Die Presse

Pink oder Grün: Wen wählt Ludwig?

Koalition. Wiens Bürgermeis­ter, Michael Ludwig, gibt am Dienstag bekannt, ob er mit den Neos oder den Grünen über eine Koalition verhandeln will.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Es ist der Tag der Entscheidu­ng. Nach den Sondierung­sgespräche­n mit Neos, Grünen und ÖVP gibt Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag seine mit Spannung erwartete Erklärung ab. Also die Antwort auf die Frage: Mit welcher Partei will Ludwig die nächsten fünf Jahre regieren? Wobei die ÖVP bereits nach dem Sondierung­sgespräch aus dem Rennen war – zu groß waren die inhaltlich­en Differenze­n.

Am verlängert­en Wochenende gab es noch zahlreiche Telefonate und Gespräche von Ludwig mit Teilen der Partei. Eine Präferenz war zu Beginn des Wochenende­s nicht zu erkennen, war in roten Kreisen zu hören: Ludwig habe, wie auch in den Tagen zuvor, meist nur zugehört und sich nichts entlocken lassen. Dem Bürgermeis­ter wird allerdings eine deutliche Tendenz in Richtung Neos nachgesagt.

Das empfanden die Grünen nach ihrem Sondierung­sgespräch nicht so: „Die Chancen sind 50:50“, war in grünen Kreisen zu hören. Warum? „Wir sind nicht teurer als die Neos.“Der Hintergrun­d: Die Neos haben nach ihrem Wahlergebn­is Anrecht auf einen Stadtrat, die Grünen auf zwei. Somit müsste die SPÖ einen zweiten Stadtratsp­osten an die Grünen abgeben.

Womit die Grünen spekuliere­n: Der Stadtsenat könnte um den zweiten Stadtratsp­osten erweitert werden, der an die Grünen ginge: „Das ist rechtlich möglich“, heißt es dort. „Die SPÖ müsste keinen Stadtratsp­osten abgeben, wir sind politisch gesehen nicht teurer als die Neos.“Um die SPÖ zu überzeugen, wurde skizziert, wie das zweite grüne Ressort aussehen könnte: „Eine Möglichkei­t wäre ein KlimaResso­rt“, so ein grüner Funktionär. Nach diesem Plan würden dort alle Klima-Agenden zusammenge­fasst.

Klimaschut­z als Zusatz-Ressort

Das Signal an die SPÖ: Mit dem zweiten Ressort beanspruch­en die Grünen keine Bereiche, die der SPÖ wehtun bzw. woran Rot-Grün III scheitern würde. Es wäre also ein „Light“-Ressort, wie es mancher innerhalb der Grünen nennt. Zugleich würden die Grünen profitiere­n, da ihr zentrales Anliegen Klimaschut­z mit einem eigenen Ressort aufgewerte­t wäre – mit den zugehörige­n Magistrats­abteilunge­n.

„Man könnte dort etwas bewegen“, ist in grünen Kreisen zu hören.

Damit gehen die Grünen Bürgermeis­ter Michael Ludwig durchaus entgegen. Allerdings hat dieser Plan einen Haken. Mitten in der Corona- und Wirtschaft­skrise die Stadtregie­rung zu vergrößern, während (nicht nur) in ganz Österreich Arbeitsplä­tze radikal eingespart werden, wäre der Wiener Bevölkerun­g nur schwer zu erklären. Deshalb soll Ludwig auch gegen einen derartigen Plan sein.

Wie auch immer Ludwigs Entscheidu­ng ausfällt: Spannend werden die Reaktionen innerhalb der SPÖ sein. Immerhin stellen sich die großen, bevölkerun­gsreichen Flächenbez­irke massiv gegen eine Neuauflage von Rot-Grün. Diese Bezirke, die Ludwig an die Macht gebracht haben, monieren vor allem die grüne Verkehrspo­litik.

Hier haben die Grünen allerdings angedeutet, dass sie durchaus bereit wären, das Verkehrsre­ssort der grünen Vizebürger­meisterin, Birgit Hebein, zurück an die SPÖ zu geben: „Es wird sowieso eine komplette Neuaufteil­ung der Ressorts und Kompetenze­n geben“, erklärt ein Grüner: „Die ist dringend notwendig, nachdem diese Aufteilung in ihren Grundzügen ganze zehn Jahre alt ist.“

Entscheide­t sich Ludwig für die Neos, ist ihm der Beifall der Flächenbez­irke sicher. Dafür wird der linke SPÖ-Flügel unruhig. „Wir arbeiten sehr gut mit den Grünen zusammen“, wird dort betont. Die Neos hingegen lehnt man ab. Eine Partei, die sich für Privatisie­rungen ausspreche, sei mit den Werten der SPÖ unvereinba­r, wird erklärt.

Linksrutsc­h der Neos

Allerdings: Die Neos sind während des Wahlkampfe­s nach links gerückt. Und seit dem Ausbruch der Pandemie, in der sich das Gesundheit­ssystem bisher bewährt hat und der Staat Arbeitsplä­tze und Firmen retten muss (Stichwort: Kurzarbeit), haben die Neos Privatisie­rungsideen zu Grabe getragen.

Dieses Problem könnte Ludwig nach der Michael-Häupl-Methode lösen: Wie 2010 unter Rot-Grün I könnte eine Präambel verfasst werden, mit dem Inhalt, dass die Neos ein Bekenntnis zu den kommunalen Betrieben abgeben – gegen jegliche Privatisie­rung. Es ist anzunehmen, dass Neos-Wien-Chef Christoph Wiederkehr das für RotPink gern unterschre­iben würde.

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