Justiz: Neue Planstellen warten auf Bewerber
Rekrutierung. Die politische Fehlplanung der letzten Jahre führt zu einem Personalmangel in der Justiz: Es wurde zu wenig ausgebildet, Pensionierungswellen verschärfen das Problem. Die Staatsanwaltschaften wollen Quereinsteiger locken.
Wien. Justizministerin Alma Zadic´ (Grüne) will in der Justiz aufstocken und hat dafür erste neue Planstellen geschaffen. Nur sind diese schon jetzt kaum beziehungsweise nicht zu besetzen. In der Vergangenheit hat man verabsäumt, genug Nachwuchs auszubilden. Die Justiz will die leeren Plätze nun mit Quereinsteigern füllen.
Die Politik der vergangenen Jahre hat die Balance zwischen Exekutive und Justiz in Schieflage gebracht. Während der Polizeiapparat aufgestockt und das Innenministerium gestärkt wurde, wurde in der Justiz gespart. Allerdings sind Justiz und Exekutive kommunizierende Gefäße: Wenn die Polizei mehr Ressourcen hat und mehr Anzeigen erstattet werden, muss das auf der anderen Seite auch wieder abgearbeitet werden. Die Staatsanwaltschaften und Gerichte stöhnen seit Jahren unter hohem Arbeitsaufwand.
Verfahren dauern teilweise sehr lang. ExJustizminister Clemens Jabloner hatte vom „stillen Tod“der Justiz gesprochen.
Türkis-Grün wollte dieses Problem mit zusätzlichen 65 Millionen Euro im Budgettopf lindern. 255 neue Planstellen sollten geschaffen werden, mehr als die Hälfte wurden Staatsanwaltschaften und Gerichten zugesichert. Zuletzt hatte Zadic´ noch weitere Aufstockungen angekündigt.
Politische Fehlplanung
Nun fällt es aber offenbar schwer, diese neuen Posten überhaupt zu füllen. Allein bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) sind derzeit sieben Planstellen von insgesamt 231 offen. Auch am Oberlandesgericht Wien mit derzeit 800 Planstellen wird es zunehmend eng. Die nächsten Jahre steht außerdem eine Pensionierungswelle an, dazu kommen Karenzen und natürliche Fluktuation zwischen den Institutionen.
Sprich: Etliche Posten werden vakant, deren Nachbesetzungen Kopfschmerzen bereiten. Dabei war der eklatante Personalmangel absehbar und ist auf politische Fehlplanung zurückzuführen. Wer Staatsanwalt oder Richter werden will, muss eine vierjährige Richteramtsanwärterausbildung absolvieren. Die Ausbildungsstellen wurden in den vergangenen Jahren sukzessive zurückgefahren. Mit 1. Juli 2020 gab es in ganz Österreich 180 Richteramtsanwärter – 2016 waren es noch 240.
Die drohende Personalnot will man bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien nun kreativ lösen: Man will ein Programm starten, um Quereinsteiger ins Boot zu holen. Da sieht man auch Corona und die unsichere wirtschaftliche Lage als Chance, um Personen zu gewinnen, die lieber auf einen krisensicheren Job umsatteln wollen. Zielgruppe sind Juristen, die bereits eine Anwaltsprüfung absolviert haben. Momentan ist für
Quereinsteiger zumindest eine reduzierte Richterausbildung von einem Jahr gesetzlich vorgeschrieben – wenn nicht genügend qualifiziertes Personal zu finden ist, kann das aber seitens der Justizministerin auf wenige Monate verkürzt werden. Weiters müssten die quereinsteigenden Anwälte eine Richter-Ergänzungsprüfung machen. Aber auch das ist eine durchaus schaffbare Hürde, da relativ viel angerechnet wird. „Ich finde es sehr wichtig, dass man die Durchlässigkeit zwischen Richtern und Staatsanwälten auf der einen Seite und dem Anwalts- und Notariatsberuf auf der anderen Seite fördert“, sagt Ministerin Zadic´ zur „Presse“. Damit würden auch bei Berufsausübung unterschiedliche Sichtweisen in die jeweilige Tätigkeit einfließen. „Viele sind von Anfang an überzeugt, dass sie Richter oder Staatsanwälte werden wollen, andere überlegen es sich erst später. Für Letztere wollen wir die bereits bestehenden Möglichkeiten des Quereinstiegs weiter fördern“, sagt Zadic.´
Pro-und-Contra-Liste
Zu den Vorteilen für die Arbeit beim Staat gehört das deutlich geringere Arbeitspensum als in einer durchschnittlichen Anwaltskanzlei. 60-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit. Gerade für Personen mit Familie ist das kaum machbar, darum wechseln insbesondere Frauen häufig in andere Bereiche. Die OStA Wien, zu der die Staatsanwaltschaften im Burgenland, in Niederösterreich und in Wien gehören, ist übrigens zu knapp 70 Prozent weiblich.
Contra: Die Entwicklungsmöglichkeiten finanzieller Natur liegen etwas unter denen eines guten Anwalts. Das reguläre Einstiegsgehalt liegt für Staatsanwälte aber auch bei 4400 Euro brutto. Quereinsteiger mit Berufserfahrung müssen zudem nicht ganz unten im Gehaltsschema anfangen – berufliche Vorerfahrung soll angerechnet werden.
Das neue Rekrutierungsprogramm wird nun ausgearbeitet, danach soll der Bewerbungs- und Auswahlprozess gestartet werden. Ein derartiges Personalaufnahmeprogramm gab es in der Justiz übrigens schon einmal vor einigen Jahren. Mit den Quereinsteigern habe man durchaus positive Erfahrungen gemacht, heißt es seitens der OStA. Sie brachten ein breites Know-how aus unterschiedlichen Bereichen mit, wovon auch die Staatsanwaltschaften profitiert hätten.