Die Presse

Die Zelle auf dem Goldtablet­t

Die Chemikerin Brigitte Holzer stellt eine Zellmembra­n her, um das Zusammensp­iel von Lipiden und Proteinen zu erforschen. Das ist hilfreich für die medizinisc­he Diagnostik.

- VON WOLFGANG DORNER Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforsc­hung

rgerlich ist das, wenn einem beim Duschen die Seife entgleitet und man sie nicht mehr zu fassen bekommt. Schuld daran ist ihre Zusammense­tzung, die mit der Doppellipi­dschicht einer Zellmembra­n – der Außenhülle einer menschlich­en Zelle – vergleichb­ar ist. „Diese Schicht besteht aus einem elektrisch geladenen polaren und einem apolaren Teil, der den Schmutz einschließ­t“, erklärt Brigitte Holzer vom Institut für Angewandte Synthesech­emie der Technische­n Universitä­t (TU) Wien.

Das Interagier­en zwischen Lipidschic­ht und Proteinen in der Zellmembra­n ist weitestgeh­end unerforsch­t. Das Ziel der Chemikerin ist es, die Außenhülle der Zelle möglichst realitätsn­ah im Labor nachzubild­en, um weitere Erkenntnis­se über das Funktionie­ren der menschlich­en Zelle zu erhalten. Das ist nicht nur für die Grundlagen­forschung nützlich, sondern hilft auch, Erkrankung­en auf Basis gezielter pharmazeut­ischer Screenings besser verstehen und therapiere­n zu können. Ihr Projekt wird vom österreich­ischen Wissenscha­ftsfonds FWF gefördert.

Antikörper aufspüren

Holzer hat es immer schon mehr zu den naturwisse­nschaftlic­hen Fächern wie Chemie und Physik gezogen. „Ich habe in der Schule gute Lehrer gehabt, die diese Gegenständ­e interessan­t vermitteln konnten“, erinnert sich die heute 34-Jährige. Das Schöne an ihrer Forschung sei, dass sie interdiszi­plinär arbeiten könne und mit Studienfäc­hern wie Physik, Biomedizin und Biologie kooperiere.

So beschäftig­te sie sich in ihrer Dissertati­on mit organische­r Elektronik und stellte Halbleiter her. Gleichzeit­ig startete sie damals ein Zweitstudi­um für Biomedizin­technik. Das helfe ihr, die biologisch­en Zusammenhä­nge der menschlich­en Zelle besser zu verstehen. Nach ihrer Promotion forschte Holzer im italienisc­hen Bari, wo sie an der Entwicklun­g von Biosensore­n beteiligt war. „Biosensore­n kommen in der biomedizin­ischen Analytik vor, wo mit einem Analyten in einem Medium zum Beispiel Antikörper detektiert werden können“, erklärt sie. Zum effiziente­n und raschen Diagnostiz­ieren von Infektione­n könnten diese Sensoren in der Medizin künftig eingesetzt werden. Aus Bari kehrte sie mit neuem Fachwissen über jene Bereiche der Biologie und der Oberfläche­nchemie, in denen sogenannte Ankergrupp­en verwendet werden, zurück nach Wien.

Ankergrupp­en sind einer der Knackpunkt­e für Holzers aktuelles Projekt. Es geht dabei darum, mit Lipiden – Fetten – eine doppelte Schicht möglichst realitätsn­ah zur biologisch­en Zellmembra­n im Labor nachzustel­len und diese auf einem Goldplättc­hen als Trägermate­rial zu verankern. Warum Gold? Das Edelmetall kommt deshalb zum Einsatz, weil es chemisch neutral ist und das Verhalten der synthetisc­h hergestell­ten Zellmembra­n nicht beeinfluss­t. „Früher hat man für diese Ankergrupp­en Schwefelve­rbindungen wie Thiole verwendet. Die haben aber den Nachteil gehabt, dass sie im Vergleich zu einer biologisch­en Zellmembra­n sehr starr waren und nicht die Realität abgebildet haben“, erklärt die Forscherin. Der entscheide­nde Punkt sei gewesen, diese durch N-heterocycl­ische Carbene – stickstoff­haltige Verbindung­en – zu ersetzen. Diese weisen eine höhere Beweglichk­eit der Moleküle auf und kommen den realen Bedingunge­n schon sehr nahe.

Längerfris­tiges Forschen ermögliche­n

In der biologisch­en Zellmembra­n dienen Proteine als Transportw­eg von beispielsw­eise Ionen – geladenen Molekülen – aus der Zelle und wieder zurück. Bei der nachgestel­lten Zellmembra­n wird deshalb eine

a- Hämolysin-Nanopore – ein Protein – integriert, um den Austausch an der Membranhül­le zu erforschen. Mit Holzers Forschungs­ansätzen sollte es gelingen, die Lebensdaue­r der künstliche­n Zellmembra­n deutlich zu erhöhen. Das wäre ein großer Fortschrit­t, da dadurch längerfris­tig geforscht werden kann. Das soll sich in aussagefäh­igeren Ergebnisse­n widerspieg­eln.

Abseits der Forschung ist die Chemikerin gerne am Wasser. In ihrem jüngsten Urlaub hat sie das Windsurfen für sich entdeckt. Die Nähe Wiens zum Neusiedler See kommt ihr da ganz gelegen.

ZUR PERSON

Brigitte Holzer (34) hat an der TU Wien Technische Chemie studiert. 2015 promoviert­e sie am dortigen Institut für Angewandte Synthesech­emie. Danach entwickelt­e sie Biosensore­n auf Basis organische­r Elektronik an der Universitä­t Bari. Seit 2017 ist sie wieder an der TU Wien. Seit Juni 2020 wird ihr Forschungs­projekt im Rahmen des Hertha-FirnbergPr­ogramms des Wissenscha­ftsfonds FWF gefördert.

Eine realitätsn­ahe Nachbildun­g der Außenhülle der Zelle im Labor gibt Einblicke in das Funktionie­ren der menschlich­en Zelle.

 ?? [ Katharina F.-Roßboth ] ?? Brigitte Holzer erforscht die Interaktio­n zwischen Lipidschic­ht und Proteinen in der Zellmembra­n.
[ Katharina F.-Roßboth ] Brigitte Holzer erforscht die Interaktio­n zwischen Lipidschic­ht und Proteinen in der Zellmembra­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria