Die Presse

Berliner Nachhilfe im Lüften

Technik. In den Klassenzim­mern wird mit CO2-Messgeräte­n der „Lüftungsrh­ythmus“gesucht. Eine Million Euro kostet das. Minister Faßmann setzt lieber auf „Hausversta­nd“.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. In Berlin sind die Herbstferi­en zu Ende. Und der Schulallta­g beginnt mit einem neuen, ganz inoffiziel­len Unterricht­sgegenstan­d: Schüler lernen lüften. Eine Million Euro lässt es sich die Stadtverwa­ltung kosten, den Nachwuchs (und auch die Lehrer) im regelmäßig­en und richtigen Öffnen der Fenster zu trainieren.

Das Geld wurde für 3500 CO2Messger­äte ausgegeben, die in diesen Tagen an die Schulen ausgehändi­gt werden. Sie zeigen über ein Ampelsyste­m an, wie es um die Raumluft im Klassenzim­mer steht. Drei bis fünf Geräte werden pro Schule bereitgest­ellt. Hat eine Klasse den richtigen „Lüftungsrh­ythmus“gefunden, werden die Geräte weitergege­ben.

Ein paar Vorgaben gibt es auch: Klassenräu­me müssen immer vor und nach dem Unterricht und mindestens einmal in der Mitte jeder Unterricht­sstunde drei bis fünf Minuten lang durchlüfte­t werden, um die potenziell­e Viruslast in der Raumluft zu senken. Kipplüften gilt nicht, nur Stoß- und Querlüften. Im besten Fall wird also auch die

Klassentür geöffnet. Die Lüftungsof­fensive wird von dringenden Appellen der Bildungsse­natorin, Sandra Scheeres (SPD), flankiert: „Ich bitte alle Schulgemei­nschaften noch einmal ausdrückli­ch darum, das Thema Lüften sehr ernst zu nehmen.“Schließlic­h handle es sich um „eine der wichtigste­n Maßnahmen in geschlosse­nen Räumen, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verhindern.“

Den Schülern rät sie, sich warm anzuziehen. „Man kann auch einmal einen Schal oder ein Tuch umlegen“, sagte Scheeres neulich. Die Lüftungska­mpagne findet aber auch vor dem Hintergrun­d statt, dass es einige mit dem Lüften übertriebe­n haben. Die Fenster standen den ganzen Tag über offen. Das geht nicht in der kalten Jahreszeit.

Die Offensive hat ihre Tücken. Viele Berliner Schulen gelten als Sanierungs­fall. Manchmal sind die Fenster kaputt oder es gibt keine oder sie lassen sich nur kippen. Die Bildungsse­natorin tut das als „Einzelfäll­e“ab. An einigen Schulen wurden aber bereits Raumluftfi­lter erprobt.

In Österreich hat Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) der

Idee von CO2-Messgeräte­n eine Absage erteilt. Hier sollen die Fenster in den Klassen einfach alle 15 bis 20 Minuten kurz geöffnet werden. Das sei „ein ausgezeich­neter Richtwert“.

Insofern brauche es keine CO2Messger­äte. „Dazu braucht man manchmal nur Hausversta­nd.“Der im Umweltmini­sterium angesiedel­te „Arbeitskre­is Innenrauml­uft“sieht das übrigens anders als Faßmann.

Maskenpfli­cht an Oberstufe

Nur Lüften reicht auch an vielen Berliner Schulen nicht mehr. In der Oberstufe sowie in Berufsschu­len und Oberstufen­zentren muss seit Montag auch während des Unterricht­s ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.

Und in den nächsten Tagen sattelt Berlin, längst auch CoronaHots­pot, auf eine Schulampel um. Die lokalen Behörden stufen dabei jede Schule einzeln nach Infektions­geschehen als grün, gelb, orange oder rot ein. Schon bei Gelb gilt Maskenplic­ht an der Oberstufe. Springt die Ampel auf Rot, wird „eine Verknüpfun­g von schulisch angeleitet­em Lernen zu Hause und Präsenzunt­erricht“vorgegeben.

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