CDU stolpert ohne neue Führung in das Wahljahr 2021
Deutschland. Parteitag abgesagt. Merz wittert Verschwörung des „Establishments“gegen sich.
Berlin. Paul Ziemiak dankt für das Vertrauen des CDU-Vorstands. Der Parteigeneralsekretär ist am Montag im Konrad-AdenauerHaus, der CDU-Zentrale, mit einer neuen Aufgabe betraut worden. Ziemiak soll mit der Vorbereitung des Bundestagswahlkampfs beginnen. Allerdings ist dabei eine nicht ganz unwesentliche Frage offen, nämlich, auf wen die nächste Kampagne zugeschnitten sein soll, also wer CDU und CSU in die erste Post-Merkel-Wahl im Herbst 2021 führen wird. Zwar wird meistens, nicht immer, der CDU-Chef auch Kanzlerkandidat. Aber der Posten ist seit Monaten de facto vakant – und bleibt das vorerst auch.
Denn der CDU-Vorstand hat den Parteitag am 4. Dezember in Stuttgart, zurzeit ein Corona-Hotspot, mit 1001 Delegierten abgesagt. Das Treffen sollte eine Klärung der Führungsfrage bringen. Auch Alternativkonzepte wurden vom CDU-Vorstand verworfen, darunter der Plan für einen dezentralen Parteitag, wonach die Delegierten an mehreren Standorten notariell beaufsichtigt ihre Stimmen für einen der drei Kandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen abgegeben hätten. Am 14. Dezember, vielleicht auch erst Mitte Jänner, will der CDUVorstand über Form und Termin des Parteitags entscheiden.
Das Gremium favorisiert einen „Präsenzparteitag“. Sollte die Pandemie ein Treffen nicht zulassen, würde die Cheffrage auf einem digitalen Parteitag mit anschließender Briefwahl entschieden (ein Internetvotum lässt das Grundgesetz nicht zu). Wann genau ein solcher Parteitag 2021 stattfinden könnte, ist gleichfalls unklar. Sicher ist nur: Die CDU schleppt sich mit ungeklärter Führungsfrage ins Superwahljahr, in dem auch einige wichtige Landtagswahlen anstehen.
AKK bleibt im Amt
Formal bleibt Annegret KrampKarrenbauer (AKK) im Amt. Die Saarländerin hatte im Februar ihren Rücktritt als CDU-Chefin angekündigt. Seither ist es ihre vordringlichste Aufgabe, die Wahl ihres Nachfolgers zu organisieren. So wie es aussieht, wird das mehr als ein Jahr Zeit in Anspruch nehmen.
Der Beschluss vom Montag ist auch deshalb heikel, weil die Frage nach einer Verschiebung des Parteitags die Kandidaten für den CDU-Chefposten spaltet.
Wer Merz und Laschet zuletzt zuhörte, wähnte sich in zwei Welten. Merz bestand auf ein Votum am 4. Dezember. Die Klärung der Cheffrage vertrage keine Aufschiebung. Ein Parteitag sei kein „Volksfest, Oktoberfest oder Fußballspiel“. Zur Not könne man auch per Briefwahl abstimmen. Laschet dagegen meinte, die Wahl könne warten. Eine größere Parteiveranstaltung sei den Menschen „nicht vermittelbar“, die wegen hoher Infektionszahlen zur Kontaktreduktion aufgerufen sind. Laschets Position hat sich durchgesetzt. Merz wittert eine Verschwörung „beträchtlicher Teile des Partei-Establishments“, die ihn verhindern wollten. Mit Corona sei eine weitere Verschiebung des Parteitags nicht mehr zu erklären. Sie sei auch eine Entscheidung gegen die Basis. Merz’ Sprecher reichte dazu auf Twitter einen Kalenderspruch: „Wer etwas will, sucht Wege. Wer etwas nicht will, sucht Gründe.“
Merz ist Liebling der Basis
Merz wähnt sich im Aufwind. Am Wochenende wurde eine Umfrage publiziert, wonach der konservative Sauerländer und Merkel-Rivale bei den CDU-Mitgliedern die Nase vorn hat. Und zwar deutlich. 45 Prozent würden Merz als Chef favorisieren, nur 24 Prozent den liberalen Merkel-Vertrauten Laschet und 13 Prozent Außenpolitiker Röttgen. Wobei über den nächsten Chef nicht die Gesamtheit der Mitglieder, sondern 1001 Delegierte entscheiden, darunter viele Funktionäre. Die Verschiebung des Parteitags verschafft Laschet jedenfalls Zeit, die Bühne als Corona-Krisenmanager doch noch zu nutzen und seine Umfragewerte aufzupolieren. Der Rheinländer kann als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes NordrheinWestfalen gestalten. Merz ist ohne Regierungsamt. Das drängt ihn an den Spielfeldrand.
Aber die Verschiebung öffnet auch Raum für andere Spekulationen: Verharrt Laschet in den nächsten Wochen im Umfragetief, könnte der populäre Gesundheitsminister, Jens Spahn (CDU), vielleicht doch noch nach vorn drängen (oder gedrängt werden). Spahn unterstützt bisher Laschet.