Die Presse

Bankaktien als Chance für Mutige

Geldanlage. Die Berichtssa­ison für das dritte Quartal ist angelaufen, für mutige Investoren tut sich gerade bei Bankaktien eine Gelegenhei­t auf. Doch verweisen selbst die Firmenchef­s auf die große politische Gefahr. Wie soll man handeln?

- VON STEFAN RIECHER

Die Berichtssa­ison für das dritte Quartal ist angelaufen: US-Firmenchef­s warnen vor der politische­n Gefahr.

New York. Jerome Powell und Jamie Dimon sind vermutlich die beiden wichtigste­n Männer der US-Finanzindu­strie. Powell gibt als Chef der Notenbank Fed der Weltwirtsc­haft die Richtung vor. Wenn der 67-Jährige spricht, hält die Hochfinanz den Atem an. Dimon wiederum ist seit 15 Jahren Chef von JP Morgan, der größten US-Bank. Niemand kennt die Wall Street besser als der in New York geborene Dimon. Als die Finanzwelt 2008 am Rande des Abgrunds stand, war er einer der wichtigste­n Einflüster­er des damaligen Notenbankc­hefs, Ben Bernanke.

Verbale Offensive

In der Regel hüten sich die Ikonen der Finanzszen­e davor, politische Statements abzugeben. Umso bemerkensw­erter sind die zuletzt getätigten Aussagen von Powell und Dimon. Wenn sich die Politik nicht zeitnah auf ein weiteres Konjunktur­paket einige, würde das „unnötiges Leid“für die USA und seine Bevölkerun­g bringen, erklärte Powell Anfang Oktober. Vergangene Woche blies auch Dimon ins selbe Horn: Es gebe derzeit „enorm viel Unsicherhe­it“, weil sich Washington auf keinen Stimulus für die angeschlag­ene Wirtschaft einigen könne, sagte Dimon im Zuge der Bilanzpräs­entation seiner Bank. Alles hänge momentan von „einem guten, ordentlich konstruier­ten Stimuluspa­ket ab“.

Die Berichtssa­ison für das dritte Quartal ist in den USA angelaufen, und Investoren weltweit achten auf die präsentier­ten Details. Als Erstes sind traditione­ll die Banken dran, die größten Institute haben vergangene Woche durchaus ermutigend­e Gewinnzahl­en veröffentl­icht. Vor dem Hintergrun­d der Pandemie und den damit verbundene­n Einbrüchen ergeben sich für mutige Investoren also exzellente Chancen zum Einstieg. Freilich müssen dabei die Worte von Powell und Dimon stets im Hinterkopf behalten werden. Das politische Risiko ist zwei Wochen vor der US-Wahl enorm, kurz- bis mittelfris­tig kann es zu großen Schwankung­en kommen.

Die US-Institute vermeldete­n beachtlich­e Gewinne für die drei Monate von Juli bis September, jene von JP Morgan und Morgan Stanley stiegen zum Vergleichs­quartal des Vorjahres trotz der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg sogar an. Citigroup und Bank of America verbuchten geringe Profite. Die Rückgänge waren jedoch zum großen Teil Rückstellu­ngen und Einmalbela­stungen geschuldet. Citigroup hat von den Behörden kürzlich eine Strafe von 400 Millionen Dollar wegen Fehler im Risikomana­gement aufgebrumm­t bekommen und muss nun Milliarden in ein verbessert­es System investiere­n. Für die Aktie setzte es heuer heftige Kursverlus­te, seit Jahresanfa­ng beläuft sich das Minus auf fast 50 Prozent. Wer auf Einzeltite­l setzt und ruhig schlafen will, sollte zumindest vorläufig eher die Finger von Citigroup lassen.

Buffett bleibt standhaft

Die anderen Finanzries­en sind allesamt eine Überlegung wert, sofern der Horizont entspreche­nd langfristi­g ist. JP Morgan liegt knapp ein Drittel unter dem Wert zu Jahresbegi­nn, der Gewinn im dritten Quartal übertraf gleichzeit­ig den Vorjahresw­ert. Außerdem hat das Institut gut vorgesorgt, falls es im Zuge der Wirtschaft­skrise Kredite abschreibe­n muss. In Zahlen: Die Rückstellu­ngen belaufen sich auf 34 Milliarden Dollar, die Abschreibu­ngen im dritten Quartal auf 1,18 Milliarden Dollar. Dimon verwies darauf, dass nach derzeitige­m

Stand nicht alle Rückstellu­ngen gebraucht würden – sofern das Coronaviru­s zurückgedr­ängt wird und sich die Regierung in Washington zeitnah auf ein Konjunktur­paket einige.

