Neuer Treibstoff für die Energiewende
Gastbeitrag. Die Koalition will den Ausbau erneuerbarer Energiequellen mit einem neuen Gesetz wesentlich stärker vorantreiben. Energiegemeinschaften sollen es dem Einzelnen leichter ermöglichen, in die Ökostromerzeugung einzusteigen.
Wien. Ab 2030 soll in Österreich mehr Elektrizität aus erneuerbaren Quellen produziert werden als insgesamt Strom verbraucht wird – so das ambitionierte Ziel der Regierung. Das aktuell in Begutachtung stehende „Erneuerbaren-AusbauGesetz“(EAG) soll den Grundstein für einen grünen Investitionsboom legen. Bevor das Gesetz aber zum erhofften Game Changer werden kann, braucht es gute Karten im parlamentarischen Poker – und ein „Go“der Kommission.
Fast zehn Jahre hat das Ökostromgesetz die Förderlandschaft geprägt. Erzeuger erneuerbarer Energien konnten mit fixen Preisen und Abnahmegarantien kalkulieren – sofern sie überhaupt an die notorisch unterausgestatteten Fördertöpfe kamen. Nun wird eine Wachablöse vollzogen: Mit dem EAG werden die Beihilfen für Fotovoltaik, Windkraft, Biomasse und Co. auf völlig neue Beine gestellt, die Fördermittel werden kräftig angehoben.
Bis zu einer Milliarde jährlich
Mit bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr soll die Ökostromförderung durchaus üppig ausfallen. Allerdings gilt es zu beachten, dass nicht alle Ökostromerzeuger gleichermaßen förderberechtigt sein sollen. Je nach Technologie sieht der EAG-Entwurf teilweise starke Einschränkungen vor. Wasserkraftwerke in ökologisch wertvollen Gewässerstrecken sollen ebensowenig einen Anspruch auf staatliche Finanzierung haben wie Fotovoltaikanlagen auf landwirtschaftlicher Nutzfläche. Und auch Biomasseanlagen sollen vordefinierte Ökokriterien erfüllen müssen, um überhaupt eine Chance auf die Beihilfe zu haben.
Bislang war das Wirtschaften für Ökostromerzeuger simpel: Die Elektrizität wurde zu behördlich festgelegten Einspeisetarifen an eine staatliche Abwicklungsstelle verkauft, die Abnahme war garantiert. Mit dem EAG wird im System der Betriebsbeihilfen ordentlich umgerührt. Die Erzeuger sollen ihre Energie selbst am freien Markt verkaufen. Nur für den Fall, dass der Strompreis die – bei Förderansuchen geschätzten – Produktionskosten nicht decken sollte, springt der Staat ein und füllt die Lücke mit einer „Marktprämie“– und zwar für ganze zwanzig Jahre.
Spannend ist, wie die Produktionskosten ermittelt werden: Bei Fotovoltaik und Biomasse schätzen die Förderwerber ihre Kosten selbst im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens; wer weniger Förderbedarf anmeldet, hat höhere Chancen, zum Zug zu kommen. Bei Wasserkraft, Biogas und (zumindest vorerst) auch bei Windenergie sollen die Produktionskosten hingegen durch Verordnung – und damit für jede Technologie einheitlich – festgelegt werden. Der Zuschlag erfolgt hier auf Antrag und nach dem „First Come, First Served“-Prinzip.
Alternativ zur Marktprämie können Ökostromerzeuger auch „nur“um einen Investitionszuschuss ansuchen. Hier wird nicht der laufende Betrieb, sondern ein Teil der Errichtungskosten der Anlage gefördert. Der Investitionszuschuss kann vor allem für kleinere Anlagen die bessere Option als die (administrativ aufwendige) Marktprämie sein. Eigenversorger haben allerdings zu beachten, dass Investitionszuschuss und Marktprämie grundsätzlich nur zustehen, wenn der erzeugte Strom in das öffentliche Netz eingespeist wird.
Vorleistung der Förderwerber
Erzeuger, die sich um eine Marktprämie bewerben wollen, tun gut daran, ihren Förderantrag genau vorzubereiten. Der EAG-Entwurf sieht eine ganze Reihe an Vorgaben vor. So sollen sich nur solche Projekte an einem Beihilfevergabeverfahren beteiligen dürfen, die bereits über sämtliche Genehmigungen verfügen. Die Förderwerber müssten also in Vorleistung treten, bevor sie sich überhaupt um eine Beihilfe bewerben können. Aus Projektentwicklersicht wäre mehr Flexibilität wünschenswert. Vorsicht ist geboten bei den Ausschreibungsverfahren: Das Treffen von Absprachen mit anderen Bietern soll nicht nur zum (offenbar dauerhaften) Ausschluss von Marktprämienbeihilfen führen, sondern es hätte wohl auch strafrechtliche Konsequenzen. Auch Erzeuger mit marktbeherrschender Stellung müssten bei der Abgabe von Geboten die wettbewerbsrechtlichen Grenzen peinlich beachten.
Die ebenfalls vorgesehenen Energiegemeinschaften lassen sich trefflich als Systeminnovation und Herzstück für die Gestaltung der Energiezukunft bezeichnen (© Umweltministerin Leonore Gewessler). Der den Energiegemeinschaften innewohnende „Grassroot-Ansatz“ist in der Tat ein absolutes Novum im – historisch bedingt stark staatlich geprägten – Energiemarkt.
Eigener Strom fürs eigene Auto
Künftig wird es Bürgerinnen und Bürgern, KMUs und Gemeinden möglich sein, sich zusammenzuschließen und gemeinsam Ökostrom zu produzieren, diesen selbst zu verbrauchen und Produktionsüberschüsse zu verkaufen. Erheblich reduzierte Netzkosten und Abgabenlast machen vor allem das Modell der Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft attraktiv. Dieses setzt allerdings einen örtlichen Nahebereich der Mitglieder voraus. Im Modell der Bürgerenergiegemeinschaft können sich Privatpersonen, Unternehmen und Gebietskörperschaften aus ganz Österreich beteiligen und sich mit Elektrizität versorgen – was die Möglichkeit einschließen könnte, sein Elektrofahrzeug mit „eigenem“Strom an einer beliebigen E-Ladestation zu betanken.
Zur Verabschiedung des ambitionierten EAG-Pakets braucht es aus kompetenzrechtlichen Gründen eine Verfassungsmehrheit. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Oppositionsparteien noch Änderungswünsche platzieren und in Verhandlungen treten. Neben dieser Hürde im nationalen Parlament wartet mit der Kommission auch noch eine zweite Herausforderung. Als „Hüterin der Verträge“prüft die Kommission die Ökostromförderung vorab auf ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt. Bevor grünes Licht aus Brüssel kommt, kann das EAG nicht in Kraft treten. Ein Selbstläufer wird das Beihilfeverfahren aber wohl nicht werden – manche Punkte bei der Marktprämienvergabe dürften für Diskussionsstoff sorgen und womöglich auch die eine oder andere Anpassung des EAG nach sich ziehen.
Dr. Florian Stangl, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Niederhuber & Partner,
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