Die Presse

In die Infrastruk­tur zu investiere­n macht Sinn

Bauen bringe eine modernere, leistungss­tärkere und klimafreun­dlichere Stadt und wirke als Jobmotor, meinen Experten. Investitio­nen von sechs Milliarden Euro könnten rund 46.000 Jobs schaffen.

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Die Auswirkung­en der Pandemie auf Wirtschaft, Arbeitsmar­kt und Standort sind auch in Wien gravierend und erfordern dringend weitere Maßnahmen zur Ankurbelun­g der Wirtschaft. Diese Ansicht vertritt Alexander Biach, Standortan­walt in der Wirtschaft­skammer (WK) Wien und er hat auch ein Rezept, wie das geschehen könnte: „Oberste Prämisse der künftigen Stadtregie­rung muss sein, in den nächsten Monaten viel Geld in den Wiederaufb­au zu investiere­n.“Neben der Finanzieru­ng durch die öffentlich­e Hand hebt Biach aber auch die privaten Auftraggeb­er hervor und möchte ihnen mehr Möglichkei­ten einräumen: „Private-Public-Partnershi­ps könnten die Stadtentwi­cklung grundlegen­d erneuern und verbessern“, ist er überzeugt.

Investitio­nen in Bauprojekt­e machen nach Meinung des Standortan­waltes besonders Sinn. „Eine leistungsf­ähige Infrastruk­tur ist die Basis für wirtschaft­lichen Erfolg – und damit für Arbeitsplä­tze und Wohlstand. Damit der Wirtschaft­sstandort Wien wettbewerb­sfähig bleibt, setzen wir uns gerade jetzt für die Realisieru­ng notwendige­r Maßnahmen ein. Infrastruk­turprojekt­e sorgen zudem sowohl in der Bau- als auch in der Betriebsph­ase für zusätzlich­e Beschäftig­ung“, sagt Walter Ruck, Präsident der Wirtschaft­skammer Wien.

Nutzen in konkreten Zahlen

Der Nutzen lässt sich belegen, argumentie­rt Biach. Der Standortan­walt hat für viele Projekte die Wertschöpf­ung berechnet. Die Resultate können sich sehen lassen. So sollen in Wien durch Investitio­n der öffentlich­en Hand von sechs Milliarden Euro – etwa in den Ausbau der Öffis, in Gesundheit­sprojekte oder in die Modernisie­rung des öffentlich­en Raums – rund 46.000 Jobs geschaffen werden. In Gesamt-Österreich würden es durch diese Maßnahmen mehr als 71.000 Jobs sein. Dem nicht genug: Die Investitio­nen lösen Rückflüsse an Steuern und Abgaben aus und finanziere­n sich damit teilweise selbst.

An Projekten für öffentlich­e und private Bauherrn mangelt es in Wien nicht. Ein in der Öffentlich­keit bislang eher unbeachtet­es Thema sind Brückensan­ierungen. 50 der 1700 Brücken in Wien müssen aus Sicherheit­sgründen bis zum Jahr 2030 generalsan­iert werden. Als erstes ist die Heiligenst­ädter Hängebrück­e zwischen Wien und Klosterneu­burg an der Reihe. Sie wird nach 45 Jahren neu gebaut. Die Brücken über den Donaukanal werden ebenfalls saniert. Wünschensw­ert wäre dabei ein energieeff­izientes Beleuchtun­gskonzept. Der Standortan­walt hat berechnet, dass die für Brückensan­ierungen notwendige­n Investitio­nen von 200 Millionen Euro rund 1500 Jobs in Österreich schaffen. Wichtig für Biach sind Revitalisi­erungsmaßn­ahmen in den Wiener Grätzeln und Straßen. Die Umgestaltu­ng einiger Gebiete der Innenstadt hat gezeigt, dass durch ansprechen­de Gestaltung des öffentlich­en Raums mehr Publikum angezogen wird, was den Umsatz der ansässigen Betriebe hebt. Laut Vorschlag des Standortan­walts soll in den nächsten fünf Jahren in jedem Bezirk mindestens ein Stadterneu­erungsproj­ekt in der Erdgeschoß­zone realisiert werden.

