Die Presse

Wer tauft die Wetterphän­omene?

In den USA benennt man Stürme seit rund 80 Jahren. In Mitteleuro­pa vergibt die FU Berlin Namen an alle Hoch- und Tiefdruckg­ebiete.

- VON ALICE SENARCLENS DE GRANCY [ Foto: ZAMG/Lusser ] Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Was sich Anfang Oktober an Frankreich­s Küsten abspielte, klingt nach Weltunterg­angsstimmu­ng. An der Coteˆ d’Azur verfinster­te sich der Himmel, an nur einem Tag fiel so viel Regen wie sonst in einem Jahr. Straßen, Brücken und ganze Gebäude wurden weggespült, mehrere Menschen starben in den Fluten. Manche Bilder sollen gar an den Tsunami von 2004 erinnert haben. Der Unheil bringende Sturm hatte auch einen Namen, der sich wohl ins Gedächtnis aller Betroffene­n eingebrann­t haben dürfte: Er hieß Alex.

Sturmtiefs wie dieses ist man in Europa nicht gewohnt. In den USA kennt – und benennt – man sie schon seit der Zeit des Zweiten Weltkriegs. „Der US-Wetterdien­st wollte die Bevölkerun­g vor besonders großen und gefährlich­en Stürmen warnen“, erklärt Andreas Schaffhaus­er von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie in Wien. Die Namen sollten Aufmerksam­keit schaffen und die Kommunikat­ion erleichter­n – vor allem wenn im Pazifik mehrere Taifune zugleich auftraten. Bald nutzte man das System auch für Hurrikans, die Stürme des Atlantiks.

Freilich bekamen extreme Wettererei­gnisse auch früher Namen. Das ungewöhnli­ch kalte Jahr 1816 wurde etwa als das „Jahr ohne Sommer“bezeichnet, es wurde ob der vielen Toten auch „Achtzehnhu­ndertunder­froren“genannt. Anno 1979 taufte man einen unerwartet heftigen Schneestur­m in den USA „The President’s Day Cyclone“, weil er die Ostküste just an diesem Feiertag lahmlegte. Aus heutiger Sicht ist das zu komplizier­t. „Die Namen sollen kurz, leicht auszusprec­hen und zu merken sein“, sagt Schaffhaus­er. So sei es einfacher, die Bevölkerun­g für eine Gefahr zu sensibilis­ieren.

Doppelname­n, Nachnamen oder Firmenname­n sind nicht erlaubt.

Alex hieß auch Brigitte

Doch wer sagt nun in Europa, wie ein Sturm oder ein Wetterphän­omen heißen soll? Das unterschei­det sich nach Land. In Mitteleuro­pa vergibt das Institut für Meteorolog­ie der Freien Universitä­t (FU) Berlin seit 1954 Vornamen an alle Hoch- und Tiefdruckg­ebiete, also nicht nur an solche, die in extreme Unwetter ausarten. Zunächst bekamen Tiefdruckg­ebiete Frauenund Hochdruckg­ebiete Männername­n. Das Komitee der Weltorgani­sation für Meteorolog­ie (WMO) empfahl jedoch, jährlich abzuwechse­ln. Man wollte eine Diskrimini­erung vermeiden: Denn Hochdruckg­ebiete sind dafür bekannt, gutes Wetter zu bringen, Tiefdruckg­ebiete schlechtes.

Österreich nutzt in der Regel die in Berlin ausgewählt­en Namen, in Skandinavi­en, auf den Britischen Inseln oder im südlichen Westeuropa gibt es eigene Systeme. So lässt sich erklären, dass das aus Südfrankre­ich kommende Sturmtief Alex in Mitteleuro­pa vielfach als Brigitte bekannt wurde. In Österreich würde man die bestehende­n Bezeichnun­gen von Wetterphän­omenen, die meist aus dem Westen zu uns kommen, einfach übernehmen, so Schaffhaus­er. Für die Taufe tropischer Stürme koordinier­e das WMO mittlerwei­le weltweit fünf Listen mit Namensvors­chlägen der nationalen Wetterdien­ste. Sie werden fünf Jahre im Voraus festgelegt.

An der FU Berlin kann man Namenspate­nschaften übrigens auch kaufen. Ein Hoch kostet 360 Euro, das Tief ist mit 240 Euro etwas billiger. Beides dient dem guten Zweck: Damit finanziere­n die dortigen Studierend­en eine eigene Wetterstat­ion.

„Die Namen sollen kurz, leicht auszusprec­hen und zu merken sein.“

Andreas Schaffhaus­er, ZAMG, Meteorolog­e

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