Bankaktien als Chance für Mutige
Geldanlage. Die Berichtssaison für das dritte Quartal ist angelaufen, für mutige Investoren tut sich gerade bei Bankaktien eine Gelegenheit auf. Doch verweisen selbst die Firmenchefs auf die große politische Gefahr. Wie soll man handeln?
Die Berichtssaison für das dritte Quartal ist angelaufen: US-Firmenchefs warnen vor der politischen Gefahr.
New York. Jerome Powell und Jamie Dimon sind vermutlich die beiden wichtigsten Männer der US-Finanzindustrie. Powell gibt als Chef der Notenbank Fed der Weltwirtschaft die Richtung vor. Wenn der 67-Jährige spricht, hält die Hochfinanz den Atem an. Dimon wiederum ist seit 15 Jahren Chef von JP Morgan, der größten US-Bank. Niemand kennt die Wall Street besser als der in New York geborene Dimon. Als die Finanzwelt 2008 am Rande des Abgrunds stand, war er einer der wichtigsten Einflüsterer des damaligen Notenbankchefs, Ben Bernanke.
Verbale Offensive
In der Regel hüten sich die Ikonen der Finanzszene davor, politische Statements abzugeben. Umso bemerkenswerter sind die zuletzt getätigten Aussagen von Powell und Dimon. Wenn sich die Politik nicht zeitnah auf ein weiteres Konjunkturpaket einige, würde das „unnötiges Leid“für die USA und seine Bevölkerung bringen, erklärte Powell Anfang Oktober. Vergangene Woche blies auch Dimon ins selbe Horn: Es gebe derzeit „enorm viel Unsicherheit“, weil sich Washington auf keinen Stimulus für die angeschlagene Wirtschaft einigen könne, sagte Dimon im Zuge der Bilanzpräsentation seiner Bank. Alles hänge momentan von „einem guten, ordentlich konstruierten Stimuluspaket ab“.
Die Berichtssaison für das dritte Quartal ist in den USA angelaufen, und Investoren weltweit achten auf die präsentierten Details. Als Erstes sind traditionell die Banken dran, die größten Institute haben vergangene Woche durchaus ermutigende Gewinnzahlen veröffentlicht. Vor dem Hintergrund der Pandemie und den damit verbundenen Einbrüchen ergeben sich für mutige Investoren also exzellente Chancen zum Einstieg. Freilich müssen dabei die Worte von Powell und Dimon stets im Hinterkopf behalten werden. Das politische Risiko ist zwei Wochen vor der US-Wahl enorm, kurz- bis mittelfristig kann es zu großen Schwankungen kommen.
Die US-Institute vermeldeten beachtliche Gewinne für die drei Monate von Juli bis September, jene von JP Morgan und Morgan Stanley stiegen zum Vergleichsquartal des Vorjahres trotz der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg sogar an. Citigroup und Bank of America verbuchten geringe Profite. Die Rückgänge waren jedoch zum großen Teil Rückstellungen und Einmalbelastungen geschuldet. Citigroup hat von den Behörden kürzlich eine Strafe von 400 Millionen Dollar wegen Fehler im Risikomanagement aufgebrummt bekommen und muss nun Milliarden in ein verbessertes System investieren. Für die Aktie setzte es heuer heftige Kursverluste, seit Jahresanfang beläuft sich das Minus auf fast 50 Prozent. Wer auf Einzeltitel setzt und ruhig schlafen will, sollte zumindest vorläufig eher die Finger von Citigroup lassen.
Buffett bleibt standhaft
Die anderen Finanzriesen sind allesamt eine Überlegung wert, sofern der Horizont entsprechend langfristig ist. JP Morgan liegt knapp ein Drittel unter dem Wert zu Jahresbeginn, der Gewinn im dritten Quartal übertraf gleichzeitig den Vorjahreswert. Außerdem hat das Institut gut vorgesorgt, falls es im Zuge der Wirtschaftskrise Kredite abschreiben muss. In Zahlen: Die Rückstellungen belaufen sich auf 34 Milliarden Dollar, die Abschreibungen im dritten Quartal auf 1,18 Milliarden Dollar. Dimon verwies darauf, dass nach derzeitigem
Stand nicht alle Rückstellungen gebraucht würden – sofern das Coronavirus zurückgedrängt wird und sich die Regierung in Washington zeitnah auf ein Konjunkturpaket einige.
