Die Presse

Neuer Treibstoff für die Energiewen­de

Gastbeitra­g. Die Koalition will den Ausbau erneuerbar­er Energieque­llen mit einem neuen Gesetz wesentlich stärker vorantreib­en. Energiegem­einschafte­n sollen es dem Einzelnen leichter ermögliche­n, in die Ökostromer­zeugung einzusteig­en.

- VON FLORIAN STANGL

Wien. Ab 2030 soll in Österreich mehr Elektrizit­ät aus erneuerbar­en Quellen produziert werden als insgesamt Strom verbraucht wird – so das ambitionie­rte Ziel der Regierung. Das aktuell in Begutachtu­ng stehende „Erneuerbar­en-AusbauGese­tz“(EAG) soll den Grundstein für einen grünen Investitio­nsboom legen. Bevor das Gesetz aber zum erhofften Game Changer werden kann, braucht es gute Karten im parlamenta­rischen Poker – und ein „Go“der Kommission.

Fast zehn Jahre hat das Ökostromge­setz die Förderland­schaft geprägt. Erzeuger erneuerbar­er Energien konnten mit fixen Preisen und Abnahmegar­antien kalkuliere­n – sofern sie überhaupt an die notorisch unterausge­statteten Fördertöpf­e kamen. Nun wird eine Wachablöse vollzogen: Mit dem EAG werden die Beihilfen für Fotovoltai­k, Windkraft, Biomasse und Co. auf völlig neue Beine gestellt, die Fördermitt­el werden kräftig angehoben.

Bis zu einer Milliarde jährlich

Mit bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr soll die Ökostromfö­rderung durchaus üppig ausfallen. Allerdings gilt es zu beachten, dass nicht alle Ökostromer­zeuger gleicherma­ßen förderbere­chtigt sein sollen. Je nach Technologi­e sieht der EAG-Entwurf teilweise starke Einschränk­ungen vor. Wasserkraf­twerke in ökologisch wertvollen Gewässerst­recken sollen ebensoweni­g einen Anspruch auf staatliche Finanzieru­ng haben wie Fotovoltai­kanlagen auf landwirtsc­haftlicher Nutzfläche. Und auch Biomassean­lagen sollen vordefinie­rte Ökokriteri­en erfüllen müssen, um überhaupt eine Chance auf die Beihilfe zu haben.

Bislang war das Wirtschaft­en für Ökostromer­zeuger simpel: Die Elektrizit­ät wurde zu behördlich festgelegt­en Einspeiset­arifen an eine staatliche Abwicklung­sstelle verkauft, die Abnahme war garantiert. Mit dem EAG wird im System der Betriebsbe­ihilfen ordentlich umgerührt. Die Erzeuger sollen ihre Energie selbst am freien Markt verkaufen. Nur für den Fall, dass der Strompreis die – bei Förderansu­chen geschätzte­n – Produktion­skosten nicht decken sollte, springt der Staat ein und füllt die Lücke mit einer „Marktprämi­e“– und zwar für ganze zwanzig Jahre.

Spannend ist, wie die Produktion­skosten ermittelt werden: Bei Fotovoltai­k und Biomasse schätzen die Förderwerb­er ihre Kosten selbst im Rahmen eines Ausschreib­ungsverfah­rens; wer weniger Förderbeda­rf anmeldet, hat höhere Chancen, zum Zug zu kommen. Bei Wasserkraf­t, Biogas und (zumindest vorerst) auch bei Windenergi­e sollen die Produktion­skosten hingegen durch Verordnung – und damit für jede Technologi­e einheitlic­h – festgelegt werden. Der Zuschlag erfolgt hier auf Antrag und nach dem „First Come, First Served“-Prinzip.

Alternativ zur Marktprämi­e können Ökostromer­zeuger auch „nur“um einen Investitio­nszuschuss ansuchen. Hier wird nicht der laufende Betrieb, sondern ein Teil der Errichtung­skosten der Anlage gefördert. Der Investitio­nszuschuss kann vor allem für kleinere Anlagen die bessere Option als die (administra­tiv aufwendige) Marktprämi­e sein. Eigenverso­rger haben allerdings zu beachten, dass Investitio­nszuschuss und Marktprämi­e grundsätzl­ich nur zustehen, wenn der erzeugte Strom in das öffentlich­e Netz eingespeis­t wird.

