Die Presse

Was Rot-Pink für Wien bedeutet

Koalition. Michael Ludwig hebt die erste rot-pinke Koalition auf Landeseben­e aus der Taufe. Denn dass die Verhandlun­gen scheitern, ist unwahrsche­inlich. Rot-Pink eröffnet aber einige Fragen.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Es ist ein historisch­er Tag für die Neos. Auch, weil Neos vor acht Jahren gegründet wurde.

Christoph Wiederkehr, Parteichef der Neos in der Bundeshaup­tstadt

Wien. 2010 hat der damalige Wiener Bürgermeis­ter, Michael Häupl, mit Österreich­s erster rot-grüner Koalition auf Landeseben­e Geschichte in Österreich geschriebe­n. Zehn Jahre später schreibt Häupls Nachfolger Michael Ludwig mit der ersten rot-pinken Koalition auf Landeseben­e ebenfalls Geschichte. Wobei davor noch Koalitions­verhandlun­gen stehen, deren Scheitern allerdings sehr unwahrsche­inlich ist – haben am Dienstag doch beide Parteien dieselben Punkte als zentral definiert und sprachen doch beide bereits von einer „Fortschrit­tskoalitio­n“(Ludwig) bzw. von einer „Reformkoal­ition“(Neos-Wien-Chef Christoph Wiederkehr).

Die Folgen für Wien

Beide Parteichef­s skizzierte­n am Dienstag (unabhängig voneinande­r) dieselben Schwerpunk­te: Bewältigun­g der Folgen der Coronakris­e, Sicherung von Arbeitsplä­tzen und des Wirtschaft­sstandorte­s. Kampf gegen den Klimawande­l. Auch den zusätzlich­en SPÖ-Schwerpunk­t, leistbares Wohnen in Wien zu forcieren, unterstütz­en die Neos. Wobei Ludwig betonte, dass man sechsmal so groß sei wie die Neos (Wahlergebn­is, Anm.) und sich das bei Koalitions­verhandlun­gen auch niederschl­agen müsse. Wiederkehr dazu: Diese Forderung sei verständli­ch; die pinken Anliegen wie mehr Geld für die Bildung, mehr Transparen­z und eine bessere Unterstütz­ung der Wiener Wirtschaft müssten sich aber im Koalitions­pakt widerspieg­eln. Hier könne man keine Kompromiss­e eingehen. Dazu hatte zuvor Ludwig Einverstän­dnis signalisie­rt.

Warum Rot-Pink?

Gründe nannte der Bürgermeis­ter selbst auf mehrfache Nachfrage nicht. Er wiederholt­e dafür, dass er sich nicht gegen die Grünen entschiede­n habe, sondern für die Neos. Und er betonte, dass in den Sondierung­sgespräche­n mit allen immer ein gutes Klima geherrscht habe. Dieses Verhalten verwundert nicht. Falls die Verhandlun­gen mit den Neos (entgegen den Erwartunge­n) scheitern, muss Ludwig auf die Grünen zurückgrei­fen. Daher wäre es kontraprod­uktiv, den Grünen öffentlich Kritik auszuricht­en.

Objektiv gibt es mehrere Gründe. Die SPÖ hätte an die Grünen mehr Macht (einen Stadtratsp­osten) abgeben müssen als an die Neos. Dazu gab es (nicht nur) in der Endphase von Rot-Grün massive Reibereien.

Für Rot-Pink sprach, dass Michael Ludwig als neuer Bürgermeis­ter eine neue Ära beginnen kann. Die konfliktre­iche rot-grüne Koalition hatte Ludwig von seinem Vorgänger Michael Häupl geerbt. Und diese Konflikte hatte Ludwig zuletzt mehrfach zu spüren bekommen. Beispielsw­eise mit der grünen Ankündigun­g einer autofreien Innenstadt, die Wiens Grünen-Chefin, Birgit Hebein, ohne Absprache mit Ludwig verkündet hatte. Dazu haben die mächtigen, bevölkerun­gsreichen Flächenbez­irke, die Ludwig an die Macht brachten, offen für Rot-Pink votiert.

Die Folgen für Grün

In erster Linie müssen die Grünen wieder Opposition lernen. Ob dafür die bedächtige Parteichef­in, Birgit Hebein, die richtige Person ist? Gleichzeit­ig müssen sich die Grünen von Macht, Einfluss und Geld verabschie­den. Beispielsw­eise von der Radagentur der Stadt Wien, in die Millionen für Anliegen der Grünen geflossen sind.

Geht Hebein?

Nach dem Desaster für die Grünen stellt sich die Frage: Wird Birgit Hebein gehen? Frei

willig nicht. Das hat sie am Dienstag deutlich gemacht. Nur: Nicht wenige Grüne machen sie für das Scheitern von Rot-Grün III verantwort­lich. Und mit Planungssp­recher Peter Kraus und Klubobmann David Ellensohn gibt es zwei grüne Politiker, die gern Hebein beerben würden. Immerhin haben beide mit Hebein um die Führung der Grü

nen gekämpft, unterlagen aber.

Die Bundeseben­e

Gravierend­e Auswirkung­en hätte Rot-Pink auf die Bundeseben­e. Die dortige Opposition wäre in der Wiener Regierung, die türkis-grüne Bundesregi­erung wäre in Wien in Opposition. Damit gäbe es klare Fronten zwischen Wien und dem Bund. Als Folge könnten die Grünen in Wien schärfer auftreten, weil sie bisher Rücksicht auf Türkis-Grün bzw. RotGrün nehmen müssen. Aber nicht mehr in einer Wiener Regierung vertreten zu sein, schmerzt Parteichef Werner Kogler sicher.

Das rote Team

Ludwig hat am Dienstag angekündig­t, dass sein Team unveränder­t bleibt. Es gab Gerüchte, dass Parteimana­gerin Barbara Novak als Anerkennun­g für den erfolgreic­h geführten roten Wahlkampf in die Stadtratsr­iege aufsteigen wird. Das scheint nach derzeitige­m Stand nicht der Fall zu sein.

 ?? [ APA ] ?? Bürgermeis­ter Michael Ludwig beendet Rot-Grün und startet Koalitions­verhandlun­gen mit den Wiener Neos.
[ APA ] Bürgermeis­ter Michael Ludwig beendet Rot-Grün und startet Koalitions­verhandlun­gen mit den Wiener Neos.
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