Herkulesaufgabe vor der Haustür
Tennis. Um wie im Vorjahr sein Heimturnier in der Wiener Stadthalle zu gewinnen, muss Dominic Thiem fünf ausgesprochen starke Gegner bezwingen. Zum Auftakt wartet ein Ex-Top-Ten-Spieler.
Wien. Es ist ein surreal gutes Teilnehmerfeld, das sich dieses Jahr bei den Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle eingefunden hat. Allein fünf Spieler aus den Top Ten der Rangliste schlagen dieser Tage am Vogelweidplatz auf, ohne der kurzfristigen Absagen von Diego Schwartzman und Matteo Berrettini wären es sogar sieben gewesen. Viel mehr war aus Sicht des Veranstalters auch nicht möglich.
Der Weltranglistenzweite Rafael Nadal gönnt sich nach den Strapazen der French Open noch etwas Pause und beginnt sobald die Vorbereitung auf das Saisonfinish mit dem ATP-1000-Event in Paris und den World Tour Finals in London. Roger Federer (ATP 4) hatte seine Saison verletzungsbedingt schon im Juni für beendet erklärt – und Alexander Zverev (ATP 7) schnauft nach zwei intensiven Wochen in Köln durch.
Nahe an der „mission impossible“
Der Pole Hubert Hurkacz ist als Nummer 31 der letzte, direkt qualifizierte Spieler in Wien. Zur deutlicheren Veranschaulichung: Bei einem Grand-Slam-Turnier wäre Hurkacz sogar noch einer der 32 gesetzten Spieler. Der Raster in der Stadthalle liest sich wie ein Auszug aus dem Who’s who der Tenniswelt, schon manche Erstrundenbegegnung könnte aufgrund der immensen Dichte anderswo ein Finale sein. Für Dominic Thiem ist es ein „unwirklich starkes Feld“, und auch Branchenprimus Novak Djokovic´ erklärte nach der Auslosung: „Es ist vielleicht das stärkste Feld bei einem ATP-500-Turnier, bei dem ich jemals dabei war.“
Skizziert man den Weg Thiems zur Titelverteidigung, so zeigt sich die Schwierigkeit der Aufgabe: 1. Runde Kei Nishikori, Achtelfinale Stan Wawrinka, Viertelfinale Andrej Rublew, Halbfinale Daniil Medwedew, Finale Novak Djokovic.´ Geht es nicht immer nach der Papierform, könnten Herren wie Jannik Sinner (Viertelfinale), Felix AugerAliassime (Halbfinale) oder Stefanos Tsitsipas (Finale) warten. „Es ist keine ,mission impossible‘, aber fast“, meint der 27-Jährige angesichts der enormen Konkurrenz.
Schon sein Auftaktgegner, Kei Nishikori, verfügt über einen klingenden Namen. Der Japaner war lange Zeit fester Bestandteil der Top Ten, aufgrund immer wiederkehrender Verletzungen war ein
Absturz in der Rangliste aber unvermeidlich. Aktuell wird Nishikori, US-Open-Finalist 2014, an Position 37 geführt, dank seines geschützten Rankings (Rang zehn, vor Inanspruchnahme der Verletzungspause) steht aber auch er fix im Hauptbewerb.
Japaner ohne Matchpraxis
Mit Nishikori hat Thiem mehr negative als positive Erfahrungen gemacht (2:3-Bilanz), vor allem die glatte Zweisatzniederlage im WienViertelfinale 2018 ist in schmerzhafter Erinnerung. Rückschlüsse lassen die fünf vorangegangenen Duelle der beiden jedoch kaum zu, weil Nishikori nach seiner schwerwiegenden Handgelenksverletzung (Operation im Oktober 2019) die Machpraxis fehlt. Seit seiner Rückkehr auf die Tour im Juli hat der 30-Jährige nur sechs Spiele bestritten, auf Hartplatz aber kein einziges. Ein positiver Coronatest kurz vor den US Open machte ein Antreten in New York unmöglich. Thiem geht unbestritten als Favorit in die heutige Begegnung, es hätte noch unangenehmere Auftaktgegner gegeben, und dennoch zeigt er sich gewarnt: „Ein Spieler wie Nishikori ist immer gefährlich, weil er ewig lang in den Top Ten war.“
Bereits am Montag war Österreichs Nummer zwei Dennis Novak im Einsatz. Der 27-Jährige, er knackte im Jänner erstmals die Top 100, vergab gegen Kevin Anderson die große Chance auf eine Überraschung, unterlag dem favorisierten Südafrikaner letztlich aber denkbar knapp mit 7:6 (2), 4:6, 6:7 (6). Im Tiebreak des dritten Satzes ließ der Niederösterreicher drei Matchbälle ungenutzt.
Es ist keine „mission impossible“, aber fast. Das Teilnehmerfeld ist heuer unwirklich stark, jedes Match ein Wahnsinn.
Dominic Thiem, Titelverteidiger und Nummer zwei des Turniers.