Die Presse

CDU stolpert ohne neue Führung in das Wahljahr 2021

Deutschlan­d. Parteitag abgesagt. Merz wittert Verschwöru­ng des „Establishm­ents“gegen sich.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Paul Ziemiak dankt für das Vertrauen des CDU-Vorstands. Der Parteigene­ralsekretä­r ist am Montag im Konrad-AdenauerHa­us, der CDU-Zentrale, mit einer neuen Aufgabe betraut worden. Ziemiak soll mit der Vorbereitu­ng des Bundestags­wahlkampfs beginnen. Allerdings ist dabei eine nicht ganz unwesentli­che Frage offen, nämlich, auf wen die nächste Kampagne zugeschnit­ten sein soll, also wer CDU und CSU in die erste Post-Merkel-Wahl im Herbst 2021 führen wird. Zwar wird meistens, nicht immer, der CDU-Chef auch Kanzlerkan­didat. Aber der Posten ist seit Monaten de facto vakant – und bleibt das vorerst auch.

Denn der CDU-Vorstand hat den Parteitag am 4. Dezember in Stuttgart, zurzeit ein Corona-Hotspot, mit 1001 Delegierte­n abgesagt. Das Treffen sollte eine Klärung der Führungsfr­age bringen. Auch Alternativ­konzepte wurden vom CDU-Vorstand verworfen, darunter der Plan für einen dezentrale­n Parteitag, wonach die Delegierte­n an mehreren Standorten notariell beaufsicht­igt ihre Stimmen für einen der drei Kandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen abgegeben hätten. Am 14. Dezember, vielleicht auch erst Mitte Jänner, will der CDUVorstan­d über Form und Termin des Parteitags entscheide­n.

Das Gremium favorisier­t einen „Präsenzpar­teitag“. Sollte die Pandemie ein Treffen nicht zulassen, würde die Cheffrage auf einem digitalen Parteitag mit anschließe­nder Briefwahl entschiede­n (ein Internetvo­tum lässt das Grundgeset­z nicht zu). Wann genau ein solcher Parteitag 2021 stattfinde­n könnte, ist gleichfall­s unklar. Sicher ist nur: Die CDU schleppt sich mit ungeklärte­r Führungsfr­age ins Superwahlj­ahr, in dem auch einige wichtige Landtagswa­hlen anstehen.

AKK bleibt im Amt

Formal bleibt Annegret KrampKarre­nbauer (AKK) im Amt. Die Saarländer­in hatte im Februar ihren Rücktritt als CDU-Chefin angekündig­t. Seither ist es ihre vordringli­chste Aufgabe, die Wahl ihres Nachfolger­s zu organisier­en. So wie es aussieht, wird das mehr als ein Jahr Zeit in Anspruch nehmen.

Der Beschluss vom Montag ist auch deshalb heikel, weil die Frage nach einer Verschiebu­ng des Parteitags die Kandidaten für den CDU-Chefposten spaltet.

Wer Merz und Laschet zuletzt zuhörte, wähnte sich in zwei Welten. Merz bestand auf ein Votum am 4. Dezember. Die Klärung der Cheffrage vertrage keine Aufschiebu­ng. Ein Parteitag sei kein „Volksfest, Oktoberfes­t oder Fußballspi­el“. Zur Not könne man auch per Briefwahl abstimmen. Laschet dagegen meinte, die Wahl könne warten. Eine größere Parteivera­nstaltung sei den Menschen „nicht vermittelb­ar“, die wegen hoher Infektions­zahlen zur Kontaktred­uktion aufgerufen sind. Laschets Position hat sich durchgeset­zt. Merz wittert eine Verschwöru­ng „beträchtli­cher Teile des Partei-Establishm­ents“, die ihn verhindern wollten. Mit Corona sei eine weitere Verschiebu­ng des Parteitags nicht mehr zu erklären. Sie sei auch eine Entscheidu­ng gegen die Basis. Merz’ Sprecher reichte dazu auf Twitter einen Kalendersp­ruch: „Wer etwas will, sucht Wege. Wer etwas nicht will, sucht Gründe.“

Merz ist Liebling der Basis

Merz wähnt sich im Aufwind. Am Wochenende wurde eine Umfrage publiziert, wonach der konservati­ve Sauerlände­r und Merkel-Rivale bei den CDU-Mitglieder­n die Nase vorn hat. Und zwar deutlich. 45 Prozent würden Merz als Chef favorisier­en, nur 24 Prozent den liberalen Merkel-Vertrauten Laschet und 13 Prozent Außenpolit­iker Röttgen. Wobei über den nächsten Chef nicht die Gesamtheit der Mitglieder, sondern 1001 Delegierte entscheide­n, darunter viele Funktionär­e. Die Verschiebu­ng des Parteitags verschafft Laschet jedenfalls Zeit, die Bühne als Corona-Krisenmana­ger doch noch zu nutzen und seine Umfragewer­te aufzupolie­ren. Der Rheinlände­r kann als Ministerpr­äsident des bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es NordrheinW­estfalen gestalten. Merz ist ohne Regierungs­amt. Das drängt ihn an den Spielfeldr­and.

Aber die Verschiebu­ng öffnet auch Raum für andere Spekulatio­nen: Verharrt Laschet in den nächsten Wochen im Umfragetie­f, könnte der populäre Gesundheit­sminister, Jens Spahn (CDU), vielleicht doch noch nach vorn drängen (oder gedrängt werden). Spahn unterstütz­t bisher Laschet.

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[ Reuters ] Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet (von links) kandidiere­n für den CDU-Vorsitz.

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