Mattersburg: Holzmanns Lehren
Commerzialbank. Für OeNB-Gouverneur Robert Holzmann sind die Bankenprüfer nicht die Polizei, Bankenpleiten unvermeidbar und die Einlagensicherung reformbedürftig.
Wien. Der Betrug bei der Commerzialbank Mattersburg gehört zu den größten Bankenskandalen der österreichischen Nachkriegsgeschichte. Die Aufarbeitung der Hintergründe und Details wird Politik und Justiz noch ein Weilchen beschäftigen. Dabei wird vor allem das Versagen der Kontrollinstanzen zu beleuchten sein.
Eine davon ist die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) – sie muss sich vorwerfen lassen, die 30 Jahre andauernden Manipulationen trotz Hinweisen nicht früher entdeckt zu haben. Ihr oberster Vertreter, OeNB-Gouverneur Robert Holzmann, hat sich dazu bisher ein Mal in der „Kronen Zeitung“wie folgt geäußert: „ein Kriminalfall, bei dem mit höchster Energie und Finesse ein internes Pyramidenspiel geschaffen wurde“. Vergangene Woche bei der Generalversammlung der Österreichischen Bankwissenschaftlichen Gesellschaft (BWG) hat er seine Meinung ausführlicher kundgetan.
Allem voran findet Holzmann, dass ein Aspekt „von essenzieller Wichtigkeit“im Fall der Commerzialbank in den Medien zu kurz komme: Die Bankenaufsicht sei kein Selbstzweck, sondern dazu da, um die Stabilität des gesamten Banken- und Finanzsystems sicherzustellen. „Eine Volkswirtschaft wäre ohne ein funktionsfähiges Bankensystem nämlich nicht denkbar“, erklärt der Gouverneur dem fachkundigen Publikum. Das europäische Regelwerk sehe vor, dass einzelne, in Schieflage geratene Marktteilnehmer „möglichst systemschonend aus dem Markt austreten“können. Insolvenzen von Banken können daher nicht verhindert werden, sondern lediglich deren „Eintrittswahrscheinlichkeit reduziert werden“, so Holzmann. Die Aufgabe der Bankenaufsicht sei nicht, Sparer oder Kreditinstitute zu schützen, sondern das Bankwesen an sich – als essenziellen Teil unseres Wirtschaftssystems.
OeNB agiere im Rechtsschutz der FMA
Es sei auch nicht die Aufgabe der Bankenaufseher, forensische Prüfungen durchzuführen und nach Betrug oder Unregelmäßigkeiten zu suchen, um kriminelles Verhalten zu verhindern, sagt der ehemalige Weltbank-Direktor. Die Prüfer seien nicht mit den dafür notwendigen Befugnissen ausgestattet: „Wir reden von der Bankenaufsicht, und nicht von Bankenpolizei.“Für Hausdurchsuchungen, Kommunikationsüberwachung und Kontenöffnung sei die Staatsanwaltschaft zuständig, die Bankenaufseher seien dagegen darauf eingestellt, „seriöse Akteure“zu beaufsichtigen, sagt Holzmann. Zudem sei die international vorgegebene
Regulierung immer „umfangreicher, detaillierter und komplexer“geworden. Die Bankenprüfer hätten aber begrenzte Ressourcen und könnten sich bei Vor-Ort-Prüfungen nur auf Teilbereiche konzentrieren.
Den von einigen Sammelklägern angekündigten Schadenersatzklagen sieht Holzmann entspannt entgegen: Fehlerhaftes Verhalten der Finanzmarktaufsicht (FMA) sei gegenüber Dritten gesetzlich ausgeschlossen – und da die OeNB im Zuge der Aufsicht im Auftrag der FMA agiere, sei „das Handeln der OeNB der FMA zuzurechnen“, sagt der 71-Jährige. Das würde auch die OeNB von der Amtshaftung ausschließen. Dass Schäden gegenüber den Beaufsichtigten sehr wohl geltend gemacht werden können, führt er indes nicht im Detail aus. Und das, obwohl der Commerzialbank-Masseverwalter Kosch & Partner die FMA bzw. die Republik auf Schadenersatz klagen wird – offen ist nur noch, auf welche Schadensumme.
Lösung: Finanzbildung und Transparenz
Interessante Ideen hat der OeNB-Gouverneur in Bezug auf die Einlagensicherung. Diese ersetzt Guthaben bis zu einer Summe von 100.000 Euro. Im Fall der Commerzialbank wurden bisher knapp 490 Millionen Euro ausgezahlt. Holzmann schlägt vor, dass Banken je nach individuellem Risiko in den Einlagenfonds einzahlen sollen und ein einheitlicher Zinssatz verrechnet wird, damit Anleger nicht zuerst von etwaigen überhöhten Zinssätzen profitieren und diese dann im Schadensfall auch noch entgolten bekommen. Die aktuelle Variante würde zu einem „Trade-off zwischen Verhinderung von Bank Runs auf der einen und Moral Hazard auf der anderen Seite“führen.
Um Vorfälle wie bei der Commerzialbank künftig zu verhindern, plädiert Holzmann dafür, die Finanzbildung auszubauen und die Markttransparenz zu erhöhen – das würde Informationsasymmetrien verhindern und zu besseren Entscheidungen führen.