Die Presse

Großbritan­nien startet mit Impfungen

Pandemie. Pfizer-Biontech erhielt eine Notzulassu­ng. Risikogrup­pen impft man zuerst.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Als erstes Land in Europa wird Großbritan­nien ab kommender Woche mit Impfungen gegen Covid-19 beginnen. Der Weg dazu wurde gestern Früh freigemach­t, nachdem die zuständige Behörde MHRA dem Impfstoff von PfizerBion­tech die Bewilligun­g erteilt hatte und die Regierung der Empfehlung zustimmte. „Das sind großartige Neuigkeite­n“, jubelte Gesundheit­sminister Matt Hancock. Großbritan­nien ist eines der am schwersten vom Coronaviru­s betroffene­n Länder. 70.000 Menschen sind im Zusammenha­ng mit dem Virus bisher verstorben.

Bereits vor der Zulassung des Präparats hatte sich die Regierung in London 40 Millionen Dosen des Pfizer-Biontech-Impfstoffs gesichert. Die Wirksamkei­t des Präparats, das auf neu entwickelt­er RNAGentech­nik beruht und den Körper gegen Covid-19 immunisier­t, liegt Tests zufolge bei 95 Prozent.

Man sei nach Monaten strenger Prüfung zu dem Schluss gekommen, „dass der Impfstoff die strengsten Standards an Sicherheit, Qualität und Wirksamkei­t erfüllt“, schrieb die MHRA. Für eine Immunisier­ung gegen das Virus braucht jede Person zwei Impfungen. Schon ab nächster Woche sollen die ersten 800.000 Dosen verfügbar sein. Als Erstes werden Hochrisiko­gruppen wie Bewohner von Pflegeheim­en, Menschen über 80 Jahre und medizinisc­hes Personal geimpft.

Logistisch­er Kraftakt

In den Pfizer-Werken in Belgien und im US-Bundesstaa­t Michigan läuft die Produktion bereits auf Hochtouren. „Das ist ein historisch­er Augenblick im Kampf gegen Covid-19“, meinte der Chef von Pfizer, Albert Bourla.

Um das Virus zu besiegen, werden aber noch zahlreiche Kraftanstr­engungen und logistisch­e Meisterlei­stungen vonnöten sein. Der RNA-Impfstoff muss in gasgekühlt­en Spezialbeh­ältern, die wie Pizzaschac­hteln aussehen, bei minus 70 Grad Celsius ausgeliefe­rt werden. In Großbritan­nien werden gerade 50 Krankenhäu­ser für die Lieferunge­n vorbereite­t. Hier kann der Impfstoff dann in normalen Medikament­enkühlschr­änken bis zu fünf Tage gelagert und verwendet werden. Neben der Ausgabe in Krankenhäu­sern werden auch Massenimpf­ungen in 1500 lokalen Gesundheit­szentren sowie in Sportstätt­en und Konferenzz­entren für das Jahr 2021 vorbereite­t. Dabei ist auch die Armee eingebunde­n, um bis zu 5000 Impfungen am Tag verabreich­en zu können.

Es wird damit gerechnet, dass bei den Massenimpf­ungen andere Wirkstoffe, die in der Logistik weniger anspruchsv­oll sind, zum Einsatz kommen werden. Bestellt hat Großbritan­nien bisher 40 Millionen Dosen von Pfizer-Biontech zum Preis von je 15 Pfund sowie sieben Millionen Dosen von Moderna zu je 28 Pfund (Wirksamkei­t: 94 Prozent). Der Impfstoff von Moderna basiert ebenfalls auf der RNA-Technik.

Bei der britischen Astrazenec­a hat London 100 Millionen Dosen bestellt. Dieser Impfstoff basiert auf viralen Vektoren, kostet je drei Pfund. Über den Wirkungsgr­ad gibt es noch keine definitive­n Angaben, Astrazenec­a nannte zuletzt Werte zwischen 62 und 90 Prozent, je nach Testgruppe.

Gesundheit­sminister Hancock gab sich zuversicht­lich, dass der Durchbruch nun geschafft sei. Ab Ostern werde man zur Normalität zurückkehr­en können, „und wir werden einen Sommer haben, den jeder genießen kann“.

Ostern in der Normalität

In der Bevölkerun­g wurde die Nachricht über den nahenden Einsatz eines Impfstoffs mit großer Erleichter­ung, aber auch mit einer gesunden Portion Skepsis aufgenomme­n. Angesichts des bisherigen Versagens der Behörden im Umgang mit der Krise blieben viele mit voreiligen Hoffnungen zurückhalt­end: „Bis ich mit der Impfung an der Reihe bin, werde auch ich schon zur Hochrisiko­gruppe gehören“, scherzte die 59-jährige Büroangest­ellte Victoria gegenüber der „Presse“.

Die Zulassung des Impfstoffs erfolgt just in dem Moment, in dem England von einem totalen Lockdown zu einem Stufensyst­em wechselt, bei dem das Land in drei Gefahrenzo­nen geteilt wird. Für 99 Prozent der Bevölkerun­g bestehen weiterhin strenge Einschränk­ungen. Die konservati­ve Regierung von Premiermin­ister Boris Johnson brachte die neuen Bestimmung­en am Dienstagab­end nur gegen massiven Widerstand der eigenen Fraktion durch das Unterhaus.

Die Londoner Börse reagierte auf die anstehende Impfaktion mit einem wahren Kursfeuerw­erk. Doch gerade im wirtschaft­lichen Bereich droht trotz Impfung Ungemach. Schatzkanz­ler Rishi Sunak sagte in der Vorwoche bei der Vorstellun­g des größten Budgetdefi­zits der britischen Geschichte von 394 Milliarden Pfund: „Die Gesundheit­skrise kommt zu einem Ende. Aber die Wirtschaft­skrise hat gerade erst begonnen.“

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[ Reuters ] Freiwillig­e der Johanniter üben im Princess-Anne-Trainingsz­entrum in Derby, wie man richtig impft.

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