Wenn das Belohnungssystem im Gehirn fehlgeleitet ist
Psychologie. Experiment ebnet Weg für neue Therapien.
„Erst brav aufessen, dann gibt’s die Nachspeise.“Ungezählt sind die Kinder, die nach einer solchen Ansage tapfer den Teller leeren. Inwiefern die Taktik pädagogisch und ernährungstechnisch wertvoll ist, sei dahingestellt. Fest steht: Das Verlangen nach Belohnung („Wollen“) und das Vergnügen nach Erhalt („Mögen“) beruhen auf teils unterschiedlichen neurochemischen Abläufen im Gehirn. Das zeigten Psychologen der Uni Wien, der Med-Uni Wien und der britischen University of Essex nun anhand eines psychopharmakologischen Experiments.
Schokomilch und Berührung
Die Aussicht auf einen attraktiven Reiz kann die Motivation also beflügeln. Das Problem: Sind Belohnungssysteme fehlgeleitet oder überschießend, kann dies u. a. zur Entwicklung von Süchten führen. Im Experiment erhielten die 131 Teilnehmer ihre Belohnung (Berührung des Unterarms oder Schokomilch) wahlweise in Kombination mit Blockern der Botenstoffe Dopamin (erzeugt Glücksgefühle) und Opioid (reduziert Schmerz- oder Stressempfinden). Durch das feste Drücken eines Kraftmessgeräts konnten sie ihre Chancen auf die angekündigte Annehmlichkeit erhöhen. Die Aktivität von Gesichtsmuskeln wurde mit Elektroden gemessen, um hedonische Reaktionen zu beobachten.
Die Forscher fanden heraus, dass das Opioidsystem sowohl beim „Wollen“als auch beim „Mögen“von Belohnungen aktiv wird. Dagegen scheint das Dopaminsystem nur zu reagieren, wenn es um das „Wollen“geht. Diese Ergebnisse können für therapeutische Interventionen genutzt werden, um Fälle von extrem starken oder schwachen Reaktionen auf Belohnungen zu behandeln.