Berliner Nachhilfe im Lüften
Technik. In den Klassenzimmern wird mit CO2-Messgeräten der „Lüftungsrhythmus“gesucht. Eine Million Euro kostet das. Minister Faßmann setzt lieber auf „Hausverstand“.
Berlin. In Berlin sind die Herbstferien zu Ende. Und der Schulalltag beginnt mit einem neuen, ganz inoffiziellen Unterrichtsgegenstand: Schüler lernen lüften. Eine Million Euro lässt es sich die Stadtverwaltung kosten, den Nachwuchs (und auch die Lehrer) im regelmäßigen und richtigen Öffnen der Fenster zu trainieren.
Das Geld wurde für 3500 CO2Messgeräte ausgegeben, die in diesen Tagen an die Schulen ausgehändigt werden. Sie zeigen über ein Ampelsystem an, wie es um die Raumluft im Klassenzimmer steht. Drei bis fünf Geräte werden pro Schule bereitgestellt. Hat eine Klasse den richtigen „Lüftungsrhythmus“gefunden, werden die Geräte weitergegeben.
Ein paar Vorgaben gibt es auch: Klassenräume müssen immer vor und nach dem Unterricht und mindestens einmal in der Mitte jeder Unterrichtsstunde drei bis fünf Minuten lang durchlüftet werden, um die potenzielle Viruslast in der Raumluft zu senken. Kipplüften gilt nicht, nur Stoß- und Querlüften. Im besten Fall wird also auch die
Klassentür geöffnet. Die Lüftungsoffensive wird von dringenden Appellen der Bildungssenatorin, Sandra Scheeres (SPD), flankiert: „Ich bitte alle Schulgemeinschaften noch einmal ausdrücklich darum, das Thema Lüften sehr ernst zu nehmen.“Schließlich handle es sich um „eine der wichtigsten Maßnahmen in geschlossenen Räumen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern.“
Den Schülern rät sie, sich warm anzuziehen. „Man kann auch einmal einen Schal oder ein Tuch umlegen“, sagte Scheeres neulich. Die Lüftungskampagne findet aber auch vor dem Hintergrund statt, dass es einige mit dem Lüften übertrieben haben. Die Fenster standen den ganzen Tag über offen. Das geht nicht in der kalten Jahreszeit.
Die Offensive hat ihre Tücken. Viele Berliner Schulen gelten als Sanierungsfall. Manchmal sind die Fenster kaputt oder es gibt keine oder sie lassen sich nur kippen. Die Bildungssenatorin tut das als „Einzelfälle“ab. An einigen Schulen wurden aber bereits Raumluftfilter erprobt.
In Österreich hat Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) der
Idee von CO2-Messgeräten eine Absage erteilt. Hier sollen die Fenster in den Klassen einfach alle 15 bis 20 Minuten kurz geöffnet werden. Das sei „ein ausgezeichneter Richtwert“.
Insofern brauche es keine CO2Messgeräte. „Dazu braucht man manchmal nur Hausverstand.“Der im Umweltministerium angesiedelte „Arbeitskreis Innenraumluft“sieht das übrigens anders als Faßmann.
Maskenpflicht an Oberstufe
Nur Lüften reicht auch an vielen Berliner Schulen nicht mehr. In der Oberstufe sowie in Berufsschulen und Oberstufenzentren muss seit Montag auch während des Unterrichts ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.
Und in den nächsten Tagen sattelt Berlin, längst auch CoronaHotspot, auf eine Schulampel um. Die lokalen Behörden stufen dabei jede Schule einzeln nach Infektionsgeschehen als grün, gelb, orange oder rot ein. Schon bei Gelb gilt Maskenplicht an der Oberstufe. Springt die Ampel auf Rot, wird „eine Verknüpfung von schulisch angeleitetem Lernen zu Hause und Präsenzunterricht“vorgegeben.