Wer es mit Warren Buffett halten will, kann wiederum ein Auge auf die Bank of America werfen. Der Starinvestor erhöhte seinen Anteil inmitten der Pandemie und hält zwölf Prozent an der Bank. Tatsächlich sind die Zahlen verlockend. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis steht bei zehn, für ein profitables Unternehmen mit einem soliden Geschäftsmodell ein niedriger Wert. Der Börsenwert liegt unter dem Buchwert des Instituts. Soll heißen: Würde die Bank of America heute liquidiert werden, erhielten Anleger voraussichtlich mehr Geld als den aktuellen Aktienkurs. Wer jetzt zukauft und das Papier ausreichend lang hält, hat gute Chancen, gemeinsam mit Buffett daran zu verdienen.
Vorboten auf ihre Art
Es ist interessant: Die Zahlen der Finanzinstitute gelten als Vorboten für die breitere Wirtschaft. Geht es den Banken gut, kann die Lage da draußen nicht ganz so schlimm sein, sonst wären die abgeschriebenen Kredite höher – so das Argument in der Theorie. Analysten verwendeten auch in der Tat die positiven Zahlen der Banken, um die breiteren Kursgewinne der vergangenen zwei Wochen zu erklären. Gleichzeitig konnten die Institute im Schnitt mit dem Gesamtmarkt nicht mithalten, weshalb die Bewertungen günstig blieben.
Besonders groß ist die Diskrepanz, wenn man bis zum Jahresanfang zurückblickt. Während der S&P 500 Index vergangene Woche sechs Prozent im Plus notierte, liegt der KBW Nasdaq Bank Index im Vergleich zu Anfang 2020 in etwa ein Drittel im Minus. Dafür verantwortlich sind Senkungen der Fed und die Aussicht darauf, dass die Notenbank die Zinsen wohl noch jahrelang niedrig halten wird. Es sind nun mal die Banken, die besonders unter einem niedrigen Leitzins leiden, weil die Nettozinsspanne – vereinfacht ausgedrückt ist das die Differenz zwischen Kredit- und Sparzinsen – kleiner wird. Es sind aber oftmals auch die Banken, deren Aktienkurse bei den ersten Anzeichen von anstehenden Zinserhöhungen in die Höhe schießen.
Tipps mit Vorsicht
Wer also jetzt beispielsweise einen Indexfonds auf den KBW Nasdaq Bank Index kauft, hofft entweder auf eine unerwartet schnelle Wirtschaftserholung und darauf, dass die Fed vielleicht doch schon 2022 höhere Zinsen ins Auge fassen wird. Investoren, die lieber langfristig planen – und das sollte jeder bodenständige Kleinanleger tun –, sollten damit kalkulieren, den Fonds fünf Jahre oder länger zu halten. Ausgeschlossen ist nichts, doch ist es unwahrscheinlich, dass die Zinsen auch gegen Ende des Jahrzehnts weiterhin bei null liegen werden.
Natürlich sind momentan alle Tipps mit Vorsicht zu genießen, eben wegen des politischen Risikos. Wer auf Nummer sicher geht, kann bis nach der US-Wahl zuwarten. Bis dahin haben Anleger auch ein besseres Bild zur Gesamtwirtschaft, weil in den nächsten Wochen die meisten anderen US-Firmen ihre Gewinnzahlen präsentieren werden. Allerdings: Wer zu langsam ist, läuft auch Gefahr, eine zwischenzeitliche Rallye zu verpassen, falls sich die Politik doch noch vor dem 3. November auf eine weitere Konjunkturspritze einigt.