Lohnrunde in Zeiten klammer Kassen
Im Lockdown wurden sie als Systemerhalter beklatscht, ab Mittwoch wird um die Löhne der 420.000 Handelsangestellten gefeilscht. Die Gewerkschaft will eine großflächige Coronaprämie.
Wien. Es geht ruhig zu in diesen Tagen in vielen Wiener Geschäften. Die Touristen bleiben aus, Mäntel, Blusen und Anzüge in den Geschäften hängen. Diese Woche hat es noch dazu tagelang geschüttet. „Die Gesamtsituation ist eine Katastrophe“, sagt Rainer Trefelik zur „Presse“. Er hat selbst ein Modegeschäft und ist Sprecher der Händler in der Wirtschaftskammer. Nächste Woche wird er dort auf die Gewerkschaft treffen, und sie wird ihm ihre Forderungen für die Lohnrunde präsentieren: eine Lohn- und Gehaltserhöhung in Höhe der Inflation. Und eine Coronaprämie für Angestellte und Lehrlinge in jenen Betrieben, die „trotz oder gerade wegen Corona gut verdient haben“, sagt Martin Müllauer aus dem Verhandlungsteam der Gewerkschaft.
Dort ist man sich im Klaren, dass die Lage heuer speziell ist. Weshalb man auch davon absieht, große Forderungen für die gesamte Branche zu stellen. „Wir sind uns unserer wirtschaftlichen Verantwortung bewusst“, sagt Ko-Verhandlerin Anita Palkovich.
Am Mittwoch starten die Verhandlungen über Löhne und Gehälter der 420.000 Angestellten im Handel. Im Lockdown waren sie in aller Munde: Als „Helden des Alltags“wurden sie von Balkonen aus beklatscht, dafür, dass sie in den Supermärkten die Regale nachschlichteten, während andere tagelang nicht aus dem Haus gingen. „Die Handelsangestellten müssen auch noch weiter durchhalten“, sagt Palkovich. Und hätten dafür nun die Anerkennung verdient. Der Grat sei schmal, so die Gewerkschafterin: Denn es gehe auch um „die Verantwortung, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben“.
Gutscheine vs. bares Geld
Einige Betriebe haben bereits Boni ausgeschüttet, die vier großen Lebensmittelketten etwa schon im März. Solche Prämien sind noch bis Jahresende steuerfrei. Die Drogeriemarktkette DM stellte ihren Angestellten DM-Gutscheinkarten im Wert von 400 Euro in Aussicht. Doch die Gewerkschaft pocht auf bares Geld, damit die Beschäftigten selbst entscheiden können, wo sie es ausgeben. Davon profitiere die ganze Branche. „Denn Handelsangestellte sind auch Konsumenten“, so Palkovich. Und: „Dass die Prämien freiwillig sind, ist für uns nicht vorstellbar.“
Das spießt sich mit den Vorstellungen der Arbeitgeber. Unternehmervertreter Trefelik sagt: „Solche Prämien kann es natürlich nur freiwillig geben.“Das müsse auf der betrieblichen Ebene gelöst werden. Trefelik zeigt Verständnis für das Ansinnen der Gewerkschaft, die Kaufkraft der Beschäftigten zu erhalten. „Aber die größte Kaufkrafterhaltung ist die Sicherung der Arbeitsplätze.“Zumindest da ist man sich mit der Gewerkschaft einigermaßen einig. Nun sei es wichtig, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam den Herausforderungen stellen, sagt Trefelik.
Als Folge der Coronakrise brachen die Umsätze der heimischen Händler im März und April um 13 bzw. 24 Prozent ein. Das Gefälle in der Branche ist groß: Der Lebensmittelhandel verbuchte im zweiten Quartal ein Umsatzplus von 8,8 Prozent, der Bereich elektrische Geräte, Möbel und Baumärkte kam im Mai auf plus 30 Prozent. Dagegen sackte das Geschäft mit Kleidung und Schuhen im zweiten Quartal um 36 Prozent ab. „Es gibt sehr wenig zu verteilen“, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands zur „Presse“.
Weitere Pleiten befürchtet
Die Lohnerhöhung könne sich maximal im Bereich der Inflation bewegen, sagt Will. Schon das sei für die Händler in Zeiten wie diesen eine „Herkulesaufgabe“. Zehn Prozent der Händler hätten heuer schon schließen müssen. „Wir befürchten, dass über den Winter noch viel mehr aufgeben.“Wegen mangelnder Zuversicht trauten sich die Menschen derzeit nicht, „in den Konsum zu gehen“.
Die Metaller haben ihre Lohnrunde heuer am ersten Verhandlungstag mit einem Abschluss beendet. Ob das auch im Handel so sein wird? Derzeit gebe es drei Termine und einen Ersatztermin, sagt Gewerkschafter Müllauer. „Hudeln tun wir nicht.“