Erdo˘gan verschärft Ton gegen Paris
Mohammed-Karikaturen. Der türkische Präsident fordert den Boykott französischer Produkte. Zuletzt haben sich die Spannungen zwischen Ankara und Paris auch im Mittelmeerraum erhöht.
Paris. Die türkische Führung hat den Ton gegenüber Frankreich weiter verschärft. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan˘ forderte am Montag dazu auf, keine französischen Produkte mehr zu kaufen. Dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron warf Erdogan˘ eine „Anti-Islam-Agenda“vor. Die EU müsse die „von Macron gesteuerte Hasskampagne“gegen Muslime beenden. Muslime seien in Europa einer „Lynchkampagne“ausgesetzt, sagte der türkische Präsident und verstieg sich zu der Behauptung, dass das mit der Verfolgung „der Juden vor dem Zweiten Weltkrieg“vergleichbar sei. Den europäischen Staats- und Regierungschefs warf er vor, „im wahren Sinne Faschisten“zu sein.
Paris rief Botschafter zurück
Die Worte Erdogans˘ sind die nächste Eskalationsstufe in einer Auseinandersetzung zwischen Ankara und Paris. Anlass der Polemik: Macron hatte sich bei einer Feier zur Würdigung des von einem Jihadisten ermordeten Lehrers Samuel Paty erneut hinter das Recht gestellt, in Frankreich Mohammed-Karikaturen zu publizieren oder im Unterricht zu zeigen. Paty hatte derartige Zeichnungen in der Klasse hergezeigt, um anhand von ihnen mit den Schülern über Meinungsfreiheit zu diskutieren. Daraufhin war von einem Extremisten enthauptet worden.
Macrons Worte veranlassten Erdogan˘ zur Bemerkung, der französische Präsident solle sich „wegen seines geistigen Gesundheitszustands untersuchen lassen“. Frankreich rief daraufhin seinen Botschafter aus der Türkei zurück.
Die französische Staatspräsidentschaft wies Erdogans˘ Aussagen als „inakzeptabel“zurück: „Wir erwarten von Erdogan,˘ dass er seinen politischen Kurs ändert, der in jeder Hinsicht gefährlich ist.“Paris erwähnte, der türkische Staatschef habe als einer von wenigen nach dem Terrormord keine Kondolenzbotschaft geschickt.
Erdogan˘ bezog sich in seiner Attacke nicht nur auf Macrons Äußerungen bei der Gedenkfeier für Paty, sondern auch auf eine zwei Wochen zuvor gehaltene Rede des französischen Präsidenten. In ihr hatte Macron den „Separatismus“gewisser extremer muslimischer Strömungen verurteilt und eine Integration des Islam in die (weltliche) Republik gefordert. Erdogan˘ kritisierte das als Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit.
Der türkische Präsident gießt mit seinen Verbalattacken auch Öl ins Feuer angesichts der seit Monaten wachsenden Spannungen zwischen Paris und Ankara im Mittelmeerraum: Im griechisch-türkischen Streit um Gasvorkommen hat Frankreich klar gegen die türkischen Ansprüche Stellung bezogen. Aber auch im Konflikt in Libyen und bei den Kämpfen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach steht Frankreich auf einer anderen Seite als die Türkei.
Kritik aus arabischen Ländern
Die Polemik um die MohammedKarikaturen liefert Erdogan˘ einen Vorwand, um andere muslimische Staaten zum Vorgehen gegen Frankreich aufzurufen. Da Macron explizit erklärt hat, ein Verbot oder eine Verurteilung solcher, von Muslimen als blasphemisch betrachteten Zeichnungen komme nicht infrage, ist es auch in mehreren Golfstaaten zu Boykottaufrufen gekommen: Französische Produkte sollen demnach aus den Auslagen von Geschäften entfernt werden. Betroffen davon sind nach Angaben französischer Journalisten vor allem Lebensmittel wie Käse. In Kuwait hätten zudem Reisegesellschaften die Buchung von Flügen nach Frankreich eingestellt. In Frankreich werden die antifranzösischen Boykottaufrufe sehr ernst genommen, weil vor allem die Emirate und Saudiarabien wichtige Kunden der französischen Industrie sind.
Auch Pakistan hat am Montag wegen der Aussagen Macrons den französischen Botschafter ins Außenamt bestellt.