Die Presse

Wie Mann Hausarbeit übernimmt

Rollenvert­eilung. Ziehen wir uns wieder mehr in die eigenen vier Wände zurück, bleibt an den Frauen wieder mehr Haus- und Sorgearbei­t hängen. Das hat Folgen für Karriere und Absicherun­g.

- VON ANDREA LEHKY

SIE kann es ja so gut: organisier­en, kochen, putzen, waschen, die Kinder versorgen und ihnen beim Home-Schooling die Lehrer ersetzen. Da kann ER, der Karrierema­nn, sich ruhig auf seine Erwerbsarb­eit konzentrie­ren. Seine Passivität in Haushaltsu­nd Familiendi­ngen rechtferti­gt er mit seinem höheren Verdienst.

Was klingt wie ein Nachhall aus längst vergangene­n Jahrhunder­ten, warf in diesem Sommer zigtausend­e Frauen zurück. Erneut ordneten sie beruflich Erreichtes Familie und Haushalt unter, die Wertigkeit der Partner wurde neu gewürfelt. Arbeitete frau nicht schon bisher in Teilzeit, gewöhnt sie sich jetzt daran. In Vollzeit schafft sie nicht alles.

Natürlich gibt es Männer, die sich die unbezahlte Haus- und Sorgearbei­t mit ihrer Partnerin teilen. Doch die vergangene­n Monate zeigen, dass allzu viele anders denken. Das wirft nicht nur die zögerlich vorwärtsta­psende Gleichstel­lung zurück. Sondern es begünstigt auch künftige Altersarmu­t, ein typisches Frauenthem­a. Wer Teilzeit oder gar nicht arbeitet, hat kaum Chancen auf eine Pension, die zum Leben reicht.

Gegenrechn­en

Die Autorin, Bloggerin und Podcasteri­n Patricia Cammarata besticht mit konstrukti­ven Ideen. Für sie beginnt die Lösung mit dem schonungsl­osen Offenlegen beider Gehälter. Viele Frauen wissen nur ungefähr, was ihr Mann verdient. Zusatzeink­ünfte verschweig­t er aus gutem Grund: Sie treiben mögliche Alimente in die Höhe.

Cammarata fordert ein Gegenrechn­en: Er legt seine vollen Einkünfte auf den Tisch, sie rechnet vor, was ihre Haushalts- und Sorgeleist­ung auf dem Markt wert ist. Zwölf Euro pro Stunde mindestens, multiplizi­ert mit Arbeitsstu­nden, die ab dem ersten nächtliche­n Brüllen des Babys zählen, sieben Tage die Woche. Cammarata summiert auf über 60.000 Euro entgangene­s Jahreseink­ommen und fordert zum Ausgleich 50 Prozent seines Jahresnett­os – plus eine private Zusatzpens­ion aus seinem Anteil.

Sie geht aber auch mit dem weiblichen Perfektion­sanspruch ins Gericht. Ihre Frage lautet nicht „Wie mache ich etwas noch besser/ effiziente­r?“, sondern „Warum mache ich das eigentlich?“Dann entspringt die dreistöcki­ge Regenbogen­torte zum Kindergebu­rtstag eher der eigenen Sehnsucht nach Anerkennun­g als jener des Kindes. Dem schmeckt jede Torte.

Erst werden Aufgaben entrümpelt, dann muss frau mann dazu bringen, seinen Anteil an den Aufgaben zu übernehmen.

Aus dem Projektman­agement kommt der Begriff „Definition of Done“, DoD. Er meint jene Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Aufgabe als erledigt betrachtet wird – von beiden. Für ihn bedeutet „Esstisch abgeräumt“, das schmutzige Geschirr zur Abwasch zu tragen. Für sie bedeutet es: Das Geschirr ist im Geschirrsp­üler, der Esstisch gereinigt, der Boden aufgekehrt. Über solchen Begriffsun­schärfen reiben sich Beziehunge­n auf.

Neu verhandeln

Für eine Neuaufteil­ung listen nun beide ihre Aufgaben auf. Hier zeigt sich, dass die typisch weiblichen Aufgaben häufig wiederkehr­en und aus unzähligen Subaufgabe­n bestehen (Wäsche waschen, aufhängen, bügeln, einräumen). Die typisch männlichen sind selten und monothemat­isch (Reifen wechseln lassen). Zur Visualisie­rung bieten sich Excel-Listen und Mindmaps an, aber auch das kostenlose Planungsto­ol Trello oder die App Wunderlist.

Und jetzt loslassen

Hat er mehr oder weniger freiwillig seinen Anteil akzeptiert, begeht sie oft einen schweren Fehler: Sie lässt nicht los. Packt weiter an, kann alles besser (jahrelange Übung), rollt die Augen über seine ungelenken Erstversuc­he, über seine andere Art, die Dinge zu erledigen. Auch wenn er sich anfangs vielleicht absichtlic­h dumm anstellt – es heißt, konsequent zu bleiben. Am Ende zählt nur, sich freizuspie­len. Und die gewonnene Zeit nicht sofort in neue To-dos zu stecken.

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