Diese Krise ist auch Test für zukünftige Krisen
Aktuell wird erforscht, wie Zustelldienste besser planen sollen, um Menschen in Quarantäne schnell zu versorgen. Und welche Strategien brauchen Testteams, Labore und Teststraßen, um zeitgerecht Covid-Ergebnisse zu liefern?
Zu Beginn der Coronakrise bemerkten plötzlich alle, wie wichtig gute Logistik ist und was passiert, wenn ein Teil der Kette fragil ist. „Da kam es zu einigen Krisen inklusive der Toilet-PaperCrisis: Das war kein Engpass in der Klopapier-Produktion, sondern die Zulieferkette war nicht reaktionsfähig genug, um diese Schwankung abzufangen“, sagt Karl Dörner vom Institut für Business Decisions and Analytics der Uni Wien.
Er leitet das FWF-Akut-Projekt „Logistik-Entscheidungsunterstützung in der Pandemie“, das Empfehlungen erarbeitet, um diese und kommende Krisen logistisch möglichst problemlos zu meistern. Ein großer Teil der Berechnungen des Teams mit der Uni Klagenfurt betrifft Hauszustellungen und das Vermeiden von Engpässen, wenn immer mehr Menschen in Quarantäne und Lieferdienste stärker gefragt sind.
„Wir sammeln gerade Daten, um das für die Zukunft gut abschätzen zu können“, sagt Dörner. Mithilfe der Wirtschaftskammer werden Unternehmen befragt, wie der Bedarf an Hauszustellungen vor der Krise war, wie es sich während des Lockdowns geändert hat und was aktuell bestellt wird. Weiters zeigen Haushaltsbefragungen, was die Wünsche der Kunden sind und wie schnell die Zustellung verschiedener Güter ablaufen soll.
„Wir konzentrieren uns auf vier Produktgruppen: Hygieneartikel, Lebensmittel, Büroartikel und Apotheke“, sagt Margaretha Gansterer, Vorständin des Instituts für Produktions-, Energie- und Umweltmanagement der Uni Klagenfurt.
Selbstfahrende Roboter
Die intelligenten Optimierungsverfahren der Logistiker lassen erkennen, welche Liefermengen erwartbar sind und wo man die Kapazitäten an Personal und Fahrzeugen erhöhen muss, wenn mehr
Menschen in Quarantäne gehen. „In einem zukunftsorientierten Teilaspekt werden auch Auslieferroboter berücksichtigt: Das kann für kommende Krisen relevant sein“, sagt Dörner. Die selbstfahrenden Roboter – nicht größer als ein Schäferhund – werden in den USA und in England bereits getestet und bewegen sich autonom entlang der Gehwege. Sie können die „letzte Meile“einer Zulieferkette übernehmen und erfüllen die Bedingung für kontaktlose Zustellung von Waren aller Art.
„Da in Österreich der Einsatz von Lieferdrohnen weit entfernt ist, sind Auslieferroboter eine Alternative, deren Wirkung wir berechnen“, sagt Dörner. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein, das Projekt läuft bis Februar 2022.
Die Logistik der Testungen
„Der zweite Teil des Projekts berechnet, was zu Beginn der Krise weniger akut war, aber jetzt die Hauptfrage ist: die Logistik der Testungen“, sagt Gansterer. Die Modelle in Klagenfurt und Wien speisen sich aus Daten des Simulationsexperten Niki Popper von der TU Wien und aus dem Epidemiologischen Meldesystem der österreichischen Bezirksverwaltungen. „Egal für welche Stadt oder welches Bundesland: Wir wollen logistische Entscheidungen unterstützen, damit die Kapazitäten nicht an ihre Grenzen kommen“, sagt Gansterer. Wie viel Platz und Personal muss in Teststraßen bereit stehen, wie viele Testteams müssen in welchen Routen unterwegs sein, damit jeder Verdachtsfall in 24 Stunden eine Testung bekommt und es nur weitere 24 Stunden dauert, bis ein Ergebnis da ist?
Die zeitliche Vorgabe verkompliziert die ohnehin sehr komplexe Rechenarbeit: Selbstlernende Optimierungsverfahren zeigen, welche Strategien für die jetzige Situation sinnvoll sind – und was in der Zukunft notwendig ist, um vorhergesagte Testkapazitäten zu erfüllen.
Ein Punkt sind mögliche Standorte für neue Teststraßen: Diese müssen gut erreichbar sein und es muss reichlich Platz für wartende Autos und Testzelte geben. „Wir schauen auch, ob man kleine Labors, von denen es viele gibt, in Walk-in-Teststationen verwandeln kann: Wo ist es sinnvoll, solche zu öffnen?“, sagt Dörner.
Die Entscheidung, welcher Patient für welche Testversion geeignet ist, obliegt dem Kriterienkatalog des Gesundheitssystems, den auch die Hotline 1450 nutzt. Doch eine logistische Entscheidung ist etwa, ob jemand, der fit genug ist, um zur Teststraße zu fahren, doch vom Testteam zu Hause besucht wird, weil das gut in dessen Route passt. „Unsere Modelle ziehen auch verstärktes Self-Sampling in Betracht. Doch es gibt noch keine leistbare Alternative, mit der die Bürger zu Hause selbst den Test durchführen“, sagt Gansterer.
Das große Ziel des Projekts ist, die Empfehlungen aus all den Berechnungen an die Entscheidungsträger heranzutragen. „Aber für so eine Feedback-Schleife sind unsere Ergebnisse noch nicht weit genug fortgeschritten“, sagt Dörner.