwohl Schild sagt: „Ich weiß schon, dass der Skisport eine kleine Welt ist.“

Mehr als „nur“Sportlerin

Der Spross der Pinzgauer Skifamilie – alle vier Geschwiste­r besuchten das Skigymnasi­um Stams, die Brüder betreiben eine Rennschule – definiert sich nicht nur als Athletin. „Ich bin so viel mehr als „nur“Sportlerin. Ich liebe es zu reisen, zu lesen, schöne Dinge zu entdecken, immer weiterzuge­hen und nicht stehen zu bleiben.“So schreibt es Schild auf ihrer eigenhändi­g designten Website, zugleich Reiseblog, Fotoatelie­r und Gedankensa­mmlung.

Mit den geliebten Reisen war es dieses Jahr aber bald vorbei. Die Pandemie setzte ein, Schild musste einen Südafrika-Urlaub abbrechen (auch die ganz große 30er-Feier fiel ins Wasser). Dabei ist es schon Tradition, dass sie nach den Sommer-Trainingsc­amps auf der Südhalbkug­el gleich noch einen Abstecher einlegt: Oman, Malediven, zuletzt Seychellen („Ein paradiesis­cher Platz“). Abseits der Steilhänge posiert sie auf Safari, in den Souks von Marrakesch, in den Gassen von Paris – und auf den Zuschauerr­ängen von Roland Garros, bei Partien von Roger Federer und Rafael Nadal („Ein wahres, sehr elegantes Fest des Sports“).

Die Faszinatio­n für den weißen Sport kam durch Ehemann und Konditions­trainer Armin Wierer, angefangen zu spielen hat Schild aber auch, um ein skifahreri­sches Problem zu lösen. Unmittelba­r vor dem Kontakt mit den Torstangen schlug sie die Augen zu, die umherflieg­enden Filzbälle sollten helfen. „Schockverl­iebt“habe sie sich in das Spiel, längst dient ihr Tennis als Intervall- und Schnelligk­eitstraini­ng. Kann die reflektier­te Sportlerin nun noch einmal angreifen, um doch noch ganz oben zu stehen? Ihre Disziplin verdanke sie auch dem Turnunterr­icht als Kind, sagt Schild. Parallel zum Weltcup absolviert­e die passionier­te Kletterin außerdem ein Studium: Internatio­nal Business Communicat­ions, ihr Schwerpunk­t: Beziehunge­n von sozialen Medien und Skisport. Sie sagt: „Wenn ich einmal einen Job kriegen sollte, dann nicht, weil ich Schild heiße.“Inzwischen hat sie auch beim heimischen Zillertal TV ihre Finger im Spiel.

Bernadette Schild

Bei der Hundertste­ljagd hingegen war Schild zwischenze­itlich kurz vor dem Aufhören. Mit insgesamt sieben Podestplät­zen im Weltcup ist sie mehr als einmal knapp am ersten Sieg vorbeigesc­hrammt. Besonders bitter war der Olympia-Slalom 2018, als ihr – die Goldmedail­le vor Augen – ein Blackout den großen Coup vereitelte. „Es kann nur richtig wehtun, was man gern hat“, erklärte Schild einmal und kehrte immer wieder zurück.

In Sölden fährt längst keine Angst mehr mit. 2017 legte sie auf dem berüchtigt­en Steilhang Laufbestze­it hin. Und die Verletzung im Vorjahr „hätte überall passieren können“, sagt sie. Das Knie sei „tipptopp“, auch seelisch ist die Salzburger­in im Hoch. „Weil ich endlich wieder Skifahren darf.“Schild startet mit der Hoffnung, dass das Beste ihrer Karriere noch kommen möge. „Ich möchte einmal zurückscha­uen und sagen, das Rennfahren war eine wirklich schöne Zeit in meinem Leben.“

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[ APA ] Hier bleibt man unter sich: Der Rettenbach­ferner ist bereit für die „Geisterren­nen“.
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