Mord an Rekrut: Staat zahlt nicht
OGH lehnt Amtshaftung ab. Der Vater eines im Nachtdienst durch einen Kameraden getöteten Grundwehrdieners klagte die Republik auf Schmerzengeld. Für Vorsatztaten ohne inneren Zusammenhang mit dem Dienst haftet der Staat aber nicht.
Kein Schmerzengeld für Vater von im Dienst getötetem Soldaten.
Wien. Ismail M. überlebte seinen Dienst fürs Vaterland nicht. Der Grundwehrdiener starb am 9. Oktober 2017 im Nachtdienst in einer Wiener Kaserne, als ein Kamerad mit einem Sturmgewehr 77 auf ihn im Schlaf feuerte. Der Todesschütze wurde 2018 wegen Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt; doch jetzt hat die Tat auch für den Vater des Opfers ein bitteres Nachspiel vor Gericht.
Der Vater hatte die Republik Österreich geklagt: Er verlangte vom Bund 35.000 Euro Schmerzengeld für die Trauer um seinen Sohn. Wie der Oberste Gerichtshof nun aber bestätigt, ist der Staat nicht für die Tat des Kameraden verantwortlich zu machen.
Das Motiv für den Kopfschuss aus nächster Nähe blieb unklar, sehr im Gegensatz zum Ablauf der Tat: Der Kamerad war während seines Wachdienstes in den Wachcontainer gegangen, um seinen schlafenden
Kollegen zu wecken. Vorschriftswidrig hatte er seine Dienstwaffe nicht am Eingang des Containers abgestellt, sondern mit hinein genommen – in durchgeladenem, entsichertem Zustand. Im Mordprozess nahmen die Geschworenen ihm seine Geschichte von einer Reihe unglücklicher Zufälle nicht ab; sie verurteilten ihn wegen Mordes.
Nach Ansicht des Vaters hat der Staat für die Tat des Grundwehrdieners einzustehen: Den Wachdienst zu verrichten sei eine hoheitliche Tätigkeit, sodass der Täter für den Staat und nicht als Privatperson gehandelt habe. Auch sei der junge Mann nur durch den Dienst an die Waffe samt scharfer Munition gekommen. Zugleich sei der getötete Rekrut nicht freiwillig in der Kaserne gewesen, sondern in Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht als Grundwehrdiener.
Keinerlei dienstliche Veranlassung
Die Republik stellte sich demgegenüber, vertreten durch die Finanzprokuratur, auf den Standpunkt, dass der Mord ohne jegliche dienstliche Veranlassung und auch nicht in engem Zusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit des Wachsoldaten begangen worden sei. Sowohl das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als auch das Oberlandesgericht teilten diese Einschätzung und wiesen die Klage des Vaters ab. Der konnte immerhin noch erreichen, dass der OGH eine außerordentliche Revision zuließ; denn zur Frage der Amtshaftung für eine vorsätzliche Tötung hat das Höchstgericht bisher noch nie ausdrücklich Stellung bezogen.
Der OGH räumte ein, dass sehr wohl auch strafbares Verhalten, ja der Missbrauch eines Amtes zu eigennützigen, schikanösen oder strafbaren Zwecken eine Haftung des staatlichen Rechtsträgers auslösen könne. Wesentlich sei dabei aber, dass ein für das Handeln in Vollziehung der Gesetze maßgeblicher innerer Zusammenhang zur hoheitlichen Aufgabe bestehe.
Im Fall des mordenden Rekruten hingegen „bestand nicht die geringste dienstliche Veranlassung für ein Einschreiten des Täters in Erfüllung des erhaltenen Wachauftrags“, so der OGH (1 0b 123/20z). Der Waffengebrauch sei auf rein persönliche, private Gründe zurückzuführen. So gesehen bot der Dienst nur die Gelegenheit für die Tat, aber keinen sachlichen Zusammenhang mit ihr.