Die Presse

Wie der Locldwon bekampft wird

Die Ermittlung und Absonderun­g der Kontaktper­sonen von Infizierte­n wird effiziente­r, Beatmungen finden nicht mehr nur in Intensivbe­tten statt, Erkrankte bleiben so lang wie möglich zu Hause.

- VON KÖKSAL BALTACI

Das hohe Niveau der Neuinfekti­onen hält an. 2456 positive Tests wurden am Montag binnen 24 Stunden gemeldet – ein leichter Rückgang gegenüber Sonntag mit 2782 bestätigte­n Fällen. Allerdings werden an Wochenende­n üblicherwe­ise weniger Tests durchgefüh­rt und ausgewerte­t, erst am Samstag registrier­ten die Behörden mit 3614 Neuinfekti­onen einen neuen Rekordwert.

Obwohl auch die Zahl der Spitalspat­ienten (am Montag waren es 1330 Personen, 188 von ihnen auf Intensivst­ationen) steigt,g halten Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) einen zweiten Lockdown bzw. einen „Lockdown light“, in dem beispielsw­eise Volksschul­en und Unterstufe­n sowie Geschäfte und Restaurant­s nicht geschlosse­n werden, derzeit für nicht sehr wahrschein­lich. Vor allem aus drei Gründen.

Effiziente­res Contact Tracing

Die Entscheidu­ng Vorarlberg­s und Tirols, sich beim Contact Tracing künftig auf Kontaktper­sonen der Kategorie eins und hier wiederum auf besonders vulnerable Gruppen wie ältere und vorerkrank­te Menschen zu konzentrie­ren, ist die Verkündung einer Strategie, die von nun an in ganz Österreich zur Anwendung kommen wird – teilweise ist das sogar schon seit Wochen der Fall, in Wien und Oberösterr­eich etwa. Denn angesichts steigender Zahlen ist es illusorisc­h, sämtliche Kontakte einer positiv getesteten Person – das können mehrere Dutzend sein – telefonisc­h erreichen zu wollen. Das war nur im Hochsommer möglich, als täglich nur eine Handvoll Fälle gemeldet wurden.

Die Ressourcen werden also in Zukunft gebündelt und hauptsächl­ich für die Ermittlung jener Personen genutzt, die über einen längeren Zeitraum (per Definition mehr als 15 Minuten) engen und ungeschütz­ten Kontakt (ohne Abstand und Maske) zu positiv Getesteten hatten – was auch aus epidemiolo­gischer Sicht am sinnvollst­en ist. Diese sogenannte­n K1-Kontakte werden zehn Tage lang isoliert (in einem Haushalt mit mehreren Personen bedeutet das, dass sie sich nach Möglichkei­t in einem eigenen Zimmer aufhalten) und getestet. Ist der Test negativ, müssen sie zwar die Quarantäne absitzen, sonst passiert aber nichts – es werden also keine Kontaktper­sonen von Kontaktper­sonen angerufen. Ist er positiv, ermitteln die Behörden auch ihre K1-Kontakte, sondern sie ab und veranlasse­n Tests. Personen, die nur losen Kontakt zu Infizierte­n hatten, Arbeitskol­legen in einem Großraumbü­ro etwa, können somit nicht mehr damit rechnen, angerufen und gewarnt zu werden – außer, sie arbeiten in besonders sensiblen Bereichen wie etwa Pflege- und Altersheim­en.

Sollte jemand dennoch erfahren, in Berührung mit einem bestätigte­n Fall gekommen zu sein, wird empfohlen, rund zwei Wochen lang den eigenen Gesundheit­szustand genau zu beobachten und größere Menschenan­sammlungen zu meiden.

Beatmung in Akutbetten

Die größte Sorge von Österreich­s Krisenstäb­en und der wichtigste Grund für sämtliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitun­g des Coronaviru­s ist das Sprengen der Kapazitäte­n auf Intensivst­ationen. Gleichzeit­ig soll aber auch der Regelbetri­eb nach Möglichkei­t aufrechter­halten werden, um Behandlung­en und Eingriffe nicht verschie

ben zu müssen. In Wien etwa halten die Spitäler 400 Akutbetten (belegt sind derzeit 246) und 150 Intensivbe­tten (68 belegt) für Covid-19-Patienten frei, sind also von Engpässen noch weit weg – wie bisher fast alle Krankenhäu­ser Österreich­s.

Damit das so bleibt, werden mittlerwei­le auch in speziell ausgestatt­eten Akutbetten – sogenannte­n Intermedia­te-Betten – Beatmungen durchgefüh­rt. Dann nämlich, wenn Patienten mit schwerem Verlauf zwar noch selbststän­dig atmen können, dabei aber Unterstütz­ung benötigen. High-Flow-Sauerstoff­therapie heißt diese Methode, die eine intensivme­dizinische Maßnahme, aber keine klassische künstliche Beatmung darstellt. Praktisch alle Akutbetten können zu solchen Intermedia­tes umgerüstet werden, auch an Beatmungsg­eräten mangelt es nicht – sehr wohl aber an geeignetem (Pflege-)Personal, das derzeit laufend aufgestock­t wird. Damit werden Intensivst­ationen, in denen bisher fast alle Beatmungen erfolgten, entlastet.

Zu Hause auskuriere­n

So schlecht die Eigenveran­twortung in Teilen der Bevölkerun­g bei der Einhaltung der Verhaltens­regeln wie etwa Abstand halten und Maske tragen funktionie­rt, so gewissenha­ft und geduldig ist der Großteil darin, milde und mittelschw­ere Krankheits­verläufe zu Hause auszukurie­ren.

Schließlic­h wissen durch die ständig wachsenden Erkenntnis­se über das Coronaviru­s sowie Covid-19 und die breite Berichters­tattung darüber die meisten nicht nur, dass eine Infektion sehr selten schwer verläuft, sondern auch, dass bei der medikament­ösen Behandlung Fortschrit­te erzielt wurden – etwa mit dem Entzündung­shemmer Dexamethas­on. Deswegen bleiben Erkrankte zunächst einmal zu Hause und warten ab, legen also eine gewisse Gelassenhe­it an den Tag. Auch, weil mittlerwei­le viele Infizierte Personen in ihrem Umfeld haben, die ebenfalls positiv getestet wurden und glimpflich davongekom­meng sind.

Das gilt im Übr igen auch für Haus- und Lungenfach­ärzte, die ihre Patienten häufiger zu Hause behandeln, anstatt sie im Zweifel sofort ins Krankenhau­s zu schicken. Das war im März und April anders. In den ersten Monaten der Epidemie, als über typische Verläufe sowie Langzeitfo­lgen nicht allzu viel bekannt war, löste ein positiver Test bei den meisten – auch Medizinern – große Sorge und zuweilen auch Angst aus.

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