Viel Luft nach oben
Holzbau. Gebäude aus Holz fallen im städtischen Bereich nach wie vor eher in die Kategorie Pilotprojekte. Dabei hat das Material auch bei der Nachverdichtung durchaus seine Berechtigung.
Mit dem Ilse-WallentinHaus der Universität für Bodenkultur – das Seminargebäude wurde kürzlich eröffnet – ist die Liste der Holzbauten in Wien wieder um ein Projekt länger geworden. Doch auch wenn die öffentliche Hand immer öfter auf den Werkstoff Holz setzt, ist dieser noch lange nicht im städtischen Bereich angekommen. Österreichweit liegt, bezogen auf die gesamten errichteten Nutzflächen im Gebäudesektor, der Holzbauanteil nach Angaben von proHolz Austria bei 24 Prozent. „Da ist sicherlich noch Luft nach oben“, sagt Christoph Falkner, Partner des Architekturbüros SWAP, das gemeinsam mit Delta Projekte für die Architektur und Generalplanung des Ilse-Wallentin-Hauses verantwortlich zeichnet. Derzeit komme der Holzbau vor allem bei eiligen Bauvorhaben, wie Schulbauten der Stadt Wien oder aus statischen Gründen bei Aufstockungen zum Einsatz, weiß Falkner.
Dachausbauten in Serie
In diesen Bereichen, vor allem im öffentlichen Bau, aber auch im Bereich mehrgeschoßiger Wohnbauten, liegen proHolz zufolge die größten Potenziale. Allein die von 1950 bis 1970 errichteten Gemeindebauten würden der Studie Attic Adapt 2020 von Boku Wien und alpS GmbH durch Erweiterungen um ein oder zwei Geschoße nach oben die Möglichkeit von bis zu 7600 neuen Wohnungen bieten (siehe auch Kasten).
Mit ihren schlichten Baukörpern, einheitlichen Grundrissen und der geringen Bebauungsdichte von damals bringen diese Gebäude, weil weitgehend identisch, ideale Voraussetzungen für Aufstockungen mit sich. „Das Potenzial der Gemeindebauten der Nachkriegszeit zu nutzen ist Teil der Strategie der Stadt Wien zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum. Wir sind an systemhaften Lösungen, die auf viele dieser Gebäude übertragbar sind, interessiert“, so Andreas Meinhold von der Wiener Standortentwicklung.
Die Pluspunkte des Holzbaus liegen auf der Hand: „Das geringe Gewicht von Holz bringt statische Vorteile. Der hohe Vorfertigungsgrad im Holzbau ermöglicht schnelles und störungsarmes Bauen – ein besonders wichtiger Faktor bei Bautätigkeiten an bereits bewohnten Gebäuden. Nicht zuletzt trägt Holz als nachwachsendes und CO2-bindendes Baumaterial zum Klimaschutz und zur Dekarbonisierung der Städte bei“, sagt Richard Stralz, Obmann von proHolz Austria.
Dass sich Holzbau vor allem im mehrgeschoßigen Bereich bisher nicht stärker durchgesetzt hat, ist auf verschiedene Gründe – und Ressentiments – zurückzuführen, die in anderen Ländern kaum eine Rolle spielen. „An der Holzbauweise haften immer noch Klischees von Rustikalität und einer ländlichen, traditionellen Bauweise.
Hier liegt die zentrale Herausforderung für Architekten und Planer, über Neuinterpretationen und eine urbane Form für Holzbauten nachzudenken“, sagt Falkner.
Planung mit System
Maximilian Rudolf Luger vom Welser Architekturbüro Luger & Maul nimmt aber auch die Bauträger in die Pflicht: „Sie haben nach wie vor Berührungsängste, weil Holzbau planungsintensiver ist als der klassische Massivbau und nicht nach einem Standardleistungsbuch ausgeschrieben werden kann“, kritisiert er. So würde dieser beispielsweise bei Wand- und Deckenkonstruktionen weit mehr Möglichkeiten bieten als der klassische Massivbau. „Das erfordert mehr Überlegung. Gleiches gilt für die Zugangsparameter zur Baustelle. Ich muss schon im Vorfeld wissen, wie oft man mit den Teilen um die Ecke fahren muss“, erläutert Luger.