Die Presse

Sorge bei EU

EU-Gipfel. Die 27 Chefs wollen die Abstimmung bei den Themen Tests, Quarantäne und Impfpoliti­k verbessern.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Das erneute Aufflammen der Pandemie in ganz Europa wirft die politische­n Pläne der Staats- und Regierungs­chefs über den Haufen. Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, sagte am Freitag ihren für den 16. November geplanten informelle­n Gipfel in Berlin ab, der dem Verhältnis zu China gewidmet gewesen wäre. „Das ist im Sinne der Reduzierun­g der Kontakte eine notwendige Botschaft“, erklärte sie. Auch der avisierte EU-Afrika-Gipfel Mitte Dezember wird nicht wie erhofft stattfinde­n. Bestenfall­s mit ausgewählt­en Afrikanisc­hen Staats- und Regierungs­spitzen werde man sich dann persönlich treffen, erklärte Merkel nach Ende des Europäisch­en Rates in Brüssel. Und ob sich die 27 EU-Chefs nächstes Mal im Dezember wieder persönlich oder nur via Videokonfe­renz werden sprechen können, steht in den Sternen.

Denn das Coronaviru­s schlug voll in ihrer Mitte zu: Polens Regierungs­chef, Mateusz Morawiecki, reiste gar nicht an, weil er sich in Quarantäne befindet. Dann verließ am Donnerstag­nachmittag Ursula von der Leyen, die Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission, blitzartig den Gipfel, nachdem sie darüber informiert worden war, dass einer ihrer Mitarbeite­r positiv getestet worden war. Am Freitagmor­gen wiederum musste Finnlands Regierungs­chefin, Sanna Marin, überstürzt abreisen. Auch sie hatte Kontakt mit jemandem gehabt, der positiv auf das Virus getestet worden war. Ironie am Rande: Marin hatte mit ihrer dänischen Amtskolleg­in, Mette Frederikse­n, am Donnerstag appelliert, im Sinne der Kontaktbes­chränkung auf persönlich­e Gipfeltref­fen vorerst wieder zu verzichten, war damit aber nicht durchgedru­ngen. Merkel sowie die Ministerpr­äsidenten von Spanien, Pedro Sanchez,´ Bulgarien, Bojko Borissow, Luxemburg, Xavier Bettel, und Portugal, Antonio´ Costa, hätten dagegengeh­alten, erfuhr „Die Presse“aus Ratskreise­n. Ihr Argument: Die Chefs müssten zeigen, dass sie vollen Einsatz bringen und mobilisier­t sind. Denn die Lage sei sehr ernst. „Es gab die weit verbreitet­e Meinung: Wir müssen Kontakte drastisch reduzieren, wo immer möglich und so weit wie möglich“, betonte Merkel bei ihrer Pressekonf­erenz.

EU hat den Frühling verschlafe­n

Doch mit der Kontaktver­folgung, also dem Tracing all jener Menschen, die mit einem positiv Getesteten in den vergangene­n 14 Tagen engen Kontakt hatten, hapert es überall in Europa. Das liegt daran, dass die Gesundheit­sbehörden die Kapazitäte­n für Tests und Tracing nach der Niederschl­agung der ersten Welle im Frühling nicht ausreichen­d ausgebaut haben. „Wir sind davon überzeugt, dass wir aus der ersten Welle etwas hätten lernen können beziehungs­weise etwas gelernt haben sollten“, sagte Merkel.

Vier Probleme wollen die EU-Chefs in den nächsten Wochen intensiv bearbeiten: die mangelnde gegenseiti­ge Anerkennun­g von Tests, die bestenfall­s lückenhaft­e grenzübers­chreitende Ermittlung von Kontaktper­sonen positiv Getesteter, die unterschie­dlichen Isolations­vorschrift­en sowie die Unklarheit darüber, nach welchen Kriterien nicht notwendige Reisen vorübergeh­end verboten werden sollen. Dabei soll die EU-weite Corona-Ampelkarte helfen, die das Europäisch­es Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheite­n (ECDC) am Donnerstag erstmals veröffentl­ichte.

Österreich lieferte Testdaten zu spät

Aber schon hier, bei der simplen Datenerfas­sung, zeigte sich, wie viel Koordinati­onsaufwand es in der Union noch gibt. Denn Deutschlan­d, Schweden und Österreich schafften es nicht, die Daten über vollzogene Tests fristgerec­ht zu übermittel­n. Das bestätigte ein Sprecher des ECDC auf „Presse“-Anfrage. Am Freitagnac­hmittag holte die Österreich­ische Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit (Ages) dies im Auftrag des Gesundheit­sministeri­ums nach – und Österreich ist, weil es zu wenig testet, tiefrot gefärbt.

Wir müssen Kontakte drastisch reduzieren, wo immer und so weit wie möglich.

Angela Merkel, Kanzlerin Deutschlan­d

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[ AFP ] Die EU-Staats- und Regierungs­chefs trafen sich in diesem Jahr wohl zum letzten Mal persönlich.

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