ÖSV-Debakel ist komplett
Ski alpin. Zwei Rennen, zwei historisch schlechte ÖSV-Ergebnisse: Der Saisonauftakt in Sölden offenbart, wie erstaunlich weit sich Österreich im Riesentorlauf von der Weltklasse entfernt hat.
Auch die Herren landeten in Sölden unter „ferner liefen“.
Der Zustand des österreichischen Skisports lässt sich durchaus schon am traditionellen Auftaktrennen in Sölden ablesen. Hier haben Hermann Maier, Stephan Eberharter, Marcel Hirscher und Anna Veith mit Riesentorlaufsiegen ihre winterlichen Beutezüge gestartet und historische Saisonen der rot-weiß-roten Skigeschichte eingeleitet.
Inzwischen setzt es in Sölden ein ÖSV-Debakel nach dem anderen. Dass Österreichs Herren einen Tag nach dem schlechtesten Resultat des heimischen Damenteams in der 27-jährigen Historie der Gletscherrennen noch die Kastanien aus dem Feuer holen, diese Chance ist ohnehin gering gewesen. Und so stand am Ende des Rennwochenendes auch bei den Herren das bisher schlechteste Sölden-Ergebnis.
Während Jungstar Lucas Braathen vor Marco Odermatt und Gino Caviezel seinen ersten Weltcupsieg feierte, sich also die Norweger und Schweizer den Sieg ausmachten, landete Stefan Brennsteiner als bester Österreicher auf dem 17. Rang (+1,98 Sek.). Sieben Nationen haben es geschafft, ihre Läufer vor dem größten, mächtigsten und reichsten Skiverband der Welt zu platzieren.
Die Problemschüler
Zur Erinnerung: Marcel Hirscher vergnügt sich dieser Tage lieber im ersten Tiefschnee in der Heimat und hat der Hundertsteljagd den Rücken gekehrt. Manuel Feller fehlte, weil einmal mehr der Rücken plagte. Deshalb war es am Rettenbachferner an der zweiten ÖSV-Garde das Ansehen des heimischen Skisports zu retten.
Sie war von Beginn an auf verlorenem Posten. Vom Verbandspräsidenten, Sportdirektor und Cheftrainer abwärts war im Vorfeld unentwegt vom „Kernproblem“Riesentorlauf die Rede, auch die Medien breiteten die Krise in der alpinen Basisdisziplin entsprechend aus. Kein Athlet kann einen solchen Druck von sich fernhalten, zumal er selbst zu den Problemschülern zählt. Sogar die einstigen Erfolgsgaranten des Hirscher-Teams wurden abgestellt, um den Riesentorlaufschwung der ÖSV-Truppe wieder auf Vordermann zu bringen. Michael Pircher und Ferdinand Hirscher haben Brennsteiner und Co. seit Sommer ein umfassendes Programm in Sachen Grundtechnik und Basisschwung verpasst.
Die erste Standortbestimmung erwies sich noch als ernüchternd. Das äußerst optimistische Ziel, zwei Läufer in die Top Ten und drei weitere in die Top 30 zu bringen – für Österreichs Ansprüche ohnehin tief gegriffen –, wurde klar verfehlt. „Wir sind nicht da, wo wir hinwollen. Das habe ich auch klar kommuniziert“, erklärte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel.
Im Detail: Stefan Brennsteiner büßte als 17. auf Sieger Braathen 1,98 Sekunden ein. Der 29-jährige Salzburger wollte nicht alles schlechtreden, erklärte aber: „Der Anspruch in dieser Saison ist höher gesetzt.“Bezeichnend war, dass es sonst nur noch die Speedspezialisten Vincent Kriechmayr (24.) und Matthias Mayer (25.) in den zweiten Durchgang geschafft haben. Nur drei Österreicher im 30er-Finale, auch das gab es in Sölden noch nie. Roland Leitinger hatte im Steilhang mit der Hand eingefädelt, Marco Schwarz nach einem Fehler viel Zeit verloren, ebenso Thomas Dorner. Raphael Haaser schied aus.
So wurde zwar die historische Niederlage der Damen vom Vortag noch einmal unterboten. Das schlechteste Riesentorlaufergebnis der ÖSV-Herren im Weltcup bleibt allerdings Garmisch-Partenkirchen am 2. Februar 2020, damals fuhr Manuel Feller als 28. als Einziger in die Punkteränge.
Im Damenlager, in dem Katharina Truppe auf Platz 15 als beste Österreicherin abschwang („Das will man eigentlich gar nicht hören“), war Cheftrainer Christian Mitter verstimmt, weil sich keine der fünf Läuferinnen im Finale verbessern konnte. „Das habe ich noch nie erlebt“, meinte Mitter. Während die Italienerinnen Marta Bassino und Federica Brignone zum Doppelsieg rasten, hätten seine Schützlinge den Steilhang schlichtweg falsch eingeschätzt. „Das ist nach einigen Jahren Weltcup doch etwas unerklärlich.“
Wir sind im Riesentorlauf zurzeit nicht dabei. Die Konkurrenz ist besser als wir. Wir haben viel Arbeit vor uns.
Andreas Puelacher Cheftrainer ÖSV-Herren