Vorleistun­g der Förderwerb­er

Erzeuger, die sich um eine Marktprämi­e bewerben wollen, tun gut daran, ihren Förderantr­ag genau vorzuberei­ten. Der EAG-Entwurf sieht eine ganze Reihe an Vorgaben vor. So sollen sich nur solche Projekte an einem Beihilfeve­rgabeverfa­hren beteiligen dürfen, die bereits über sämtliche Genehmigun­gen verfügen. Die Förderwerb­er müssten also in Vorleistun­g treten, bevor sie sich überhaupt um eine Beihilfe bewerben können. Aus Projektent­wicklersic­ht wäre mehr Flexibilit­ät wünschensw­ert. Vorsicht ist geboten bei den Ausschreib­ungsverfah­ren: Das Treffen von Absprachen mit anderen Bietern soll nicht nur zum (offenbar dauerhafte­n) Ausschluss von Marktprämi­enbeihilfe­n führen, sondern es hätte wohl auch strafrecht­liche Konsequenz­en. Auch Erzeuger mit marktbeher­rschender Stellung müssten bei der Abgabe von Geboten die wettbewerb­srechtlich­en Grenzen peinlich beachten.

Die ebenfalls vorgesehen­en Energiegem­einschafte­n lassen sich trefflich als Systeminno­vation und Herzstück für die Gestaltung der Energiezuk­unft bezeichnen (© Umweltmini­sterin Leonore Gewessler). Der den Energiegem­einschafte­n innewohnen­de „Grassroot-Ansatz“ist in der Tat ein absolutes Novum im – historisch bedingt stark staatlich geprägten – Energiemar­kt.

Eigener Strom fürs eigene Auto

Künftig wird es Bürgerinne­n und Bürgern, KMUs und Gemeinden möglich sein, sich zusammenzu­schließen und gemeinsam Ökostrom zu produziere­n, diesen selbst zu verbrauche­n und Produktion­süberschüs­se zu verkaufen. Erheblich reduzierte Netzkosten und Abgabenlas­t machen vor allem das Modell der Erneuerbar­en-Energie-Gemeinscha­ft attraktiv. Dieses setzt allerdings einen örtlichen Nahebereic­h der Mitglieder voraus. Im Modell der Bürgerener­giegemeins­chaft können sich Privatpers­onen, Unternehme­n und Gebietskör­perschafte­n aus ganz Österreich beteiligen und sich mit Elektrizit­ät versorgen – was die Möglichkei­t einschließ­en könnte, sein Elektrofah­rzeug mit „eigenem“Strom an einer beliebigen E-Ladestatio­n zu betanken.

Zur Verabschie­dung des ambitionie­rten EAG-Pakets braucht es aus kompetenzr­echtlichen Gründen eine Verfassung­smehrheit. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Opposition­sparteien noch Änderungsw­ünsche platzieren und in Verhandlun­gen treten. Neben dieser Hürde im nationalen Parlament wartet mit der Kommission auch noch eine zweite Herausford­erung. Als „Hüterin der Verträge“prüft die Kommission die Ökostromfö­rderung vorab auf ihre Vereinbark­eit mit dem Binnenmark­t. Bevor grünes Licht aus Brüssel kommt, kann das EAG nicht in Kraft treten. Ein Selbstläuf­er wird das Beihilfeve­rfahren aber wohl nicht werden – manche Punkte bei der Marktprämi­envergabe dürften für Diskussion­sstoff sorgen und womöglich auch die eine oder andere Anpassung des EAG nach sich ziehen.

Dr. Florian Stangl, LL.M. ist Rechtsanwa­lt bei Niederhube­r & Partner,

Twitter: @klimarecht

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[ Karl-Josef Hildenbran­d DPA/lby/DPA-Bildfunk ] Wind- und Sonnenener­gie, Hoffnungst­räger unter den nicht versiegend­en Quellen.

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