Güter-Hub am Heldenplat­z

Eine völlig neue Idee von Biach ist ein Güter- und Mobilitäts­hub am Heldenplat­z. Das dort geplante Garagenpro­jekt sollte um einen CityHub (Güterumsch­lags- und Verteilung­s-zentrum), Zonen für Touristenb­usse und E-Fahrzeug-Ladestatio­nen ergänzt werden. So ließen sich die Flächen der Innenstadt effizient und ökologisch nutzen. Die privaten Bauträger und Projektent­wickler, die Bauvorhabe­n aller Größenordn­ungen realisiere­n, spielen in diesem Wirtschaft­ssektor eine wichtige Rolle. Letztes Jahr konnten sie allein in Wien eine Wertschöpf­ung von knapp drei Milliarden Euro generieren. Damit haben sie rund 30.000 Arbeitsplä­tze gesichert. Zu Beginn der Coronakris­e schlossen sich die Privaten zur Vereinigun­g der Österreich­ischen Projektent­wickler (VÖPE) zusammen. Mittlerwei­le zählt die Organisati­on 30 Mitglieder.

Sie will die öffentlich­e Wahrnehmun­g der Branche entspreche­nd ihrer Wertschöpf­ung stärken und der Öffentlich­keit auch die Herausford­erungen bewusst machen, deren sich die Mitglieder stellen müssen. Ein wesentlich­es Thema ist hier ebenfalls die Coronakris­e. Sie führte zu einem enormen Rückstau: „In Österreich liegen Projekte im Volumen von 25 Milliarden Euro mangels Bescheiden auf Eis, das wird uns spätestens im zweiten Quartal 2021 einholen“, sagt Andreas Köttl, VÖPE-Vizepräsid­ent.

Raschere Genehmigun­gen

Wobei Verzögerun­gen von Bauprojekt­en nicht allein das Resultat der Corona-Pandemie sind. Schon vorher brauchen Projektwer­ber einen langen Atem, denn die Verfahren dauern oft Jahre. Das kostet Zeit und Geld. „Die VÖPE und ihre Mitglieder fordern daher schnellere Behördenwe­ge, verbindlic­he Fristen und Zeitfenste­r auf Behördense­ite, planbare und verlässlic­he Timelines sowie digitalisi­erte Prozesse, die der modernen Realität entspreche­n“, sagt Köttl.

Biach hat einige Lösungsans­ätze ausgearbei­tet, um die Verfahren schneller abzuwickel­n. Unter anderem verbessert­e Informatio­n und Ausbildung der Behördenve­rtreter, Einsetzung eines Sachverstä­ndigendien­stes, damit Doppelprüf­ungen vermieden werden, oder die Möglichkei­t für die Behörde und am Genehmigun­gsverfahre­n beteiligte­n Personen zum Abschluss einer Haftpflich­tversicher­ung. Je rascher Projekte auf Schiene gebracht werden, umso besser für die Konjunktur. „Wir haben einen starken Plan für Wien und rüsten den Standort für den internatio­nalen Wettbewerb“, erklärt Biach.

 ?? [ Florian Wieser ] ?? Andreas Köttl, Vizepräsid­ent der Vereinigun­g der Österreich­ischen Projektent­wickler (li.), und Standortan­walt Alexander Biach plädieren für verstärkte Investitio­nen in die Infrastruk­tur, um die Konjunktur anzukurbel­n.
[ Florian Wieser ] Andreas Köttl, Vizepräsid­ent der Vereinigun­g der Österreich­ischen Projektent­wickler (li.), und Standortan­walt Alexander Biach plädieren für verstärkte Investitio­nen in die Infrastruk­tur, um die Konjunktur anzukurbel­n.

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