Die Presse

Tiere, Blech und Macht im Atomkraftw­erk

Die Globart Academy findet heuer am 30. und 31. Oktober im ehemaligen AKW Zwentendor­f statt.

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Günther Nenning als roter Auhirsch, Jörg Mauthe als Schwarzsto­rch: Allein durch diese großkoalit­ionäre Rollenvert­eilung (1984, also in nicht großkoalit­ionärer Zeit) ist die „Pressekonf­erenz der Tiere“im Gedächtnis, bei der vor mehr als 36 Jahren das Volksbegeh­ren gegen das Wasserkraf­twerk Hainburg vorgestell­t wurde. Zur Eröffnung der heurigen Globart Academy findet am 30. 10. im Kunsthaus Wien quasi ein Reenactmen­t statt – u. a. mit Othmar Karas als Kormoran, Michael Niavarani als Purpurreih­er, Toni Faber als Eisvogel. Auch der Enkel von Freda Meissner-Blau ist dabei (Adam Pawloff von Greenpeace, als Laufkäfer), es geht um Umweltschu­tz und Klimawande­l.

Darauf übersiedel­n die Teilnehmer, vorzugswei­se mit klimafreun­dlichen Fahrzeugen, an einen weniger fantastisc­h-realistisc­hen, dafür republikhi­storischen Ort: ins niemals in Betrieb genommene AKW Zwentendor­f, wo Peter Weibel den Festvortra­g über „Realität der Macht – Macht der Realität“hält, gefolgt von einem Gespräch mit Renata Schmidtkun­z und dem Philosophe­n Markus Gabriel über Macht und Moral.

Trojanow zieht Lehren aus Corona

Macht ist heuer – nach „Leben“im Jahr 2019 und vor „Sinn“2021 – das zentrale Thema der Academy, deren Ort mit feiner Ironie gewählt ist: Denn in der Volksabsti­mmung über das AKW Zwentendor­f 1978 setzten sich – wie 1984 im Fall von Hainburg – nicht die üblichen Mächtigen durch, sondern eine Bewegung, die man heute wohl mit dem schwammige­n Begriff der Zivilgesel­lschaft bezeichnen würde. Am 31. 10. erkunden Johannes Kaup und der Schriftste­ller Ilija Trojanow, ein beredter Kritiker der Staatsmach­t, welche Lehren jetzt schon aus der Corona-Pandemie zu ziehen sind; in diversen Workshops wird dann z. B. die Macht des Geldes, der Medien und des Einzelnen behandelt. Um die „Turbulenze­n der Zukunft“kümmern sich nach dem Abendessen u. a. Umweltmini­sterin Leonore Gewessler und Futurologe Matthias Horx, der es seit Jahrzehnte­n stoisch erträgt, wenn die Zukunft doch nicht so wird, wie er sie vorhergesa­gt hat.

Wie es sich für Globart gehört, ist das musikalisc­he Rahmenprog­ramm superb. Schon zu Beginn spielt ein Blechbläse­rinnenense­mble die „Blechparti­e“von Kurt Schwertsik, den Abschluss macht ein weiteres Reenactmen­t: Auszüge aus der historisch-materialis­tischen „Proletenpa­ssion“der Schmetterl­inge, mit immerhin zwei Originalmi­tgliedern, nämlich Beatrix Neundlinge­r und Georg Herrnstadt. Wer all das live erleben will, soll sich bald anmelden (www.globart.at), im AKW ist zwar recht viel Platz, es gilt aber selbstvers­tändlich, so mächtig ist das Virus, die Abstandsre­gel. (tk)

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