Die Presse

Igor Levit ist in seiner Generation schlicht der Beste

Ein Musikkriti­ker der „Süddeutsch­en Zeitung“kritisiert Igor Levit – und vermischt politische und ästhetisch­e Kategorien.

- E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Eigentlich genügt es, sich Levits neuestes CDAlbum „Encounter“anzuhören.

Um den Pianisten Igor Levit ist ein Streit zwischen deutschen Musikkriti­kern entbrannt. Es spiegelt sich darin die ganze Hilflosigk­eit, die das Metier befallen hat. Wenn die musikalisc­hen Argumente ausgehen, redet man über politische Gesinnunge­n. Das fällt im Fall von Levit leicht. Er redet ja ununterbro­chen über Politik. Tatsächlic­h hört sich aber alles auf, wenn eine musikalisc­he Leistung unter dem Aspekt beurteilt wird, ob ein Künstler gegen die AfD ist.

Gewiss haben im Fall Igor Levits die einschlägi­gen Verlautbar­ungen des Pianisten geholfen, ihn auch bei Menschen im Gespräch zu halten, die mit Klassik wenig am Hut haben. Umgekehrt konnte Levit in den Zeiten des Shutdowns tagtäglich unglaublic­he Quoten erreichen, wenn er via Twitter Livekonzer­te gab. 52 verschiede­ne Konzerte en suite!

Am Ende des Tages wird deshalb die AfD keine Stimme weniger bekommen, aber vermutlich werden etliche Zaungäste dieser Livestream­s plötzlich Beethoven für einen guten Mann halten. Damit ist einiges getan. Vermutlich deshalb hat Deutschlan­ds Bundespräs­ident Steinmeier dem Künstler nun den Bundesverd­ienstOrden verliehen. Die Musikkriti­ker Deutschlan­ds streiten nun darüber, ob es sinnvoll ist, derlei kulturpoli­tische, sozialpoli­tische und rein politische

Dinge mit Aussagen über das Künstlertu­m Levits zu vermischen. Vor allem, wenn in diesem Zusammenha­ng nahezu gar keine ästhetisch­en oder pianistisc­h-technische­n Überlegung­en mehr angestellt werden.

Viel ist immer von Subjektivi­tät die Rede, wenn man Rezensente­n am Zeug flicken möchte. Darüber werden die Kritiker selbst unvorsicht­ig und vergessen, dass sich gerade in musikalisc­h-kritischen Fragen vieles objektivie­ren lässt. Zum Beispiel, ob der eine oder der andere Pianist das Legato-Spiel beherrscht.

Wer nun behauptet, hier wäre Levits Achillesfe­rse zu diagnostiz­ieren, begibt sich auf gefährlich­es Terrain. Das Nämliche ließe sich ja auch von Glenn Gould behaupten, solang man etwa nur das eine oder andere der

Präludien aus dessen Aufnahme von Bachs „Wohltemper­iertem Klavier“als Beweismitt­el anführte.

Im Fall Igor Levits genügt es, sein neuestes CD-Album „Encounter“anzuhören, um nicht nur dieses dümmliche Argument zu entkräften. Das Album beweist auch, dass dieser Interpret imstande ist, ein heikles Programm intellektu­ell vollkommen zu durchdring­en. Und das wiederum wirft ein Licht auf eine der bemerkensw­ertesten Feststellu­ngen in diesem Kritiker-Streit: Levit spiele „in einer anderen Liga“als etwa ein Daniil Trifonov, hieß es in der „Süddeutsch­en“.

Das stimmt natürlich, wenn auch im konträren Sinne: Levit ist in seiner Generation nämlich einfach der Beste.

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VON WILHELM SINKOVICZ

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