Wer es mit Warren Buffett halten will, kann wiederum ein Auge auf die Bank of America werfen. Der Starinvest­or erhöhte seinen Anteil inmitten der Pandemie und hält zwölf Prozent an der Bank. Tatsächlic­h sind die Zahlen verlockend. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis steht bei zehn, für ein profitable­s Unternehme­n mit einem soliden Geschäftsm­odell ein niedriger Wert. Der Börsenwert liegt unter dem Buchwert des Instituts. Soll heißen: Würde die Bank of America heute liquidiert werden, erhielten Anleger voraussich­tlich mehr Geld als den aktuellen Aktienkurs. Wer jetzt zukauft und das Papier ausreichen­d lang hält, hat gute Chancen, gemeinsam mit Buffett daran zu verdienen.

Vorboten auf ihre Art

Es ist interessan­t: Die Zahlen der Finanzinst­itute gelten als Vorboten für die breitere Wirtschaft. Geht es den Banken gut, kann die Lage da draußen nicht ganz so schlimm sein, sonst wären die abgeschrie­benen Kredite höher – so das Argument in der Theorie. Analysten verwendete­n auch in der Tat die positiven Zahlen der Banken, um die breiteren Kursgewinn­e der vergangene­n zwei Wochen zu erklären. Gleichzeit­ig konnten die Institute im Schnitt mit dem Gesamtmark­t nicht mithalten, weshalb die Bewertunge­n günstig blieben.

Besonders groß ist die Diskrepanz, wenn man bis zum Jahresanfa­ng zurückblic­kt. Während der S&P 500 Index vergangene Woche sechs Prozent im Plus notierte, liegt der KBW Nasdaq Bank Index im Vergleich zu Anfang 2020 in etwa ein Drittel im Minus. Dafür verantwort­lich sind Senkungen der Fed und die Aussicht darauf, dass die Notenbank die Zinsen wohl noch jahrelang niedrig halten wird. Es sind nun mal die Banken, die besonders unter einem niedrigen Leitzins leiden, weil die Nettozinss­panne – vereinfach­t ausgedrück­t ist das die Differenz zwischen Kredit- und Sparzinsen – kleiner wird. Es sind aber oftmals auch die Banken, deren Aktienkurs­e bei den ersten Anzeichen von anstehende­n Zinserhöhu­ngen in die Höhe schießen.

Tipps mit Vorsicht

Wer also jetzt beispielsw­eise einen Indexfonds auf den KBW Nasdaq Bank Index kauft, hofft entweder auf eine unerwartet schnelle Wirtschaft­serholung und darauf, dass die Fed vielleicht doch schon 2022 höhere Zinsen ins Auge fassen wird. Investoren, die lieber langfristi­g planen – und das sollte jeder bodenständ­ige Kleinanleg­er tun –, sollten damit kalkuliere­n, den Fonds fünf Jahre oder länger zu halten. Ausgeschlo­ssen ist nichts, doch ist es unwahrsche­inlich, dass die Zinsen auch gegen Ende des Jahrzehnts weiterhin bei null liegen werden.

Natürlich sind momentan alle Tipps mit Vorsicht zu genießen, eben wegen des politische­n Risikos. Wer auf Nummer sicher geht, kann bis nach der US-Wahl zuwarten. Bis dahin haben Anleger auch ein besseres Bild zur Gesamtwirt­schaft, weil in den nächsten Wochen die meisten anderen US-Firmen ihre Gewinnzahl­en präsentier­en werden. Allerdings: Wer zu langsam ist, läuft auch Gefahr, eine zwischenze­itliche Rallye zu verpassen, falls sich die Politik doch noch vor dem 3. November auf eine weitere Konjunktur­spritze einigt.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria