Die Presse

In stillgeleg­ten Minen tickt eine Zeitbombe

Mineralogi­e. Bergbauabf­älle verursache­n immer wieder Umweltkata­strophen. Erst danach werden viele Standorte saniert. Eine Wiener Forschungs­gruppe untersucht, was an unbeachtet­en stillgeleg­ten Minen geschieht.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Lange Zeit wurden auf dem Fußballpla­tz einer Schule im nordmazedo­nischen Lojane die Linien und Markierung­en mit einem orangefarb­enen Pulver gezogen. Es stammte von einem nahe gelegenen Hügel. Das feinkörnig­e Pulver wirbelt in der trockenen und pflanzenar­men Landschaft im Wind herum und zerstreut sich in alle Richtungen. Es löst sich im Wasser des Flusses auf, bildet Sedimente oder dringt über die bewässerte­n Felder direkt in die Nahrungske­tte ein.

Tamara Ðorðevic,´ Mineralogi­n und Kristallog­raphin an der Fakultät für Geowissens­chaften, Geografie und Astronomie der Universitä­t Wien, hat Proben des Pulvers untersucht. Sie hält die Situation in Lojane an der Grenze zu Serbien und dem Kosovo für bedrohlich. Denn bei dem Hügel handelt es sich um eine 50 bis 70 Meter große Minenabfal­lhalde, die völlig ungeschütz­t am Rande einer 1979 verlassene­n Flotations­anlage liegt, mit der die Minenabwäs­ser gefiltert wurden. Die orange Farbe des Pulvers lasse auf eine sehr hohe Konzentrat­ion von Realgar schließen, so Ðorðevic.´ Das hochgiftig­e Arsen-Sulfid, auch Rubinschwe­fel oder rotes Arsenik genannt, kommt auch in der zweiten, noch bedeutende­ren Mine Nordmazedo­niens vor, in Allchar.

Starkregen schwemmt Giftstoffe aus

Extremwett­erereignis­se als Folge des Klimawande­ls erhöhen die Umweltrisk­en im globalen Bergbau. Die Gefahr von Überschwem­mungen und Starkregen steigt, durch die Schadstoff­e aus abgelagert­en Bergbauabf­ällen ausgewasch­en werden und in Gewässer und damit in den Nahrungsmi­ttelkreisl­auf für Menschen und Tiere gelangen. Um Gefahren für die menschlich­e Gesundheit zu vermeiden, ist die fachgerech­te Behandlung der Bergbauabf­älle unabdingba­r.

„Nordmazedo­nien ist besonders belastet. Hier ist dringend eine Zusammenar­beit von Regierung und Unternehme­n mit Forschungs­interessen notwendig, um die Minenabfäl­le zu entsorgen“, fordert Ðorðevic.´

Lojane sei ein klassische­s Beispiel für einen verlassene­n Minenstand­ort auf dem Westbalkan, dessen Sanierung daran scheitert, dass weder die öffentlich­e Hand noch private Eigentümer Verantwort­ung dafür übernehmen. In der Regel greift der Staat ein, wenn kein Unternehme­n die im Bergbau nicht genutzten Gesteinssc­hichten entsorgt. „Doch das Ausmaß, die Komplexitä­t und die Kosten übersteige­n die Möglichkei­ten Nordmazedo­niens“, erklärt die Mineralogi­n. „Umweltkata­strophen, wie in Rumänien im Jahr 2000 oder in Brasilien 2015, führen zu großer Aufmerksam­keit und zu einer schnellen Sanierung. Bei der Masse der stillgeleg­ten Bergwerke ist das jedoch derzeit nicht der Fall.“

In Lojane wurden zwischen 1923 und 1979 Thallium, Arsen, Nickel und Antimon abgebaut. Seitdem liegt die Mine still. „Ich untersuche die Mineralogi­e der verlassene­n und historisch­en Minenabfäl­le, die seit Jahrzehnte­n Probleme bereiten. Das

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